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ÜBER GOLD UND PAPIERGELD
Wechselkurs des Goldes: In den Finanzmedien ist in der Regel vom „Preis“ des Goldes die
Rede. Das ist nicht korrekt, denn Gold ist kein Rohstoff wie Öl oder Eier. Gold ist Geld. Man
spricht ja auch nicht vom Preis von Euro oder Yen, sondern von Wechselkurs.
Ein Gramm Gold entspricht etwas 1/31 einer Unze (um genau zu sein: 31,1034 Gramm
ergeben eine Feinunze).
Es gibt keine subtilere und auch keine sicherere Methode, einer Gesellschaft ihre Grundlagen
zu entziehen, als die Zerstörung ihrer Währung. Dieser Vorgang umfasst, was die Zerstörung
betrifft, alle verborgenen Kräfte der ökonomischen Gesetze und er tut es auf einer Weise, die
unter einer Million Menschen nicht ein einziger wirklich erkennen kann.
Alle mächtigen Gesellschaften häufen irgendwann unerträglich hohe Schulden an.
Rom: Barbaren an der Münzpresse. In den etwa 5 Jahrhunderten, in denen es die Welt die
beherrschte, hatte Rom reichlich Zeit, die Kunst der Geldentwertung zu perfektionieren.
Verschiedene Herrscher verkleinerten ihre Münzen, schnitten Stücke davon ab und stanzten
Löcher hinein, um aus diesen Stücken noch mehr Münzen prägen zu können. Oder sie
ersetzten Gold und Silber durch weniger wertvolle Metalle; entweder vollständig oder durch
Verschmelzung.
Als Diokletian im 3. Jahrhundert nach Christus den Thron bestieg, hatten seine Vorgänger
schon durch mit Zinn beschichtete Kupfermünzen ersetzt. Die Verteidigung des Reichs war
kostspielig und Diokletian entschied sich für die Politik von Gewehren und Butter. Er
vergrößerte die Armee um Tausende neue Soldaten und gab viel Geld für öffentliche
Arbeitsprojekte aus. Als ihm das Geld ausging, prägte er einfach riesige Mengen neuer
Kupfermünzen und begann den Gold und Silbermünzen Kupfer beizumischen. Als wegen des
erhöhten Geldumlaufs die Preise stiegen, schob er die Schuld auf die Händler. Er erließ im
Jahre 301 ein Edikt, in dem er jedem die Todesstrafe androhte, der Waren teurer als zu einem
festgesetzten Preis verkaufte. Die Händler verstanden die Botschaft nur zu gut. Statt die Preise
zu erhöhen schlossen sie ihre Läden. Dann verschärfte Diokletian die Gesetze und verlangte
von jedem Mann, den Beruf seines Vaters auszuüben, ansonsten drohte die Todesstrafe.
Dadurch verstärkte sich die Trennung der gesellschaftlichen Schichten weiter. Die Reichen
verstanden, dass eine Geldentwertung im Gang war, horteten ihre Münzen aus purem Gold
und Silber (die ihren Wert behielten) und wurden noch reicher. Den Armen aber bleib nur das
wertlose Kupfer und ihre Abhängigkeit von staatlicher Unterstützung wuchs. Das setzte das
Schatzamt unter Druck, was dazu führte, dass immer mehr Kupfermünzen geprägt wurden.
301, als Diokletian die Preiskontrollen einführte, war ein Pfund Gold 50.000 Denare wert.
Mitte des 4. Jahrhunderts betrug der Wechselkurs 2 Milliarden Denare. Im Jahre 410 wurde
das finanziell ausgeblutete Römische Reich von den Westgoten unterworfen.
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Frankreich: Zwei Mal in einem Jahrhundert. 1715 war Frankreich ein klassisches Opfer einer
schlechten Regierung. Die vielen Krieg Ludwigs 14. hatten seinen Nachfolger Ludwig 15.,
der bei seiner Thronbesteigung erst 5 Jahre alt war, an die Spitze einer Gesellschaft gesetzt.
Dann tauchte ein Schotte namens John Law auf und bot eine Lösung der Probleme an. Law
war der enterbte Sohn eines Goldschmieds, sah gut aus, war sehr beredsam und hatte eine
neue Theorie über Geld entwickelt: Je mehr Geld eine Regierung in Umlauf bringt, desto
stärker wächst der Wohlstand im land. In gewisser Weise war seine Idee ein Vorläufer der
heutigen Geldpolitik, denn er glaubte, dass man durch das Management der umlaufenden
Geldmenge ein starkes Wirtschaftswachstum ohne Inflation erreichen könne. Dieser Zustand
war nicht mit Gold und Silber zu erreichen, denn die verfügbare Menge an Edelmetallen war
begrenzt und somit schwer zu manipulieren. Er wollte es mit einer neuen Art von Währung
aus Papier erreichen, die erst wenige Jahre zuvor von der Bank von England erfunden und
eingeführt worden war. Die verfügbare Menge an solchen Papieren, könne beliebig
ausgeweitet oder begrenzt werden.
Die Franzosen waren in einer Notlage und gaben Law die Chance, seine Theorie in die Praxis
umzusetzen. Sie erlaubten ihm die Gründung einer Bank, der Banque Royale, die
Papier-Livres in Umlauf bringen durfte. Law gab Regierungskontrakte zur Finanzierung des
Handels mit Kanada und China und zur Erschließung von Frankreich riesigen Besitzungen
heraus, die dem heutigen Lousiana entsprechen. Er hatte sich selbst zum Finanzminister und
dem Notenbankchef ernannt, mit der Ermächtigung Steuern einzuziehen und Geld zu drucken.
Dann vereinigte er die meisten dieser Operationen zu einem der ersten Konglomerate der
Geschichte, der Compagnie d´Occident, besser bekannt als Mississippi Kompanie.
Er erließ eine Verordnung, nach der von nun an Landbesitz und Aktien als Sicherheit für
Kredite verwendet werden konnten, was es Kreditnehmern erlaubte, mit einer
Grundbesitzurkunde oder einem Aktienzertifikat zu ihrer Bank zu gehen und mit frisch
gedrucktem Geld wieder herauszukommen. Mit diesem Geld kauften die Leute dann
wiederum Grundbesitz und Aktien. Das trieb die Preise nach oben und ermöglichte die
Aufnahme zusätzlicher Kredite (Immobilienmarkt USA).
Die Aktie der Mississippi Kompanie stieg von Januar 1719 bis Ende 1720 von ursprünglich
500 auf 20.000 Livres. Wer früh investierte machte ein Vermögen und ganz normale
Franzosen gaben ihre Berufe auf, um das zu werden, was man heute Day Trader nennt.
Law wurde zu einer internationalen Berühmtheit und auf dem Papier zu einem der reichsten
Männer der Welt. Aber innerhalb eines Jahres führte der endlose Strom von Papiergeld aus
der Notenpresse in Frankreich zu Preissteigerungen auf allen Gebieten. Schlechtes Geld
verdrängt gutes Geld aus dem Umlauf, wenn die Regierung bestimmt, dass beide den gleichen
Tauschwert haben. Die französischen Verbraucher begannen Gold und Silbermünzen zu
horten und gaben Papiergeld sofort wieder aus, sobald sie es erhalten haben. Im Januar 1720
stiegen die Preise im Papier Livres um monatlich 23 Prozent.
Im selben Monat beschlossen 2 königliche Prinzen, ihre Aktien der Mississippi Kompanie zu
verkaufen. Andere folgten dem Beispiel und der Kurs fiel rapide. Law reagierte darauf, indem
er noch mehr Papiergeld druckte und nutze seine Amtsgewalt dazu, den Besitz von mehr als
500 Livres in Gold oder Silber zu verbieten. Das verschreckte die Märkte gründlich. Ende
1721 war die Aktie auf den ursprünglichen Wert von 500 Livres zurückgefallen, die
französische Wirtschaft lag in Trümmern und Laws Zeit war vorbei. Er hatte seinen Reichtum
verloren und floh nach Italien, wo er 1729 verarmt starb.
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Frankreich war damals eine absolute Monarchie, in der Adel und Kirche den größten Teil des
Volksvermögens besaßen, aber keine Steuern zahlten. Folglich hatten die immer schon
unterdrückten Bauern und die wachsende, aber unzufriedenen Klasse der Kaufleute (die
bourgeoisie) die volle Last einer ganzen Serie von verschwenderischen Königen zu tragen.
Nachdem es ruinös teure Kriege gegen Großbritannien und Preußen verloren hatte, war
Frankreich in den 1780er Jahre um es zurückhaltend auszurücken offen für neue Ideen.
1792 kam es zum Machtwechsel und die neue Regierung versuchte den Übergang von der
Feudalherrschaft zur Demokratie zu finanzieren, indem sie den Grundbesitz der Kirche
konfiszierte (fast 10 % des gesamten Landes) und ihn als Sicherheit für die Ausgabe
verzinslicher Wertpapiere verwendete, die man Assignats nannte. Zu Beginn erfolgte die
Ausgabe vorsichtig mit Wertpapieren im Nennwert von 400 Millionen Livres. Im folgenden
Jahr waren es aber schon 800 Millionen, dann weitere 600 und noch einmal 300 Mio.
Weil Zinszahlungen und Tilgung der Assignats in Papier Livres erfolgten, kam es zu einem
massiven Anstiegs des Umlaufs der „Fiat“- Währung. 1794 waren 7 Milliarden Papier Livres
im Umlauf. Ein Jahr später waren es 10, weitere 6 Monate später 14 Milliarden. Bald war die
Gesamtsumme auf 40 Milliarden gestiegen und eine regelrechte Hyperinflation hatte
begonnen. Die angeblich demokratische Regierung versuchte daraufhin die Bürger zur
Annahme ihrer Währung zu zwingen, indem sie jedem eine Gefängnisstrafe von 20 Jahren
androhte, der Banknoten unter ihrem Nennwert verkaufen. Wer bei der Preisfestsetzung einen
Unterschied zwischen Papier Livres und Gold- oder Silber Livres machte, dem drohte sogar
die Todesstrafe. Die Händler machten ihre Läden dicht, die Wirtschaft bracht zusammen.
Rationierung ersetzte den Handel und die junge Republik ging zugrunde. Das öffnete der
Diktatur Napoleons Tür und Tor und es folgte eine weitere Reihe zerstörerischen Kriegen in
Europa.
Deutschland: Von Versailles zu Hitler. Im Jahrzehnt vor dem Ersten Wertkrieg war
Deutschland eine Industriemacht. Seine Währung, die Mark, war an das Gold gebunden und
seit Jahrzehnten stabil. Seine Industrieregionen versorgten den Rest Europas mit Kohle, Stahl
und viele anderen Gütern. Aber als Verlierer des Krieges trug Deutschland einige
einzigartigen Lasten mit in die 20er Jahre. Zu den Bedingungen des Kapitulationsvertrags
gehören die Schaffung einer demokratischen Regierungsform und die Zahlungen von
Reparationen an Frankreich und an die anderen Siegermächte.
Die vorherige Regierung hatte den Krieg offenbar durch Schuldenaufnahme finanziert, weil
sie einen schnellen Sieg erwartete und danach die Verlierer auspressen zu können. Daher
hatte Deutschland am Beginn der 20er Jahre massive Staatsschulden zu tragen, die aus den
Kriegsjahren stammten. Die Siegermächte verlangten extrem hohe Reparationszahlungen.
Bis 1921 zahlte Deutschland etwa ein Drittel der Gesamtsumme, hauptsächlich durch Exporte
von Kohle Eisen und Holz. Anstatt den Bürgern weitere Lasten aufzuerlegen, weigerte sich
die Weimarer Regierung, den Rest der Reparationszahlungen zu leisten. Daraufhin besetzten
Frankreich und Belgien das Ruhrgebiet. Die Regierung schaltete die Notenpressen ein und
immer mehr Geld kam in Umlauf. Auf diese neue Situation reagierten die Deutschen zunächst
mit Sparen und Konsumverzicht. Als sie aber bemerkten, dass alle Preise stiegen, begannen
sie ihr Geld so schnell wie möglich auszugeben. Ein Laib Brot, der 1922 für 160 Mark zu
haben war, kostete ein Jahr später 1,5 Mio. Mark. Die Preise in Restaurants verdoppelten sich
während einer Mahlzeit. Kreditnehmer waren plötzlich schuldenfrei, während Sparer alles
verloren. Für eine Rente, die 1920 ein komfortables Leben versprochen hatte, konnte man
sich 1923 nicht einmal ein Frühstück leisten.
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Und wie immer hatten die Reichen am wenigsten zu leiden, weil sie harte
Vermögensgegenstände besaßen wie Goldmünzen und Land, auf dem man Lebensmittel
produzieren konnte die ihren Wert behielten, während Papiergeld wertlos wurde. Im Herbst
1923, als ein Dollar eine Billion Mark kostete, war Deutschlands Zusammenbruch besiegelt.
Die alte Mark wurde durch die Rentenmark ersetzt. Sie war durch eine Goldanleihe aus den
USA gedeckt, die Deutschland beim Wiederaufbau helfen wollten. Neun Nullen wurde von
der Währung gestrichen, eine Rentenmark entsprach 1 Million alter Mark. Aber die
verlorenen Ersparnisse wurde nie ersetzt, ebenso wenig wie der Wert der harten Arbeit und
des Anstands vor dem 1. Weltkrieg. Wie mehr als ein Jahrhundert zuvor in Frankreich, hatte
das monetäre Chaos ein politisches Klima geschaffen, das reif war für einen Demagogen.
Wenig später ergriff Hitler die Gelegenheit.
Argentinien: Weine um den Peso. Regierungen in Lateinamerika haben es oft besonders
schwer. Infolge schlechten Managements der früheren europäischen Kolonialmächte befindet
sich ein großer Teil des Volksvermögens in den Händen weniger Familien, die kaum Interesse
daran haben, ihr Eigentum zu teilen. Aber in den 1990er Jahren sah es für eine Weile so aus,
als sei Argentinien das Land, das endlich alles richtig machte. Nach einer erneuten
Hyperinflation 1991 koppelte das Land seine Währung, den Peso, an den Dollar und zwar mit
einem Wechselkursverhältnis von 1 zu 1. Die Zentralbank war dazu verpflichtet, die beiden
Währungen auf Verlangen umzutauschen und für die Dollar Deckung der unlaufenden Pesos
zu sorgen. Für eine Weile funktionierte das. Die Koppelung an den Dollar sah stabil aus.
Investoren im In- und Ausland glaubten allmählich, der Peso könne seinen Wert bewahren.
Aus der ganzen Welt strömte Kapital nach Argentinien und die Wirtschaft boomte. Statt die
daraus resultierenden höheren Steuereinnahmen zur Schuldentilgung zu verwenden und die
Kosten von Regierungsprogrammen zu reduzieren, ging die Regierung auf Einkaufstour. Man
stellte neue Beamte ein und finanzierte Projekte mit hohen Kosten, aber zweifelhaften
Nutzen. Als die Einnahme nicht mehr reichten, erhöhte die Regierung die Steuersätze und
führte neue Steuern ein. Bei den wenigen Gelegenheiten, wenn die Regierung ihre Ausgaben
kürzen wollte, kam es zu gewaltsamen Demonstrationen auf den Strassen und zu
Generalstreiks. Die Regierung gab schnell wieder nach.
1998 war die Lücke zwischen dem realen Wert der Pesos und des Dollars so groß gewesen
geworden, dass die Argentinier ihre Zentralbank stürmten, um ihre Pesos massenhaft in
Dollars zu tauschen. Der Boom war vorbei. Die neue Regierung fror alle Dollar Konten ein.
Kontoinhaber durften pro Woche maximal 250 $ abheben. Schließlich wurden sogar diese
Abhebungen verboten. 20 Milliarden Dollar wurden im Prinzip beschlagnahmt. Ende 2003
stand der Peso, der 2001 noch 1 Dollar wer war, bei 0,30 Cent.
Ob in der Antike oder in der Neuzeit, ob in der Monarchie, Republik oder im Sozialismus, ob
mit Münzen oder mit Papier. Der Niedergang jeder Nation vollzieht sich auf so ziemlich
gleich Art und Weise: Regierungsausgaben werden erhöht, um wahrgenommene Bedürfnisse
zu erfüllen, zu hohe Schulden werden angehäuft und dann entzieht sich die Nation ihren
Verpflichtungen, indem sie ihre eigene Währung zerstört.
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Verbriefungen: Wenn man verstehen will, welche Rolle die Verbriefung bei der derzeitigen
Verschuldungsexplosion spielen in den USA spielt, muss man sich vor Augen halten, wie die
Kreditvergabe früher einmal funktionierte. Wenn die z.B. 1980 von ihrer Bank eine Hypothek
oder einen Kredit zum Kauf eines Autos bekamen, dann stand dieser Kredit in den Büchern
der Bank, bis er zurückbezahlt war. Die Banken hatten auch kaum eine andere Wahl.
Zwischen den verschiedenen Konsumentenkrediten gab es große Unterschiede. Manche
wurde schnell getilgt, manche später und einige gar nicht. Die Analyse und die Bewertung all
dieser unterschiedlichen Kredite waren so kompliziert, dass Außenstehende kein Interesse
daran hatten, solche Kreditforderungen zu kaufen oder höchstens zu Ausverkaufspreisen
und daher blieben die Kredite bei den Gläubigern hängen. Dadurch war ihr Kapital gebunden,
sie sahen aus wie Unternehmen aus der Old Economy, fühlten sich auch so und meistens
waren sie es auch. Aber sie hatten auch einen Anreiz zur vorsichtigen Kreditvergabe, weil sie
mit den Resultaten leben mussten.
Dann Mitte der 80er Jahre, hatten die Finanzingenieure an der Wall Street eine folgenschwere
Einsicht: Man konnte eine Menge kleiner, unterschiedlicher Kredite zusammenfassen, ein
wenig schmücken und zu Anleihen mit hoher Bonität bündeln, um die sich Investoren auf der
ganzen Welt reißen würden. Und jetzt werden jedes Jahr hunderte Milliarden Dollar an
Hypotheken, Autokrediten und Kreditkartenschulden verpackt und an einen unersättlichen
weitweiten Anleihemarkt verkauft. Die Kreditinstitute haben folglich ihre Zurückhaltung
aufgegeben, denn wenn sie die Zahlungsfähigkeit eines Kreditnehmers falsch einschätzen,
dann schadet das nur den Besitzern der Anleihen und selbst das tritt erst nach Jahren ein. In
der Zwischenzeit verdient das Kreditinstitut Geld, seine Aktie steigt und seine Manager
erhalten schöne Bonuszahlungen. Und die Verschuldung der amerikanischen Haushalte
schießt nach oben.
Collateralized Debt Obligation (CDO) ist ein Überbegriff für Finanzinstrumente, die zu der
Gruppe der forderungsbesicherten Wertpapiere (Asset Backed Securities) und strukturierten
Kreditprodukte gehören. CDOs bestehen aus einem Portfolio aus festverzinslichen
Wertpapieren. Diese werden in drei Tranchen aufgeteilt: Senior Tranche, Mezzanine Tranche
und die Equity Tranche. Das Ausfallrisiko steigt aufgrund der nachrangigen Bedienung im
Fall eines Ausfalls mit sinkendem Rating, daher bietet die Equity Tranche als Ausgleich den
höchsten Nominalzins (Kupon). CDOs sind ein wichtiges Refinanzierungsmittel für Banken
auf dem Kapitalmarkt. Im Zuge der Finanzkrise sind sie allerdings in die Kritik geraten, da
mittels ihres Einsatzes in hohem Maße risikobehaftete Kreditforderungen als vermeintlich
sichere Investments auf dem Kapitalmarkt platziert wurden.
Derivate: Zwischen 1995 und 2001 betrug die Neuverschuldung amerikanischer
Unternehmen, die nicht der Finanzbranche zuzurechnen sind, etwas 3,5 Billionen Dollar.
Seither haben die Unternehmen, ebenso wie die Konsumenten, das Tempo noch beschleunigt
und weitere 2 Billionen an Verbindlichkeiten angehäuft. Aber der erschreckende Teil der
angestiegenen Unternehmensverschuldung betrifft nicht die Schulden selbst. Er betrifft die
Derivate. Derivate sind Finanzprodukte, die von einem Basiswert abgeleitet werden. Alle
haben den Zweck, die mit einem bestimmten Finanzinstrument verbundenen Risiken
aufzuteilen, sodass man sie an verschiedene Leute verkaufen kann, die theoretisch am besten
dazu in der Lage sind, damit umzugehen. Weltweit beträgt der Wert an Derivaten mehr als
210 Billionen Dollar.
Verschuldung: Pro Bürger beträgt die Staatsschuld 128.000 € (Stand Vorkrise 2004).
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Handelsbilanzdefizit: Seit 1985 ist das kumulierte Defizit auf 4 Billionen Dollar gestiegen
oder auf etwa 13.000 $ für jeden Mann, jede Frau und jedes Kind in den USA. Was tun die
Handelspartner Amerikas mit diesen Dollars? Ihre Zentralbanken haben riesige Dollar
Bestände als „Reserven“ zur Unterstützung ihrer eigenen Währungen angehäuft.
Ausländische Unternehmen haben amerikanische Immobilien, Anleihen und Aktien gekauft.
Investoren aus dem Ausland besitzen heute amerikanische Vermögensanlagen in Wert von 8
Billionen Dollar. Dazu gehören 13 % aller amerikanischen Aktien, 24% der
Unternehmensanleihen, 43 % der Staatsanleihen und 14 % der Schuldverschreibungen von
Regierungsagenturen. Ende 2003 wurde etwa ein Drittel der durch Hypotheken abgesicherten
Anleihen von Fannie Mae außerhalb der USA verkauft.
Diese Bereitwilligkeit ausländischer Anleger, ihre Dollars wieder der amerikanischen
Wirtschaft wieder hinzuzuführen, erklärt die relative Stärke Stabilität des Dollars. Was wird
geschehen, wenn sie sich tatsächlich entschließen, ihre amerikanischen Staatsanleihen oder
ihre Immobilien in Manhattan zu verkaufen? Aller Wahrscheinlichkeit wird sich der Dollar
weiter abschwächen. Es wird zu einer Kapitalflucht kommen und das potentielle
Schuldenproblem wird sehr real werden.
„Von allen Erfindungen, die ersonnen wurden, um die arbeitenden Menschen zu betrügen,
war keine wirkungsvoller als die Illusion des Papiergelds.“
Was ist Geld?
Wertstandard. Geld ist ein allgemein akzeptierter Maßstab, um die Preise von Gütern
und Dienstleistungen auszudrücken.
Wertspeicher. Geld behält seine Kaufkraft über lange Zeiträume und ermöglicht es
den Menschen, zu sparen und ihre Ausgaben auf einen zukünftigen Zeitpunkt zu
verschieben.
Wechselmedium. Geld kann problemlos im Austausch für Güter und Dienstleistungen
von einer Person an eine andere übergeben werden.
„Der Wert von Gold oder Papier hängt von unserem Glauben ab, als Geld zu fungieren.“
Goldstandard: Nehmen wir an, dass die britischen Verbraucher ein Handelsdefizit mit den
deutschen aufweisen, d.h. sie kauften mehr Dinge von den Deutschen als die Deutschen von
ihnen. Unter dem Goldstandard wäre nun britisches Gold nach Deutschland geflossen, die
Geldversorgung in UK wäre gesunken. Die darauf folgende Kreditverknappung hätte die
dortige Wirtschaft abgebremst, die Bürger hätten sich weniger wohlhabend gefühlt und daher
weniger im Ausland gekauft. Die Deutschen dagegen hätten nun mehr Geld für Ausgaben und
Investitionen gehabt, was zu einem Sinken der Zinsen und somit steigenden
Wirtschaftswachstum geführt hätte. Ein Teil dieses neuen Reichtums wäre für ausländische
Güter ausgegeben worden. Handel und Kapitalströme wären wieder ins Gleichgewicht
gekommen.
Im 17. Jahrhundert hatten italienische und englische Goldschmiede entdeckt, dass sie einen
Teil des Goldes ihrer Kunden Gewinn bringend verleihen konnten. Weil immer nur ein paar
Kunden ihr Gold zurückverlangten, genügte der Teil der Einlagen, den die Goldschmiede in
Reserve hielten (daher der Ausdruck „teilweise Reserve“) zur Erfüllung ihrer
Verpflichtungen. Und weil sie mit dem Verleihen Geld verdienten, konnten sie den Kunden
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Zinsen zahlen, statt von ihnen eine Aufbewahrungsgebühr zu verlangen. So waren alle
zufrieden.
Nehmen wir an, eine Londoner Bank erhielt eine Einlage von 100 Pfund und war verpflichtet,
10 % der von ihr vergebenen Kredite als Reserve zu halten. Sie konnte als 90 Pfund an neuen
Krediten vergeben und musste 10 Pfund den Reserven zuschreiben. Die Kunden brachten das
Geld zu anderen Banken, die nun für 81 Pfund Kredite vergaben, 9 Pfund in die Reserven
steckten und so weiter, bis die gesamte Kreditsumme in diesem System die Höhe der
ursprünglichen Einlage bei weitem überstieg. Das Ergebnis war eine „flexible“ Geldmenge,
die man ausweiten konnte, um die Bedürfnisse einer wachsenden Wirtschaft zu erfüllen.
Flexibel ist allerdings gleichbedeutend mit volatil. In guten Zeiten, wenn sich die Bürger
bereitwillig verschulden und die Banken bereitwillig Kredite vergeben, wächst die
Kreditmenge schneller als die Geldmenge. In schlechten Zeiten legt die Kreditmaschine den
Rückwärtsgang ein und das erklärt, warum Booms und Konjunktureinbrüche auch unter dem
scheinbar stabilen Goldstandard möglich waren.
Zentralbankreserven: Für die Zentralbanken ist Gold Fluch und Segen zugleich. Während
man Dollars zum jeweils herrschenden Zinssatz verleihen kann, was die Reserven einer
Zentralbank im Laufe der Zeit erhöht, kann man mit dem Verleihen von Gold nur ein 1 % pro
Jahr vereinnahmen. Woher kommt dieser Unterschied? Wer Dollars oder Euros verleiht,
verlangt daher vernünftigerweise hohe Renditen (bekannt als „Risikoprämien“) als
Kompensation dafür, dass die Rückzahlung möglicherweise in weniger wertvoller Währung
erfolgen wird. Gold dagegen kann nicht einfach aus der Luft erschaffen werden und das
macht es relativ sicher. Daher begnügt sich der Markt mit niedrigeren Zinsen. Da der „Staat“
nach Belieben Geld drucken kann, wird er seine Zinszahlungen immer leisten können, wenn
auch in Dollars die ständig an Wert verlieren. Trotzdem bleibt der Nominalwert gleich.
Der Dollar ist eine Bilanzwährung, eine buchhalterische Fiktion. Er bezieht seinen Wert aus
den Vermögensgegenständen der Federal Reserve und der Geschäftsbanken. Einige dieser
Gegenstände sind real und greifbar, andere wie Bankkredite, Devisen und Derivate sind es
nicht.
Mit physischem Gold bewahren Sie ihren Wohlstand, vermeiden Risiken und bleiben liquide,
aber sie versuchen nicht damit reich zu werden. Die Herstellung von großen Barren ist billiger
als die von Münzen und daher weisen sie die niedrigsten Handelsspannen auf. Gold rostet
nicht. Daher können Sie es buchstäblich im Garten vergraben. Sie sollten Ihr Gold auf
verschiedene Verstecke verteilen.
Die langfristigen Zinsen. Wenn das allgemeine Zinsniveau fällt, sieht der Coupon einer
älteren Anleihe vergleichsweise attraktiv aus und die Leute sind bereit mehr dafür zu zahlen,
was den Preis oder Kurs der Anleihe steigen lässt. Dadurch wird die Rendite kleiner. Wenn
die Zinsen dagegen steigen, dann sinken die Anleihekurse, damit sich die Rendite an das neue
Zinsniveau anpasst. Wenn sich die Bonität des Schuldners verschlechtert, dann sinkt der Wert
seines Zahlungsversprechens und der Kurs der Anleihe fällt. Die Rendite muss steigen, damit
eine größere Risikoprämie entsteht.
Mitte 2003 fragte man John Templeton nach seiner Meinung zum Häusermarkt. Seine
Antwort: Wenn die Preise für Eigenheime auf 10 % ihres Höchstwertes gefallen sind, sollte
man kaufen.
LEAPS: Diese Optionen haben Laufzeiten von bis zu 2,5 Jahren. Die Spalte „Open Interest“
gibt die Zahl der Kontrakte an, die gekauft und noch nicht glatt gestellt wurden. Beachten Sie,
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dass der Open Interest in manchen Fällen recht niedrig ist. Darin kommt das Urteil des
Marktes zum Ausdruck, welche dieser Kontrakte am attraktivsten ist.
Der Börsenboom
In London hatte sich am Anfang des 18. Jahrhunderts eine florierende Wertpapierbörse
entwickelt. Wie bei fast jedem Börsenboom lebte auch die South Sea Bubble von der
Faszination eines neuen Geschäftsfelds, das märchenhafte Gewinne verhieß. Anfang des 18.
Jahrhunderts versprach die Südsee mit dem Handel von exotischen Produkten wie Rohstoffen
und Sklaven hohe Profite.
Die South Sea Company
Die wichtigsten Initiatoren der 1711 gegründeten Handelsgesellschaft South Sea Company
waren John Blunt und George Caswell, Mitinhaber der Sword Blade Company (Bankiers),
sowie ein anonymer Baptist. Daneben hatte auch die britische Regierung ihren Anteil. Diese
verlieh dem Unternehmen das Monopol im Handel mit Südamerika inklusive noch nicht
entdeckter Gebiete. Man spekulierte dabei auf ein schnelles und für England günstiges Ende
des Spanischen Erbfolgekrieges, mit dem das spanische Privileg des Sklavenhandels (Asiento
de negros) beseitigt werden könnte. Jedoch wurde der Friede von Utrecht erst 1713
geschlossen, und die spanischen Vorrechte wurden darin nur eingeschränkt, nicht vollständig
beseitigt. Die erste Handelsreise im Auftrag der South Sea Company konnte so erst 1717
unternommen werden. Sie erwies sich als wenig lukrativ.
Den ersten großen Erfolg landete die South Sea Company nicht mit dem Warenhandel,
sondern erneut bei der britischen Regierung: Sie übernahm im Januar die Staatsschulden (der
Bank von England) in der Höhe von 9 Millionen Pfund bei einer Verzinsung von 6% jährlich
und erhielt dafür das Recht, zusätzliche Aktien auszugeben (Kapitalerhöhung). Nach und nach
übernahm die Gesellschaft die zusätzlichen Staatsschulden und brachte im Gegenzug noch
mehr Aktien heraus. Am 7. April 1720 bestätigte König Georg die Entscheidung des
Parlaments. Lord North and Grey fürchtete im Parlament am 5. April 1720 bei der
Abstimmung über das Südseegesetz (South Sea Bill) schlimme Folgen und dass „das Land
nicht durch den Handel mit imaginären Reichtümern ruiniert würde“.
Der Kurs der Aktien des Unternehmens im Nennwert von 100 Pfund lag Anfang 1720 noch
bei 120 Pfund. Danach schoss er aber raketenartig nach oben und erreichte im Juli
fantastische 950 Pfund und konnte ein paar Wochen lang mehr oder weniger sein hohes
Niveau halten. König Georg, Herzogin Marlborough und viele der ausländischen Investoren
verkauften. Den anderen Anlegern war noch nicht klar, dass die Dividenden nie bezahlt
werden könnten, schon gar nicht, dass bisher noch kein Sklavenhandel stattgefunden hatte.
Sie fieberten genau wie die Franzosen in der dortigen, gleichzeitigen Mississippi-Spekulation.
Doch blieb dies nicht ohne Folgen. Andere Firmengründer stießen nach und warfen Aktien
neuer Unternehmen auf den Markt, die ebenfalls reißenden Absatz fanden. Die
Geschäftsfelder reichten damals von Lohnausfallversicherungen für Matrosen über diverse
Entwicklungsperspektiven, vom Importgeschäft für Walnussbäume zur Technologie für die
Verarbeitung von Quecksilber.
Im Juni beschloss das Parlament, dass alle Gesellschaften eine königliche Ernennung haben
sollten, was zu einer weiteren Aufwertung der Gesellschaft führte (Bubble Act, weil es die
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Blase auslöste). Das Gesetz verbot börsennotierten Unternehmen, sich außerhalb ihres
ursprünglichen Geschäftsfeldes zu betätigen. Mit diesem Monopol sollte der hohe Stand der
Aktie gehalten werden, da bereits im Juni Teilen des Parlaments klar wurde, dass nur ein
Bruchteil der Aktie gedeckt war, und selbst das unter der Annahme, sie würde gut
funktionieren. Aktien wurden nun zu bis zu 950 Pfund Sterling gehandelt. Die South Sea
Company hatte bis zu diesem Zeitpunkt noch kein einziges Pfund im Südseehandel verdient.
Als die Gesellschaft das Südseegesetz als Waffe gegen die unliebsame Konkurrenz benutzte
Unternehmen wurden angezeigt, zwei mussten ihre Aktivitäten einstellen , baute sie ihr
Monopol aus.
Bis dahin war keine einzige Dividende gezahlt worden, der erste Zahltermin war der 1.
August. Erst jetzt wurde deutlich, dass die Mittel nicht vorhanden waren. Die ersten Anleger
wollten schnell noch ihre Gewinne umsetzen, wie der König und einige seiner Vertrauten, und
verkauften ihre Papiere. Währenddessen fielen die Aktien der Gesellschaft nach dem 18.
August von über 800 Pfund auf 200 und innerhalb eines halben Monates noch tiefer. Im
Dezember näherte sich der Wert den 100 Pfund. Gleichzeitig kollabierte die Mississippiblase
in Frankreich, so dass internationale Aktionäre die Entwicklung verstärkten.
Die Folge
Die Folge war eine allgemeine Rezession. Handel und Produktion gingen zurück, nachdem
mehrere Investoren hohe Summen (einige 10.000 ₤) verloren hatten. Die leitenden Mitarbeiter
der South Sea Company wurden von der britischen Regierung verantwortlich gemacht und
juristisch verfolgt. Einige landeten im Gefängnis, andere begingen Selbstmord oder flohen ins
Ausland. Die South Sea Company wurde nicht aufgelöst und handelte in Friedenszeiten
weiter, bis sie in den Reformen der 1850er aufgelöst wurde. Die Kosten wurden von der East
India Company und der Bank von England getragen. Der Administrator dieser Lösung war
der Schatzkanzler Robert Walpole, der dadurch seine große Macht in Großbritannien
begründete.
Den passenden Kommentar zum Börsencrash lieferte der Physiker Isaac Newton, der selbst
20.000 Pfund verlor: Ich kann die Bewegung eines Körpers messen, aber nicht die
menschliche Dummheit.
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ÜBER US- NOTENBANK
„Liberalismus unterscheidet sich von Sozialismus, der sich ebenfalls dazu bekennt, für das
Wohl des Ganzen einzutreten, nicht anhand des angestrebten Ziels, sondern durch die Wahl
der Mittel, um dieses Ziel zu erreichen.“
„Letztlich sollte nicht übersehen werden, dass die meisten außergewöhnlichen
Preissteigerungen bei Aktien und Immobilien in der Geschichte oft von einer erheblichen
Zunahme an Geld und/oder Kredit begleitet wurde. So wie die Konsumenten-Inflation oft
beschrieben wird als eine Situation von „zu viel Geld jagt zu wenige Güter“, könnte
Vermögenswert-Inflation analog charakterisiert werden als „zu viel Geld jagt zu wenige
Vermögenswerte“. Eine Zentralbank kann die Verwendung von Geld nicht kontrollieren, aber
sie kann versuchen, sein Angebot zu kontrollieren.
Die USA trifft seine geldpolitischen Entscheidungen zwar aufgrund eigener, innenpolitischer
Interessen, ein völlig normaler Vorgang. Nun gibt es aber Länder, die ihre Währungen an den
US-Dollar gehängt haben und deshalb der amerikanischen Geldpolitik folgen müssen. Diese
Konstellation führt dazu, dass die USA in einem gewissen Ausmaß die Geldpolitik der ganzen
Welt beeinflusst.
„Dies unterstützt die Sichtweise, dass Vermögenswerte überbewertet und Risiken
unterbewertet sind.“
Der Bund und die meisten Länder hätten inzwischen das Ziel aufgegeben, mittelfristig einen
ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Es ist die Sorgfalt, des ordentlichen Kaufmanns nach
dem Handelsgesetzbuch, die wir einfordern.
Unter den Blinden ist der Einäugige König.
Welcher Anlagephilosophie folgt die Investmentbranche? Die haben ständig eine
Investitionsquote von mindestens 90 %. Buy high, Sell higher?
Eine regelrechte Hochkonjunktur erlebten in den vergangenen Jahren so genannte „interest
only mortgages“. Typischerweise sind das Hypothekenkredite mit variablem Zins, bei denen
während der ersten Jahre der Laufzeit keine Tilgung anfällt. Dadurch reduziert sich die
monatlich zu zahlende Rate um bis zu 25 %, es können also höhere Kredite aufgenommen
werden, die normalerweise außerhalb der Reichweite der Kreditsuchenden liegen. Diese
Kreditvariante richtet sich laut Produktbeschreibung ausdrücklich an Immobilienkäufer, die
das erworbene Objekt nur kurzfristig halten möchten und eine möglichst niedrige Monatrate
wünschen. So elegant diese Beschreibung auch klingen mag, sie ist natürlich nichts anderes
ein Euphemismus für hoch gehebelte Immobilienspekulation.
„In unserem Geschäft sind die einzigen Dinge die zählen, die Entstehung und das Platzen
großer Spekulationsblasen.“
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Nun kommt der Heuschreckenschwarm auf die heimtückische Idee, ein Spin-off zu
inszenieren. Das Unternehmen soll also teilweise zerschlagen werden, um diese einmalige
Gelegenheit zu nutzen und im Sinne der Eigentümer einen Reibach auf Kosten neuer
Aktionäre zu machen. Der Börsengang des boomenden Geschäftsfeld zu einem vollkommen
unrealistischen Kurs wird der naiven Öffentlichkeit auch noch in unerhört freister Weise und
mit entsprechendem Werbeaufwand als einmalige Gelegenheit präsentiert.
Bereits kurze Zeit fällt der Kurs des Unternehmens wie ein Stein auf ein realistisches
Bewertungsniveau zurück. Nach dem gelungenen Coup beschließen die Altaktionäre 5 Jahre
später den Rückkauf des Unternehmens zu weniger als einem Drittel des Emissionspreises,
ohne dafür nur einen Cent auf den Tisch zu legen. Bezahlt wird mit eigenen Aktien, wobei
man den Aktionären des Spin-off Unternehmens keine Wahl lässt. Dessen naive und
unerfahrene Aktionäre schwören nach dieser traurigen Episode der Aktie als
Anlageinstrument auf immer und ewig ab. Der geschilderte Streich wurde von der Deutschen
Telekom mit ihrem Tochterunternehmen T-Online ausgeführt. Größter Aktionär der Telekom
ist bekanntlich keine ausländische Heuschrecke, sondern der BRD. Ihren Namen sucht man
vergeblich auf Münteferings Heuschreckenliste.
Ein offizielles Interesse der Politik am Aktienmarkt entstand als der Bund die Dt. Telekom zu
privatisieren wünschte. Jetzt galt es, Geld in die Staatskasse zu spülen eine Staatskasse, die
nicht etwa chronisch leer ist, sondern von Schuldscheinen überquillt. Es ist jedoch nicht der
vorhersehbare Absturz der T-Aktie, der uns immer noch fasziniert, sondern ihr kometenhafter
Aufstieg. Niemand stellte die Salamitaktik der zweiten und dritten Privatisierungs-Tranche in
Frage, obwohl diese doch zu ganz erheblich höheren Preisen stattfand als die erste Emission.
Ein sich beschleunigender parabolischer Anstieg führte zu ökonomisch völlig absurden
Bewertungsniveaus, während sich gleichzeitig der Geschäftsverlauf und die Verschuldung des
Unternehmens deutlich verschlechterten und das Aktienangebot deutlich zunahm. Dann
erfolgte der Absturz und Mitte des Jahres 2002 notierte die Aktie unter dem Emissionspreis
der ersten Tranche. Das wirklich innovative an der Telekom war die Werbekampagne.
Erstmals wurde eine Aktie wie Waschpulver beworben und das mit überwältigendem Erfolg.
Am Tatort Telekom schien eine neue Welt zu entstehen, in der die schönen Phantasien
Wirklichkeit werden. Was zu schön war um wahr zu sein, stellte sich dann leider als Illusion
aus. Erst dank der spektakulären erfolgreichen Kampagne der Dt. Telekom AG wurden uns
die Augen geöffnet für die fast grenzenlosen Möglichkeiten von Werbung und Propaganda.
Denn wer wie die Investmentbranche oder zahlreiche Hedge Funds Zugang zu Krediten hat,
die sich an den von der Notenbank administrierten kurzfristigen Zinsen orientieren, dem
öffnet sich eine Welt von der wir Normalsterblichen nur träumen können. Schon die simple
Anlage dieser per billigen Kredit aufgenommenen Mittel in zeitweise mehrere Prozentpunkte
höher rentierliche Staatsanleihe lässt die Gewinne nur so sprudeln. Für diese einfache Form
der Zinsarbitrage braucht es keinen Nobelpreis. Der Zugang zu billigen Milliardenkrediten
und die Zusicherung der Notenbank, an ihrer Niedrigzinspolitik festzuhalten, reichen
vollkommen aus.
Derivate ermöglichen den Risikotransfer auf 3 verschiedenen Ebenen:
Risikotransfer von den USA auf den Rest der Welt
Risikotransfer vom Bankensektor zu Versicherungen, Pensionskassen und
Privatanlegern
Risikotransfer von streng regulierten Finanzdienstleistern hin zu wenig regulierten
Hedge Funds.
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Derivate erlauben den Transfer von Risiken, aber sie lassen die Risiken nicht verschwinden.
Es entstehen erhebliche Spielräume bei der Bewertung bestimmter Derivate. Auf ein paar
Milliarden Dollar Gewinn oder Verlust scheint es dabei solange alles gut läuft gar nicht
mehr anzukommen.
Gold ist bekanntlich nicht irgendein Rohstoff, sondern ist viel mehr. Gold ist das Geld freier
Märkte und freier Menschen. Konsequenterweise wurde der private Besitz von Diktatoren wie
Hitler, Stalin oder Mao verboten.
Mitmachen, Mitlaufen, Miterleben das sind die typischen Eigenschaften erfolgreicher
Karrieretypen in allen große, hierarchischen Organisation. Kritische Köpfe sprechen in
diesem Zusammenhang von Mitläufern und Opportunisten. Erfolgreiche Politiker, Bürokraten
und Manager zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, mit fast schlafwandlerischer Sicherheit
die jeweils mehrheitsfähige Position zu vertreten.
Erfolgreiche Investoren, Spekulanten und natürlich auch Unternehmer sind dagegen selten
Mitläufer, sondern weitsichtige Trendsetter und Contrarians. Im Bereich der Mainstream
Anlagen gibt es nur einen großen Gewinner: die Investmentbranche der Banken,
Versicherungen, Broker und Investmentfonds. Sie verdienen an ihren Kunden bei steigenden
und fallenden Kursen. „Langfristig steigen Aktien und Immobilien immer“ lauten ihre
Credos, mit denen sie nahezu immer zum Einstieg raten.
Contrarians oder Einzelgänger verfolgen eine andere Strategie. Sie lieben freie Märkte und
die Aktienanlage aufgrund der wahrhaft demokratischen Chancengleichheit, die sie bieten.
Dann kaufen sie, aber nicht irgendwann, sondern gewöhnlich erst nach einem Crash, also
wenn Aktien vernünftig bewertet oder besser noch unterbewertet sind. Allein in Deutschland
gab es in der Nachkriegszeit 14 Crashs. Um diese Kaufgelegenheit wahrzunehmen zu können,
bedarf es vor allem eines: Geduld. Er muss geduldig abwarten können, bis sich die
Gelegenheit präsentiert.
„Erfolg schafft Selbstvertrauen und Selbstvertrauen schafft Erfolg.“
Ein schöpferischer Unternehmer führt eine technische Innovation im weitesten Sinne ein,
beispielsweise eine neues Produkt oder ein Produktionsverfahren. Er hat damit Erfolg und
kann ungewöhnlich hohe Gewinne, so genannte Pioniergewinne erzielen. Seinen
Konkurrenten entgeht das natürlich nicht, sonder spornt sie an, diese Neuerung zu kopieren,
zu variieren und zu verbessern. Auch diese erste Nachahmerwelle ist erfolgreich und
beschleunigt den Prozess der Marktdurchdringung. Der spektakuläre wirtschaftliche Erfolg
und die hohen Wachstumsraten der die Innovation ausnutzenden Unternehmen lösen einen
auf andere, bereits etablierte Sektoren übergreifenden Boom aus. Gleichzeitig werden weitere
Nachahmer gelockt. Die „Spätkommer“ sind üblicherweise die schlechteren, weniger
kreativen Unternehmer. In ihre Geschäftspläne schleichen sich allzu menschliche Fehler ein.
Ihre Planungen gehen von der Dauerhaftigkeit der Pioniergewinne aus und extrapolieren die
spektakulären Wachstumsraten, die der Sektor bisher erlebte. Die Planungen gehen also von
einem nicht endenden Boom aus, in dessen Verlauf Fehlinvestitionen getätigt und
Überkapazitäten aufgebaut werden. Die Flut der Nachahmer erzielt nicht die erhofften und
geplanten Pioniergewinne, sondern sorgt für zunehmenden Konkurrenzdruck, der zu
Preiskämpfen führt. Die Phase scheinbar grenzenlosen Wachstums kommt dann zu einem
abrupten Ende und weicht einer Konsolidierungswelle, in der die fehlerhaften Planungen
offensichtlich werden und die Überkapazitäten an die Realität angepasst werden müssen. Je
umfangreicher die vorangegangen Fehlinvestitionen waren, desto gravierender wird die
unvermeidliche Korrektur ausfallen. Im günstigsten Fall beschränkt sie sich auf einen Sektor,
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bei ungünstigerem Verlauf kommt es zu einer gesamtwirtschaftlichen Rezession, in
Extremfällen zu einer Depression.
Betrachten wir das typische Beispiel einer von der Notenbank vorgenommen Zinssenkung mit
der Absicht, die Wirtschaft zu stimulieren. Gleichzeitig verbilligt sie Kredite und regt dadurch
einen Anstieg der Investitionsquote an. Der Konsument, der jetzt weniger spart, entscheidet
sich also für mehr heutigen Konsum und weniger künftigen Konsum, während der
Unternehmer Kapazitäten aufbaut, die für mehr Güter in der Zukunft sorgen werden, obwohl
der Konsument deren Nachfrage nicht plant. Durch diesen Widerspruch sind die Weichen für
einen in der Zukunft notwendig werden Anpassungsprozess gestellt. Sobald die Zinsen
anfangen zu steigen, werden die Fehlinvestitionen offensichtlich und die Korrektur beginnt.
Erneute Zinssenkungen der Notenbank führen in diesem Modell natürlich lediglich zu einer
weiteren Runde fehlerhafter Planungen. Sie können den unausweichlichen
Anpassungsprozesses lediglich verzögern. Je stärker und je länger der von der Notenbank
manipulierten Zinssatz vom natürlichen Zins abweicht, desto stärker werden die nach obigem
Muster entstehenden Fehlentwicklungen und die anschließend notwendige Korrektur
ausfallen. Die Manipulation des Zinssatzes durch die Notenbank spielt in dieser Theorie also
eine zentrale Rolle. Im Jahr 2000 stiegen die kurzfristigen amerikanischen Zinssätze über die
langfristigen. Jede Rezession wurde auf diese Weise „angekündigt“.
Nach US-GAAP betrugen die Gewinne der im S&P 500 enthalten Unternehmen für das Jahr
2002 28 $ pro Aktie. Bei einem Indexstand von 900 errechnet sich ein KGV von 32. Die
Proforma Gewinne werden hingegen mit 46 $ pro Aktie um 64 % höher ausgewiesen. Das
KGV sinkt dadurch auf 19,5. Sind die Kennzahlen zu hoch, dann werden einfach die
Bewertungsmethoden geändert. Schein statt Sein.
Ein anderer fundamentaler Indikator, die Dividendenrendite belief sich in den Jahren 1993/94
auf unter 3 % und befand sich damit ebenfalls in einem selten gesehenen Bereich von
Überbewertung. Sie sollte in den Folgejahren auf ungesehenem 1 % fallen.
Der Immobilienwert des belgischen Botschaftsgeländes in Tokio war damals höher als die
Staatsverschuldung Belgien, die 130 % des belgischen BIP betrug. Zu gerne hätte die
belgische Regierung durch den Verkauf den Staatshaushalt saniert. Dies fand aber nicht statt.
Wann immer neue, moderne und angeblich bessere Methoden der Unternehmensbewertung
gefordert werden „weil dieses Mal alles anders ist“ – sollten Anleger skeptisch werden. Das
durchschnittliche KGV über lange Zeit in den USA liegt von 1880 bis heute zwischen 15 und
16. Extreme Abweichungen von diesem Richtwert wie beispielsweise Werte von 5 oder 40
stellen schlicht und einfach langfristige Kauf- bzw. Verkaufssignale dar.
Steigende Kurse, begleitet vom euphorischen Optimismus, wechseln sich ab mit fallenden
Kursen und depressiver Stimmung. Ob Aktien, Immobilien oder Sammlerobjekte, ob Gold, Öl
oder Tulpenzwiebel, immer wieder zeigt sich dieses Muster, nur eben in unterschiedlich
starker Ausprägung. Angst und Gier, Hoffnung und Sorgen der spekulierenden Massen
scheinen hier allzu menschliche Spuren zu hinterlassen, immer und immer wieder.
Offensichtlich handelt es sich um ein für Märkte typisches Muster, mit dem eine
Marktwirtschaft leben muss.
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Im Französischen gibt es für diesen Vorgang sogar ein treffendes Sprichwort:
„Il n´y a pas plus sourd que celui qui ne veut pas écouter.“ (Niemand ist tauber als derjenige,
der nicht hören will.)
Spekulative Exzesse beginnen gewöhnlich erst, nachdem der entsprechende Markt
bereits scheinbar verlässlich und unbemerkt von einem großen Publikum über einen
längeren Zeitraum gestiegen ist. Rückblickend ergibt sich für den Neuling bei der
Betrachtung des Marktes der Eindruck einer gewissen Selbstverständlichkeit
steigender Kurse. Erinnerungen an turbulente und verlustbringende Zeiten sind kaum
noch vorhanden, ein Generationswechsel hat dafür gesorgt. Gewöhnlich gibt es bereits
allgemein bekannte und mehr und mehr bewunderte Beispiele für Erfolgsgeschichten
und sagenhaften Reichtum, der an dem betroffenen Markt verdient wurde. Die
Mentalität des „Buy high, sell higher“ (kaufe teuer, verkaufe noch teurer) beginnt die
Runde zu machen. Es ist die Theorie des „größten Idioten“, der zum Schluss den
höchsten Preis bezahlt.
Unerlässlich ist offenbar das Auftreten einer „Sache“, die als neu und sehr bedeutsam
empfunden und interpretiert werden kann. Auch die Tulpenzwiebel war seinerzeit für
die Holländer etwas gänzlich Neues. Technische Innovationen wie das Bauen großer
Kanäle, die Einführung der Fließbandproduktion oder Biotechnologie entzündeten
spekulativen Enthusiasmus. Bedeutende Erfindungen wie Eisenbahn, Radio, Auto,
Computer oder Internet eignen sich auf geradezu ideale Weise als Aufhänger für
unrealistische Erwartungen und Prognosen. Historische Texte über den Siegeszug des
Radios und vermutete Veränderungen, die das Radio bewirken wird, ähneln den rund
70 Jahre später verfassten Prognosen bezüglich des Internets fast wie ein Ei dem
anderem. Das gilt auch natürlich für die Kursentwicklung der jeweiligen Aktien.
Einem parabolischen Anstieg folgt ein noch schnellerer Absturz.
Ein weiteres Charakteristikum ist das Spekulieren auf Kredit. Das kann entweder
direkt über Wertpapierkredite geschehen oder indirekt mit Hilfe von
Finanzinnovationen wie Futures oder Optionen. Kleine Preisveränderungen reichen
aus, um bezogen auf das Eigenkapital sehr hohe Gewinne oder Verluste zu erzielen.
Übrigens gab es bereits Anfang des 17. Jahrhunderts in Amsterdam einen regen
Handel mit Optionen und Futures. Selbst dieses Phänomen ist also alles andere als
neu.
Spekulationsblasen bewirken einen sich selbst verstärkenden Boom in den betroffenen
Sektoren. Es kommt zu Wachstumsraten, deren langfristige Unhaltbarkeit eigentlich
jedermann klar sein müsste. Dennoch werden diese auf naive Weise weit in die
Zukunft projiziert und mit diesem Satz: „Diesmal ist alles anders“ rationalisiert. Ist die
Blase groß genug, greift der Boom auf angrenzende Bereiche über, manchmal auf die
gesamte Volkswirtschaft.
Aufgrund des schnell zu verdienenden Geldes und sicherlich auch aufgrund der durch
den Boom hervorgerufenen Personalknappheit, die zu sinkenden Qualitätsstandards
führt, ziehen Blasen gewisse Schwindler, Betrüger und Windbeutel an. Deren
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Machenschaften werden jedoch meist nach dem Platzen der Blase sichtbar.
Ebenfalls typisch ist das Nichteinschreiten der wie auch immer geratenen
Institutionen, die mit der Regulierung des Marktes betraut sind. Zumindest bei den
besonders großen Spekulationsblasen bleibt es nicht bei der Unterlassungssünde. Sie
zeichnen sich durch eine offizielle und politische Subventionierung des irrationalen
Geschehens aus, wenn nicht gar durch aktive Teilhabe.
Das mit Abstand wichtigste Element für das Entstehen von Spekulationsblasen ist
jedoch überreichliche Liquidität. Geld- und Kreidmengensteigerungen sind die
notwendige Bedingung ohne die eine Spekulationsblase nicht denkbar ist. Ohne
zusätzliche Liquidität kann es zwar zu Verschiebungen innerhalb des Preisgefüges
kommen, also steigende Preise in einigen Sektoren, die durch fallende Preise in
anderen Sektoren ausgeglichen werden, nicht jedoch spekulativen Exzessen.
„Après nous le déluge“, nach uns die Sintflut, soll die Marquise de Pompadour im 18.
Jahrhundert gesagt haben. Nach diesem Motto handelt auch ein Großteil der
Investmentbranche.
Schließlich sind Banker, Notenbanker und Politiker auch nur Menschen. Ehrgeiz, Eitelkeit,
Gefallsucht, Spaß an der Ausübung der Macht oder das Streben nach öffentlicher
Anerkennung soll es all diese menschlichen Eigenschaften bei diesen wichtigen
Entscheidungsträgern nicht geben? Wie würden wir wohl reagieren, wenn wir fast täglich in
nahezu allen Medien als großartig und genial und nahezu omnipotent dargestellt würden? Wir
würden selbst anfangen daran zu glauben! Übersteigert optimistische Erwartungen scheinen
ansteckend zu sein. Natürlich trüben sie den Blick und beeinflussen die Entscheidungsfindung
negativ. Außerdem ist es eine unmenschliche Anforderung, wenn sich z.B. ein Notenbanker
gegen den wendet, der ihn füttert: den Staat. Dieser und seine jeweiligen Repräsentanten
wollen kurzfristige Prosperität vor der nächsten Wahl um jeden Preis. Sie wollen ständig
mehr Geld ausgeben, als sie haben. Sie sind Hauptprofiteure einer inflationären Politik. Sie
leben im hier und heute nach dem Motto: „Nach mir die Sinnflut!“ Wenn sie weitsichtigere
und langfristigere Lösungen anstreben, dann fällt das positive Ergebnis in die Regierungszeit
eines anderen, der sich dann mit fremden Federn schmücken kann.
Was mir mehr Sorgen bereitet ist, dass uns unser Glück mit den Finanzmärkten verlassen
könnte, weil wir uns auf einen Weg begeben, den man als Fluch des Glücksspielers
bezeichnen könnte: Wir haben schon so lange gewonnen, lasst uns den Einsatz auf dem Tisch
lassen.
Im Anschluss an eine Spekulation wird die Realität völlig ignoriert.
Für jeden Dollar, der in den USA für den Kauf von Gütern und Dienstleistungen ausgegeben
wurde, wurde im Jahr 2000, mehr als 3 Dollar in Aktien gehandelt. Im Herbst 2003 war es
trotz der Kursrückgänge noch immer 1,92 $.
Fannie Mae und Freddie Mac vereinigen diesen beiden Hypothekenfinanzierer 45 % der
Risiken des auf 6,2 Billionen $ geschätzten Marktes für private Immobilienkredite auf sich.
Sollte eines dieser beiden Unternehmen durch einen Fehler oder einen nicht vorhersehbaren
Schock in Schwierigkeiten geraten, dann könnte daraus eine Krise der US-Finanzindustrie
16
resultieren, die dem Wohnungsbau und der US-Wirtschaft beträchtlichen Schaden zufügen
würden.
Haben wir nicht alle den Eindruck, unsere täglichen Ausgaben würden stärker steigen als die
von staatlichen Stellen gemessene und veröffentlichte Inflationsrate? Schließlich hat der Staat
ein Interesse die Inflationsrate niedriger anzusetzen als sie eigentlich ist. Beispielsweise wird
die Steuerbelastung des Steuerzahlers mit steigender Inflation höher, weil er in eine höhere
Progressionsstufe gerät. Auf der staatlichen Ausgabenseite sinken die realen Belastungen, da
Transferleistungen keine Anpassung an die Inflationsrate erfahren.
Es ist keine ungedeckte Währung überliefert, die nicht im Überfluss produziert wurde und
früher oder später ihren inneren Wert auf ihren inneren Wert von Null gefallen ist, also
jegliche Kaufkraft verlor. Die großen Hyperinflationen fanden fast ausschließlich während
des 20. Jahrhunderts statt, also unter dem willkürlichen Papiergeldsystem.
Wie wäre es mit einer der Einführung eines negativen Zinssatzes, der natürlich auch als
Steuer auf liquide Mittel bezeichnet werden kann. Das Geld, die bei Bankkonten gehalten
werden sei beispielsweise ein genannter einprozentiger negativer Zins pro Monat technisch
problemlos umzusetzen. Schwierigkeiten entstünden erst bei der Eintreibung solcher Steuern
auf Bargeld. Dieses Bargeld könnte einfach mit einem Verfallsdatum versehen werden.
Das auf diese Weise endgültig der Illusion von Werthaltigkeit beraubte schnell verderbliche
Geld müsste, in bestimmten Zeitabständen gewissermaßen abgestempelt werden, um das
Verfallsdatum zu verlängern. Andernfalls verlöre es einfach seinen Status als gesetzliches
Zahlungsmittel und werde damit wertlos. Dies kann mit Zeitwert bei Optionen oder
Optionsscheinen verglichen werden.
Mitte 2003 gehörten im Durchschnitt nur noch 53,3 % einer Wohnimmobilie tatsächlich dem
eingetragenen Eigentümer, der Rest der Bank. In den 70er Jahren gehörte der Bank nur ein
Drittel.
Deflation: Um neue Kredite entstehen zu lassen, bedarf es williger Schuldner und williger
Gläubiger. Die einen müssen bereit sein, neue Schulden aufzunehmen, während die anderen
die nachgefragten Kredite zur Verfügung stellen. In wirtschaftlich schlechten Zeiten sinkt
üblicherweise die Risikobereitschaft. Banken und Investoren neigen dann dazu, Geld nur
restriktiv zu verleihen bzw. zu investieren. Allerdings geht auch die Kreditnachfrage in
Rezessionen oder Depressionen zurück. Unternehmer neigen bei ihren Investitionen zu
Vorsicht und selbst die Konsumenten tun sich aufgrund der Arbeitsplatzunsicherheit schwer,
Schulden zu machen. Sparen wird plötzlich modern und Zurückhaltung bei Konsumausgaben
macht sich breit, was wiederum Druck auf die Preise ausübt. Der Rückgang des Konsums
führt zu anhaltend rezessiven Entwicklungen mit fallenden Preisen. Fallende Preise zwingen
die Unternehmen zu Entlassungen und anderen kostensenkenden Maßnahmen. Dies führt zu
einem Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität, womit sich der Kreis schließt und eine
deflationäre Abwärtsspirale begonnen hat. In dieser Situation wird das Horten von Geld
lukrativer angesehen als zu investieren. Das muss aber eine Werthaltigkeit der Papierwährung
voraussetzen.
Wenn das Angebot eines Gutes stärker steigt als die Nachfrage, dann fällt der Marktpreis.
Diese simple Grundidee ist unumstritten. Ob sie auch für den US-Dollar gilt?
Unter Moral Hazard(moralische Risiken) versteht man die menschliche Neigung höhere
Risiken einzugehen, sobald eine Versicherung besteht. Die Risikoabwälzung setzt also
unbeabsichtigte Anreize für riskanteres Verhalten. Folglich kommt es zu einer systematischen
17
Verhaltensveränderung der Versicherten hin zu mehr Risikofreude. Versicherungen kennen
diesen Mechanismus natürlich und tragen ihm bei ihrer Prämiengestaltung Rechnung.
Außerdem setzen sie gegenläufige Anreize wie beispielsweise Selbstbehalte oder
Schadenfreiheitsrabatt.
Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass Fahrer von mit Airbag ausgestatteten Fahrzeugen
einen riskanteren Fahrstil pflegen als solche ohne diesen Schutz. Anleger, die einem Portfolio
Manager ihr Geld anvertrauen und diesem eine hohe Gewinnbeteiligung zugestehen, erzeugen
ebenfalls ungewollt eine hohe Beteiligung zugestehen. Sie verleitet den Manager zu hohen
Risiken, da ihm im Erfolgsfall eine hohe Prämie zusteht, während im Fall des Scheiterns die
Verluste ausschließlich vom Anleger getragen werden müssen. Menschen, die ihre Hände
gegen Schäden versichert haben, erleiden signifikant häufiger Unfälle, die eine
Fingeramputation notwendig machen als beim Durchschnittsbürger.
Zahl
Kopf
110
90
120
80
130
70
Der Grundeinsatz beträgt. Bei diesem Spiel erhält der Gewinner 110,120 oder 130 €, im
Verlustfall hingegen 90, 80 oder 70 € von seinem Einsatz zurück.
Die Teilnehmer dieses Glückspiels werden entsprechend ihrer persönlichen Risikofreude eine
der drei Varianten auswählen. Die besonders Risikofreudigen wählen die dritte Variante, die
Risikoscheuen wählen hingegen die erste.
Jetzt bringen wir zusätzlich eine staatliche Institution ins Spiel, eine Art Notenbank, die eine
beitragsfreie Versicherung anbietet: Wenn der Glückspieler verliert, dann zahlt die staatliche
Institution den verlorenen Betrag. Wie wird sich diese Intervention auf das Verhalten der
Spieler auswirken? Klaren Sache: Er wird die risikoreichste Variante wählen, da sein Risiko
bei allen Varianten identisch und gleich null ist.
Zwei Begriffe machten in seit der Mexiko Krise an den Finanzmärkten die Runde: „Too big
to fail“ (zu groß um zu scheitern) und „Greenspan Put“ (von Greenspan kostenlos zur
Verfügung gestellte Absicherung vor Verlusten). Offensichtlich waren sich die großen Spieler
ihrer zentralen Rolle voll und ganz bewusst.
LTCM (Long Term Capital Management) Anfang 1998 verfügte der Fonds über eine
Kapitalbasis von 4,8 Milliarden $ und ein Portfolio von 120 Milliarden $. Daraus ergibt sich
ein Hebel von 25 bezogen auf das Eigenkapital. Ende August 98 betrug das Eigenkapital 2,3
Milliarden $. In einem Schreiben an die Anteilseigner vom 2. September 1998 heißt es:
LTCM ist der Meinung, dass es klug und angemessen ist, jetzt eine Kapitalerhöhung
durchzuführen, um die ungewöhnlich attraktive Situation an den Finanzmärkten voll
ausnutzen zu können. Die Portfoliogröße betrug jetzt 107 Milliarden $. Die Spekulanten
hatten das Risiko deutlich erhöht, der Hebel stieg von 25 auf 46. Am 19. September, einem
Freitag belief sich das Eigenkapital auf nur noch 600 Millionen $ bei einer Portfolio Größe
von 80 Milliarden, was einem Hebel von 133 entspricht.
Das Schicksal des Fonds hing damit an einem seidenen Faden. Die Banken mussten sich nicht
nur Sorgen um ihre Kredite machen, sondern um die Auswirkungen einer Zwangsliquidierung
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des Portfolios von LTCM, das teilweise aus wenig liquiden Wertpapieren bestand, auf das
Finanzsystem, das wegen der Russland Krise ohnehin angespannt war.
Unter der Führung der Notenbank wurde in schwierigen Verhandlungen ein Konsortium aus
14 Investmentbanken gebildet, die als Kreditgeber und auch als Eigenkapitalgeber ein
Interesse an einer Lösung hatten. Man einigte sich darauf dem Fonds frisches Eigenkapital in
Höhe von 3,65 Milliarden $ zuzuführen und dafür 90 % der Anteilsscheine zu übernehmen.
Am 19.09 wurden die Zinsen gesenkt, aber die Kursverluste setzten sich fort und verlor in den
folgenden Wochen weitere 750 Millionen $. Am 15. Oktober schaltete sich erneut die US-
Notenbank mit einer überraschenden Zinssenkung ein, die nicht wie üblich im Anschluss an
eine Offenmarktausschussitzung erfolgte. Die FED gab diesen Zinsschritt an einem
Auslauftermin für zahlreiche Termingeschäfte bekannt. Die gängigen Zins-Futures wurden
abgewickelt und die Aktienmärkte würden in einer Stunde schließen. Diese Konstellation
sorgte natürlich für eine regelrechte Kaufpanik der überrumpelten Marktteilnehmer. Das
Timing der FED war wohlüberlegt und auf die größtmögliche Wirkung an den Finanzmärkten
angelegt. Wer auf fallende Kurse gesetzt oder bereits verkauft hatte, bekam die Macht der
Notenbank in dieser heißen Stunde zu spüren. Innerhalb von 1 Stunde erhöhte sich die
Marktkapitalisierung der US-Aktienmärkte um rund 1 Billion $. Die Botschaft der FED war
klar und deutlich. Sie wollten die Spekulationsblase mit allen Mitteln am Leben erhalten.
4 Wochen später folgte wieder eine Zinssenkung.
Unter den Akteuren bei dem Treffen zur Rettung LTCM in der New Yorker Zentralbank am
23. September 1998 waren unter anderem
William J. McDonough, Präsident der New Yorker Federal Reserve System (Fed)
Sanford I. Weill, der Vorsitzende der Travelers Group
Jon Corzine, der Hauptteilhaber von Goldman Sachs
David Komansky, der Vorsitzende von Merrill Lynch
der Vorsitzende der Chase Manhattan Bank
der Vorsitzende der Bankers Trust Co.
der Vorsitzende von Smith Barney
der Vorsitzende von Bear Stearns
der Vorsitzende von Lehman Brothers
der Vorsitzende von Morgan Stanley
der Vorsitzende der Douglas A. Warner, der Vorsitzende von JPMorgan und auch
die Vorsitzenden der Deutsche Bank sowie der Dresdner Bank.
Diese vereinte Rettungsaktion war damals einzigartig und blieb bis zur Finanzkrise ab 2007
auch eine Ausnahmeerscheinung.
Das Schicksal der damaligen Geschäftsführer:
Robert Merton arbeitet heute als Professor an der Harvard Business School. Myron Samuel
Scholes leitet unter dem Namen Platinum Grove Asset Management wieder einen Hedge-
Fonds mit einem verwalteten Vermögen von rund fünf Milliarden US-Dollar. John
Meriwether leitete seit unmittelbar nach der Auflösung von LTCM unter dem Namen JWM
Partners bis 2009 einen neuen Hedge-Fonds. Dieser investierte nach der gleichen Methode
wie damals LTCM, indem mit Hilfe von hohen Krediten auf den Rückgang anomaler
Preisdifferenzen auf den Finanzmärkten spekuliert wurde. JWM Partners LLC erlitt jedoch
mit seinem "Relative Value Opportunity II Fund" einen Verlust von 44% von September 2007
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bis Februar 2009. JWM Hedge Fund und JWM Partners LLC wurden im Juli 2009
geschlossen.
Nicht jede schwierige Situation kann mit Schokolade oder Geldscheinen gelöst werden. Um
langfristig erfolgversprechendste Erziehungsziele zu erreichen und Kindern die Chance zu
geben, zu verantwortungsbewussten Individuen heranzureifen, darf nicht immer nur der
kurzfristig einfachste, bequemste Weg eingeschlagen werden. Manchmal muss es
kurzfristig unbequem werden für alle Beteiligten, Eltern und Kinder, um langfristig die
Weichen richtig zu stellen.
Was hat die Kindererziehung mit den Finanzmärkten zu tun? Sehr viel, denn was die
Schokolade bei kleinen Kindern und der Geldschein bei Teenagern, das ist die durch
Notenbanken bereit gestellte Liquidität für die Finanzmärkte. Die kurzfristige Wirkung ist süß
und scheinbar sehr erfolgreich, langfristig fördert sie jedoch systematisches Fehlverhalten, das
zur Fehlleitung von Kapital führt.
Daraus lässt sich folgendes ableiten: Greenspan ist der Meinung, es komme zu Verzerrungen
von Marktpreisen, wenn ein größerer Marktteilnehmer sich verspekuliert hat und deshalb
verkaufen muss. Dies verwundert uns, denn haben seine vorangegangen dicken Käufe nicht
zu Verzerrungen geführt? Gelten steigende Kurse als normale Marktpreise, fallende Kurse als
Verzerrungen? Bestimmen also der Staat und seine Notenbank, welche Marktpreise in
Ordnung sind und welche verzerrt? Sorgen demnach nicht freie Märkte für die richtigen
Preise, sondern Bürokraten?
In der Notenbank gibt es die vorherrschende Meinung, eine Notenbank müsse und könne an
den Finanzmärkten zu intervenieren, um fallende Kurs zu vermeiden. Aber in der Realität
kann die FED die Marktkräfte von Angebot und Nachfrage nicht außer Kraft setzen.
Langfristig wird sich die technische Situation am Markt durchsetzen. Wenn es keinen
„Idioten“ gibt der einen noch höheren Preis für eine Ware bezahlt, dann kann der Preis nicht
steigen.
Konsumverzicht Sparen Investieren Produzieren mehr Konsumieren
Mehr Konsum weniger Sparen weniger Investieren weniger Produzieren weniger
Konsumieren
Kriegsanleihen: Die Banken und Notenbanken finanzieren den weltweiten Krieg indem sie
das Haushaltsdefizit der Staaten finanzieren. Die Staaten wären bei einem ausgeglichenen
Haushalt niemals in der Lage einen Krieg zu führen und hohe Rüstungsausgaben zu tätigen.
Die Banken profitieren durch die Zinszahlungen, die der Steuerzahler übernimmt und am
Handelsgeschäft der Waffenindustrie. Der Coup dabei ist, dass beide Kriegsparteien finanziert
werden und damit ist der Ausgang des Krieges unerheblich. Die Banken sind auf jeden Fall
auf der Gewinnerseite und der Verlierer kann als leichtes Opfer ausgebeutet werden.
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Ein bekanntes Beispiel des Verfalls von Verliereranleihen ist das Deutsche Kaiserreich nach
dem 1. Weltkrieg. Nach dem verlorenen Krieg waren die deutschen Kriegsanleihen wertlos.
Die privaten Anleger mussten die ganze Summe abschreiben. Die Banken jedoch konnten mit
den Siegermächten die Friedensbedingungen diktieren und nach dem Krieg die harten Werte
des Landes ausbeuten und das Land in eine Abhängigkeit von neuen Krediten drängen.
Der internationale Gold Standard war ein viel zu enges Korsett für die Durchführung eines so
wahnsinnigen Projekts, wie es der Erste Weltkrieg darstellte. Durch starke Propaganda und
Kaiserkult war es möglich junge Männer so weit zu bringen, dass sie sich für absurde Ziele
und Ideen bestimmter, meist alter Männer, aufzuopfern. Bezahlbar war der Irrsinn jedoch
nicht. Frühere Kriege folgten einem klar erkennbaren ökonomischen Kalkül. Sie waren die
Angelegenheit von Herrschern, die Söldnerheere bezahlen mussten. Der Erste Weltkrieg war
der erste „moderne“ Krieg im Sinne einer totalen Hingabe aller Werte und Ressourcen für die
Kriegsführung. Er unterlag keinen Budgetrestriktionen. Sobald sich die anfänglich gehegte
Erwartung eines schnellen Sieges als illusorisch herausstellte, entledigten sich die Herrscher
der kriegführenden Staaten nämlich zügig der sie zu Vernunft anhaltenden Goldwährung.
Es folgten turbulente Zeiten mit Hyperinflation in Deutschland, einer Spekulationsblase und
deren Crash in den USA, der Depression und dem Zweiten Weltkrieg. Nachdem Europa in
Trümmern lag, verhandelten die Alliierten die Nachkriegsordnung. In Bretton Woods
beschlossen sie 1944 die Einführung eines Weltwährungssystems, in dessen Zentrum der US
Dollar stand. Sie verpflichteten sich, feste Wechselkurse gegenüber dem Dollar einzuhalten,
der wiederum auf 1/35 Unze Gold fixiert wurde. Dieses Arrangement galt allerdings nicht für
die Bevölkerung, sondern ausschließlich für Zentralbanken. Nur sie konnten US-Dollar gegen
Gold zum Kurs von 35 Dollar je Feinunze eintauschen.
Ende der sechziger Jahre waren es schließlich die USA, die die Folgen undisziplinierter,
kostspieliger Politik zu spüren bekamen. Insbesondere aufgrund des Ausbaus teurer
wohlfahrtsstaatlicher Programme und der Kosten des Vietnam Krieges, beide nicht durch
politisch unpopuläre Steuererhöhungen, sondern durch Gelddrucken finanziert, stieg die
Inflationsrate in den USA: Wieder war also ein Krieg, wenn auch nur ein relativ kleiner, ein
maßgeblicher Grund für das Ende politischer Haushaltsdisziplin.
Die französische Regierung war nicht bereit, diese Missstände tatenlos hinzunehmen. Sie
begann damit, den USA die Dollars anzudienen und dafür, wie versprochen, Gold zu
verlangen, eine Feinunze zu je 35 Dollar. Nun hatte die Regierung Nixon 2 Möglichkeiten:
Entweder den beschwerlichen Weg des seriösen Wirtschaften oder den unmoralischen Weg
ein Zahlungsversprechen zu brechen.
Jetzt waren geradezu gigantische Handelsdefizite möglich, die über einen längeren Zeitraum
bestehen bleiben konnten. 2003 betrug das Leistungsbilanzdefizit der USA 500 Milliarden
Dollar.
Bankenentstehung: Mit der Verwendung von Edelmetall als Geld werden nicht nur Probleme
gelöst, es entstehen neue. Beispielsweise muss das Metall sicher verwahrt werden und es hat
aufgrund seines Gewichtet bei größeren Transaktionen den Nachteil mit größerem Aufwand
von einem Ort zum anderen transportiert zu werden. Sicherheitsaspekte erhöhen den
Transportaufwand zusätzlich. Es liegt deshalb in einem ersten Schritt nahe, wie bei anderen
Waren auch ein Lagerhaus zu etablieren, in dem die Edelmetalle der Waren sicher aufbewahrt
werden. In einem zweiten sehr praktischen Schritt kamen findige Menschen auf die Idee, bei
einer Transaktion darauf zu verzichten, das Gold aus dem Lagerhaus zu holen, um es dem
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Kontrahenten zu übergeben, der es dann seinerseits wieder in das Lagerhaus einlieferte,
natürlich unter seinem Namen. Stattdessen gingen Geschäftsleute dazu über, ihren Goldbesitz
vom Lagerhaus verbriefen zu lassen und statt des Goldes diese Urkunde als Zahlungsmittel zu
verwenden. Der Inhaber der Urkunde konnte damit jederzeit das hinterlegte Edelmetall aus
dem Lagerhaus holen. Bis diese Urkunden die man Banknoten nennen kann ist durch die
entsprechende Menge an Edelmetall in einem Lagerhaus das man auch Bank nennen kann
gedeckt. Eine Banknote war also ein Anspruch auf eine bestimmte Menge Edelmetall.
Den Betreibern der Lagerhäuser die wir jetzt Banker nennen können entging natürlich
nicht, dass normalerweise zu jedem beliebigen Zeitpunkt nur ein Bruchteil des eingelagerten
Golds tatsächlich abgeholt wurde. Innovativ oder betrügerisch? Jedenfalls begannen sie, mehr
Urkunden zu emittieren als Edelmetalldeckung vorhanden war: Das Reserve Bankwesen war
erfunden und mit ihm ein einfacher Weg, die Geldmenge auszuweiten, also zu inflationieren.
Nun konnten sie diese zusätzlichen Banknoten zu einem positiven Zinssatz an Kreditnehmer
verleihen. Und weil sie mit dem Verleihen Geld verdienten, konnten sie den Kunden Zinsen
zahlen, statt von ihnen eine Aufbewahrungsgebühr zu verlangen. So waren alle zufrieden.
Seit Gründung der US-Notenbank 1913 verlor der US-Dollar nach offiziellen staatlichen
Berechnungen rund 95 % seiner Kaufkraft, seit Greenspans Amtsantritt immerhin fast 40 %.
Zu Zeiten des Goldstandards beispielweise von 1800 bis Anfang des 20. Jahrhunderts war das
Preisniveau konstant. Trotz dieser traurigen Statistik werden die Notenbanken allenthalben als
erfolgreiche und unverzichtbare Währungshüter gefeiert.
Pantha rei, nicht ist von Dauer, alles fließt.
Wenn knappe Bankreserven einen Wirtschaftsabschwung auslösten, argumentieren die
Wirtschaftsinterventionisten, warum sollte man dann nicht einen Weg finden, um den Banken
mehr Reserven zuzuführen, sodass sie nie knapp sein müssen? Wenn Banken fortfahren
können, endlos Geld zu verleihen, so wurde behauptet, dann müssen keine wirtschaftlichen
Abschwünge mehr stattfinden. Und deshalb wurde im Jahr 1913 das US-Zentralbanksystem
organisiert.
Wie alle Geheimkünste, scheinen auch die Regenmacher größtenteils selbst an ihre Kunst zu
glauben und es wird schwer zu sagen, wo der Selbstbetrug aufhört und der gewöhnliche
Betrug anfängt. Kann der Regendoktor oder Medizinmann den versprochenen Regen nicht
schaffen, so braucht er dieselbe Ausflucht wie alle Zauberkünstler der Welt. Er gibt vor, es sei
irgendein Einfluss, ein Gegenzauber vorhanden, der seine sonst unfehlbaren Mittel
unwirksam mache. Ihre Aufgabe war es, für Regen und gute Ernten zu sorgen.
Insbesondere während der deutlich überwiegenden Jahre, in denen keine Dürre auftrat,
erfüllten Regenmacher ihre Aufgabe mit Bravour. In den seltenen Dürrejahren gelang es
ihnen zumeist gute Gründe für den Zorn der Götter und eine glaubhafte Ausrede für ihre
Erfolglosigkeit zu finden. In den sehr seltenen Fällen, in denen diese Strategie nicht fruchtete,
wurden sie durch vermeintlich fähigere Personen ersetzt. Absurd? Die heutigen Regenmacher
unserer Tage die Wohlstandsmacher sehen wir vor allen in der Chefetage der Notenbank
am Werk. Es handelt sich dabei um eine moderne gesellschaftliche Elite, von der das
Unmögliche erwartet wird und die dem geneigten Beobachter vorgaukelt, eben dieses
Unmögliche zu leisten. Da einerseits die Funktion des Zentralbanksystems für die meisten
Menschen ein Buch mit 7 Siegeln ist, dessen Unverständlichkeit von den Akteuren bewusst
gepflegt wird und andererseits fast niemand der Faszination des Geldes widerstehen kann,
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entsteht ein fast mystisches Image. Die nach Halt und Erklärungen und Führung suchenden
Massen verlangen ganz offensichtlich nach einem Aufhänger für ihre irrationalen
Heilserwartungen. Früher leistet die Religion diese Funktion, dann wurde sie von anderen
Ideen und Politiker übernommen. Bleiben alle Zaubermittel erfolglos, so muss der Zauberer
sehen, wie er sich auf schlaue Weise aus dem Staub macht, sonst wird die Sache zuweilen für
ihn gefährlich, es sollen sogar Regendoktoren eines gewaltsamen Todes sterben und derselbe
Mann der vorher als Wundertäter gefeiert wurde, wird nun zu Tode gemartert. Trotzdem gibt
es immer wieder Nachfolger für diesen gefährlichen aber einträglichen Beruf.
Der Hang zu betrügen und betrogen zu werden, verläuft während des Booms parallel zum
Hang zum Spekulieren.
Damals wurden Mitarbeitoptionen in den USA buchhalterisch so behandelt als wären sie
wertlos, finden also keinen Eingang in die Gewinn und Verlustrechnung, wo sie den Gewinn
schmälern würden. Die Steuern die ein Angestellter zahlt, wenn er seine Mitarbeitoption
ausübt, kann das Unternehmen von seiner eigenen Steuerschuld abziehen. Die
Investmentbank Morgan Stanley legte im Jahre 2002 eine Studie vor, die besagte, dass die
Gewinne der S&P 500 Unternehmen durchschnittlich 8 % überzeichnet, die des Technologie
Sektors gar um 17 % überzeichnet waren.
Solange die Kurse stiegen, schien alles erlaubt zu sein. Der Wunsch, betrogen zu werden, war
ganz weit verbreitet genau wie die Bereitschaft ihn zu erfüllen.
Seit Jahren wird von „Windowdressing“ im Zusammenhang mit Aktivitäten von Fonds
berichtet. Es scheint sich dabei um Aktienkäufe zu handeln, deren Ziel es ist, steigende Kurse
zu bewirken und nicht etwa im Interesse der Anleger möglichst billig in den Besitz von
Aktien zu gelangen. Da Kursmanipulationen verboten sind, wundern wir uns natürlich über
die Selbstverständlichkeit, mit der überall darüber berichtet wird.
Während einer Spekulationsblase wird unsinniges und langfristig ökonomisch nicht
tragfähiges und kriminelles Verhalten belohnt. Erst nach dem Platzen der Blase, wenn Geld
verloren wird, kommen die Leichen aus dem Keller hoch.
Veränderung ist Normalität, Stabilität nur ein vorübergehender Zustand. In guten wie in
schlechten Zeiten gilt das entweder tröstende und zur Bescheidenheit mahnende Motto:
„Auch das wird vorüber gehen.“ Die meisten Menschen wünschen sich stabile Zeiten und
fürchten Veränderungen, da Letztere natürlich mit großen Unsicherheiten verbunden sind.
Das ist jedoch nur eine Seite der Medaille, denn große Veränderungen bergen nicht nur große
Risiken, sondern auch ebenso große Chancen. Wer sich bewusst den Herausforderungen stellt
und die auf Umbrüche hindeuteten Zeichen ernst zu nehmen bereit ist, kann sicherlich die
Wahrscheinlichkeit erhöhen, nicht als passiver Spielball der Zeitläufe hin- und hergeworfen
zu werden, sondern aktiv sein Schicksal zumindest teilweise mitzubestimmen.
Interventionismus und Manipulation nahezu aller Märkte durch Politiker und Notenbanken
sind also an der Tagesordnung. Die durch ein Staatsmonopol geschützten Notenbanker sind
also an der Tagesordnung. Die durch ein Staatsmonopol geschützten Notenbanken verhindern
ausdrücklich die Etablierung von Marktkräften bei Währungen, schließlich ist in jedem
modernen Staat ein politisch verfügtes gesetzliches Zahlungsmittel gültig.
Freie Märkte für freie Menschen.
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Eine Möglichkeit Luft aus einer Spekulationsblase zu lassen ist, die Deckung von
Wertpapierkrediten zu erhöhen. Das gleiche gilt für das Reserve Bank System. Die Banken
müssten mehr Eigenkapital halten, dass heißt ihre Bilanzsumme verkleinern oder mehr
Eigenkapital aufnehmen.
Eine radikalte Lösung des Papiergeldproblems verlangt schließlich den Rückzug des Staates
und freien Wettbewerb auch bei Geld. Der Marktmechanismus, so die Vertreter dieser
Denkrichtung werde entscheiden, was von den Menschen als Geld akzeptiert wird und was
nicht. Ein gesetzliches Zahlungsmittel gibt es in diesem Szenario nicht
1€ herzustellen kostet umgerechnet 0,08 €.
TULPENMANIE
Bei der Tulpenmanie (auch Tulipomanie, Tulpenwahn, Tulpenfieber oder Tulpenhysterie;
niederl. tulpenwoede, tulpengekte oder bollengekte) handelt es sich um eine Periode im
Goldenen Zeitalter der Niederlande, in der Tulpenzwiebeln zum Spekulationsobjekt wurden.
Tulpen waren seit ihrer Einführung in den Niederlanden in der zweiten Hälfte des 16.
Jahrhunderts ein Lieberhaberobjekt. Sie wurden in den Gärten der sozial gehobenen Schichten
des gebildeten Bürgertums, der Gelehrten und der Aristokratie kultiviert. Zu den auf
Tauschhandel gegründeten Beziehungen dieser Liebhaber kam zum Ende des 16.
Jahrhunderts der kommerzielle Handel mit Tulpen hinzu. In den 30er Jahren des 17.
Jahrhunderts steigerten sich die Preise für Tulpenzwiebeln auf ein vergleichsweise sehr hohes
Niveau, bevor der Markt zu Beginn des Februars 1637 abrupt einbrach. Die Tulpenmanie
wird als die erste relativ gut dokumentierte Spekulationsblase der Wirtschaftsgeschichte
angesehen. Sie wird auch metaphorisch zur Charakterisierung anderer anscheinlich
irrationaler und riskanter Finanzentwicklungen gebraucht.
Jedoch gehen die Deutungen über den Anlass, den Verlauf und die gesellschaftlichen und
wirtschaftlichen Folgen der Tulpenmanie auseinander. Für die traditionelle Lesart der
Ereignisse und Auswirkungen, die sich schon in der zeitgenössischen Kritik findet und von
späteren Interpretationen aufgegriffen wurde, waren in den Handel mit Tulpen in den 1630er
Jahren große Teile der niederländischen Bevölkerung bis in die untersten
Gesellschaftsschichten involviert. Der rasche Preisverfall bedeutete demgemäß den Ruin
vieler Beteiligter und hätte der niederländischen Wirtschaft insgesamt einen schweren
Schaden zugefügt. Neuere Lesarten bemühen sich hingegen, den Preisanstieg und Preisverfall
von Tulpen nicht als irrationale Manie darzustellen. So zeigen die Preiskurven von Tulpen
und anderen neu eingeführten Blumen wie Hyazinthen einen ähnlichen Verlauf. Die
Tulpenmanie war demnach kein singuläres Ereignis. Untersuchungen des Wandels der
gesetzlichen Regeln des Tulpenhandels zeigen, dass die Bereitschaft, für Tulpen steigende
Preise zu zahlen, eine rationale Reaktion auf veränderte institutionelle Bedingungen war.
Studien der historischen Quellen weisen zudem darauf hin, dass der Tulpenhandel immer ein
Phänomen der wohlhabenden Schichten geblieben ist und keine einschneidenden
wirtschaftlichen Konsequenzen nach sich zog.
Tulpen als Handelsware
Zunächst wurden die Zwiebeln nur während der Pflanzzeit in den Sommermonaten gehandelt.
Die gerodeten Zwiebeln wurden dabei in Spotmärkten verkauft. Da sich aber der Handel mit
Tulpen nicht auf diese kurze Periode beschränken ließ, gingen die Händler dazu über, auch
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solche Zwiebeln zu kaufen und zu verkaufen, die sich noch in der Erde befanden und erst
später, nach der Blüte, ausgegraben werden konnten. Diese Börsen- bzw. Terminkontrakte
konnten notariell beglaubigt werden oder wurden inoffiziell auf Papierstreifen (coopcedulle)
festgehalten. Gelegentlich bedienten sich die beiden Handelsparteien eines Vermittlers
(seghsman) zur Aushandlung der Kaufbedingungen. Die Bezahlung der Tulpen war
gewöhnlich dann fällig, wenn die Zwiebeln nach der Blüte aus der Erde genommen und
übergeben wurden. Als Konsequenz entwickelte sich der Tulpenhandel zum
Spekulationsgeschäft, da niemand in der Lage war, verbindliche Aussagen darüber zu treffen,
wie die gehandelten Tulpen aussehen, noch ob sie in der neuen Saison überhaupt blühen
würden. Aufgrund dieser unklaren Handelsgrundlage wurde das Geschäft mit Tulpen auch als
windhandel bezeichnet.
Zum Zwecke der Veranschaulichung des zu erwartenden Aussehens einer Tulpe gaben die
Züchter und Händler Stiche, Aquarelle und Gouachen von Tulpensorten in Auftrag und
sammelten diese in Handels- bzw. Versteigerungskatalogen, sogenannten Tulpenbüchern, von
denen sich 45 erhalten haben. Die Besonderheit dieser Tulpenbücher ist, dass neben den
Illustrationen selbst auch die Namen und gelegentlich zudem das Gewicht und die Preise der
abgebildeten Sorten am Rand der Blätter verzeichnet sind.
Diese Form des Handels mit Tulpenzwiebeln erweiterte sich mit der steigenden Beliebtheit
der Pflanze. Ab der Mitte der 1630er Jahre ist im Vergleich zu anderen Produkten ein
Preisanstieg zu bemerken. Spätestens um das Jahr 1634 betraten Spekulanten den Markt, die
Tulpen nicht nur in der Hoffnung kauften, sie zu späterer Zeit selbst in ihren Garten zu setzen,
sondern sie erwarben, um sie bei steigenden Preisen mit Gewinn weiterzuverkaufen.
Diese Art des Tulpenhandels als Leerverkauf war auch in anderen Sektoren der
niederländischen Wirtschaft verbreitet. So verkaufte die Niederländische Ostindien-Kompanie
ihre verschifften Waren, noch bevor diese ausgeliefert werden konnten. Jedoch untersagten
die Generalstaaten 1610 diese Art des Handels, und das Verbot wurde in den Folgejahren,
1621, 1630 und 1636, bestätigt. Dies bedeutete, dass entsprechende Verträge nicht vor
Gericht einklagbar waren. Jedoch wurden die Händler, die solcherart Geschäfte betrieben,
auch nicht explizit verfolgt, so dass Formen des Leerverkaufs stets genutzt wurden, obwohl
sie in einer juristischen Grauzone stattfanden. Auch konnten diese Verdikte nicht verhindern,
dass Optionsscheine auf Tulpenzwiebelanteile gehandelt wurden.
Die umfassendste Beschreibung der Organisation des niederländischen Tulpenhandels zur
Zeit der Tulpenmanie hat sich in dem spekulationskritischen Pamphlet Samen-Spraek
tusschen Waermondt ende Gaergoedt, Nopende de opkomste ende ondergangh van Flora
erhalten, das drei satirische Dialoge der beiden Weber Gaergoedt („Habgier“) und
Waermondt („Wahrmund“) wiedergibt und kurz nach dem Ende der Spekulationsblase 1637
von Adriaen Roman aus Haarlem verbreitet wurde. Folgt man der dortigen Beschreibung,
dann fand der Handel mit Tulpenzwiebeln nicht in Börsengebäuden statt, sondern die Händler
trafen sich in sogenannten Kollegs (collegie bzw. comparitje) in bestimmten Herbergen und
Schankhäusern. Bei den Treffen der collegiën wurden Tulpen gehandelt, bewertet und das
Wissen um Sorten und Akteure ausgetauscht. Tulpenzwiebeln wurden zum Teil als einzelne
Zwiebelexemplare, zum Teil nach Gewicht verkauft, im Speziellen nach der
Goldschmiedeeinheit asen (ein Aes = 0,048 Gramm, ein Pfund = 9.729 Asen (Haarlem) bzw.
10.240 Asen (Amsterdam)).
Der Verkäufer hatte die Möglichkeit einer Auktion (in het ootjen) oder beide Seiten schrieben
ihren Preiswunsch auf einen Zettel bzw. ein Brett (borden) und zwei jeweils gewählte
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Unterhändler (seghsmannen) einigten sich auf einen Preis (met de Borden). Käufer waren aber
verpflichtet, eine Gebühr von 2,5 Prozent des Verkaufspreises bzw. bis zu drei Gulden (das
sog. „Weingeld“ bzw. wijnkoop in holländischen Gulden, also in florins (Dfl) bzw. guilders)
zu zahlen, die vor Ort für Speisen, Getränke und Trinkgelder ausgegeben wurden. Wenn man
aus bereits angelaufenen Verkaufsverhandlungen wieder aussteigen wollte, dann war die
Zahlung eines rouwkoop (Bußgeld) fällig. Mitunter wurde die Verpflichtung, eine Zwiebel zu
liefern, über Zwischenhändler weiterverhandelt. Tulpen wurden außerdem auf offiziellen
Auktionen versteigert, wie bei den Auktionen der Weeskamer (Waisenhaus), wenn diese den
Nachlass eines Verstorbenen zu Gunsten seiner Kinder versteigerten.
Schon in den 20er Jahren des 17. Jahrhunderts war es unter Umständen möglich, für einzelne
Tulpensorten sehr hohe Preise zu erzielen. Beispielhaft hierfür steht die Tulpe Semper
Augustus, welche später, im Jahr 1637, als teuerste Tulpe aller Zeiten gehandelt wurde. So
wurde bereits 1623 berichtet, dass alle damals existierenden zwölf Tulpen dieser Sorte dem
Amsterdamer Bürger Adriaan Pauw auf seinem Gut Heemstede gehörten. Jede dieser
Zwiebeln kostete 1623 1.000 Gulden, 1624 stand der Preis bei 1.200 Gulden, 1633 war er auf
5.500 Gulden gestiegen und 1637 wurden für drei Zwiebeln 30.000 Gulden geboten.[54] Zum
Vergleich: Das Durchschnittsjahreseinkommen in den Niederlanden lag bei etwa 150 Gulden,
die teuersten Häuser an einer Amsterdamer Gracht kosteten rund 10.000 Gulden.[55] Jedoch
scheinen diese sehr hohen Tulpenpreise zu jener Zeit die Ausnahme gewesen zu sein. So
wurde 1611 Tulpen der Sorte Cears op de Candlelaer („Kerzen auf einem Leuchter“) für 20
Gulden verkauft und aus dem Oktober 1635 haben sich Daten zum Verkauf einer Tulpe der
Sorte Saeyblom van Coningh für 30 Gulden erhalten. Dass die Preise für Tulpenzwiebeln zu
Beginn der 1630er Jahre anzogen, lässt sich an den Sorten ablesen, für die in zeitlicher Folge
mehrere Preisdaten verfügbar sind. Beispielsweise kostete eine Tulpe der Sorte Groot
Gepluymaseerde am 28. Dezember 1636 0,07 Gulden per Aes und am 12. Januar 1637 0,15
Gulden per Aes, was einer Preisverdopplung gleichkommt. Der Preis für Tulpen der Sorte
Switserts stieg in diesem Zeitraum von 125 Gulden für das Pfund auf 1.500 Gulden für das
Pfund, ein zwölffacher Anstieg.
Verlauf der Tulpenmanie
Ihren Höhepunkt erreichten die Preise für Tulpen bei der Weeskamer-Versteigerung am 5.
Februar 1637 in Alkmaar, welche die weesmesters (Rektoren des Waisenhauses) für die
Nachkommen von Wouter Bartholomeusz Winckel veranstalteten. Auf der Auktion wurden
für 99 Posten Tulpenzwiebeln insgesamt rund 90.000 Gulden erzielt, jedoch finden sich
weder für die einzelnen Preise noch für die Käufer verlässliche Belege. Das kurze Zeit nach
der Auktion erschienene Flugblatt Lijstje van Eenighe Tulpaen verkocht aan de meest-
biedende op den Februarij 1637 enthält eine Preisliste, doch ohne Angaben, wer diese
Summen auf der Auktion geboten haben soll. Der durchschnittliche Preis der versteigerten
Tulpen betrug 792,88 Gulden. Das meiste Interesse zogen in der Folgezeit aber die Tulpen auf
sich, für welche weitaus höhere Preise geboten worden sein sollen. So kam eine Tulpe der
Sorte Viceroy für 4.203 Gulden unter den Hammer, eine Admirael van Enchhysen wurde für
5.200 Gulden verkauft.
Doch bereits zwei Tage zuvor, am 3. Februar 1637, hatte die Krise in Haarlem ihren Anfang
genommen, als bei einer der regelmäßigen Wirtshausversteigerungen keine der angebotenen
Tulpen zu dem erwarteten Preis verkauft werden konnte. In den nächsten Tagen brach dann in
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den gesamten Niederlanden der Tulpenmarkt zusammen, weil das System des spekulativen
Handels so lange funktionierte, wie die Händler mit steigenden Preisen und der Option
rechneten, dass am Ende der Handelskette ein Käufer bereit wäre, die reale Tulpenzwiebel zu
erwerben. Als sich keine neuen Käufer fanden, die in die Preisspirale einsteigen wollten, fiel
der Wert von Tulpen über Nacht um geschätzt mehr als 95 Prozent. Am Ende der
Spekulationsblase fanden sich Händler mit Verpflichtungen, Tulpen zu einem Preis weit über
den aktuellen Marktpreisen zu erwerben, während andere Tulpenzwiebeln besaßen, die nur
noch einen Bruchteil des Wertes besaßen, für den sie erworben wurden.
Darién-Projekt
Das Darién-Projekt war der Versuch, eine schottische Kolonie in Panama zu etablieren. Das
katastrophale Scheitern des Projekts brachte Schottland an den Rand des Staatsbankrotts, und
beschleunigte so den Zusammenschluss mit England zum neuen Vereinigten Königreich von
Großbritannien.
Vorgeschichte
Im Laufe des 17. Jahrhunderts profitierte England zunehmend von seinen Kolonien in
Übersee, insbesondere in Nordamerika. Seit 1603 war der König von England auch König
von Schottland (bzw. die schottischen Stuarts erbten den englischen Thron), trotzdem blieb
den Schotten der Zugang zu den englischen Kolonien verwehrt, was zu einem
wirtschaftlichen Nachteil für Schottland wurde. Kolonien standen zu diesem Zeitpunkt unter
der Verwaltung einer Handelskompanie („company“), die ein Patent des Königs für die
Kolonie besaß und damit das Recht, über die Beteiligung an einer Kolonie zu entscheiden; die
Schotten waren ausgeschlossen, da sie nicht englische Bürger waren.
Der schottische Finanzexperte William Paterson, der in London die Bank of England
gegründet und in England ein Vermögen gemacht hatte, dachte zu diesem Zeitpunkt, er hätte
eine Lösung für das Dilemma. Er gründete die Company of Scotland eine schottische
Handelsgesellschaft und plante, eine Kolonie in Darién in der Region des heutigen Panama
zu gründen.
Das Subskriptionsbuch der Company of Scotland wurde am 13. November 1695 in London
eröffnet, man wollte die Stärke des englischen Geldmarktes ausnutzen. Innerhalb kurzer Zeit
war das angestrebte Volumen von 300.000 Pfund gezeichnet, was die erste Krise der
Company bedeutete: Im Zeitalter des Merkantilismus ging man davon aus, dass der Reichtum
jeder Nation begrenzt war und somit der Reichtum Englands von den Schotten verwendet
wurde, um England Konkurrenz zu machen. Englische Kaufleute, vor allem aber die Britische
Ostindien-Kompanie sahen ihre Stellung gefährdet. Der Fall wurde im House of Lords
diskutiert, wozu die (englischen) Vorstände der Company unter Strafandrohung geladen
wurden. Eine Abordnung aus Vertretern beider Parlamentshäuser reiste zu König William in
die Niederlande, um offiziellen Protest einzulegen. Der König unterschrieb ein Dokument, in
dem er erklärte, von den Schotten schlecht behandelt worden zu sein („ill-served in
Scotland“).
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Nach einer Neuauflage der Subskription in Schottland wurde die Hälfte des gesamten
Kapitals Schottlands in Patersons Gesellschaft gesteckt, aber das Abenteuer endete als
Desaster: Das ausgewählte Gebiet war malariaverseucht, und die schottischen Siedler wurden
von spanischen Kolonisten angegriffen.
Gründung und Untergang
Mit der Gründung der Company of Scotland am 26. Februar 1696 entwickelte sich in
Schottland der Wunsch, wie auch England, Frankreich und Spanien eigene Kolonien zu
gründen. Zur Finanzierung wurden Anleihen zur Zeichnung ausgegeben, bei denen alle
Schotten, die es sich leisten konnten, soviel investierten, wie sie konnten. Das
Kolonisierungsprojekt sollte 400.000 schottische Pfund kosten. Am 3. August wurden die
Listen wieder geschlossen, wobei die Zahlungen noch nicht eingegangen waren. Zwar musste
der König, Wilhelm, eigentlich die schottische Siedlung New Edinburgh (und die Schiffe)
genauso beschützen wie seine englischen Untertanen, stellte aber seine anderen Interessen
(kein Konflikt mit Spanien, dessen Kolonien in der Karibik dadurch beengt wurden) darüber
und ordnete an, dass die englischen Stützpunkte in Amerika den Schotten nicht helfen sollten.
Krankheiten und Hunger führten dazu, dass alle 2000 Siedler starben, außer einem knappen
Dutzend, das zu schwach für die Rückreise war und sich den Spaniern ergab.
Im Laufe des Jahres 1700 wurde klar, dass das Projekt gescheitert war, und das Geld für die
Schotten verloren. Die Informationen hatten wegen des fehlenden Kontaktes zu der Region
Jahre gebraucht, auf Gerüchte aus Spanien war nicht gehört worden.
Folgen
Von dem geplanten Gesamtkapital von 400.000 Pfund waren ₤153.448 Scots (etwa ein
Zwölftel des Stirling) tatsächlich gezahlt worden, und einige Herzöge und Grafen waren
durch die Hungersnot in der gleichen Zeit wirtschaftlich so geschwächt, dass ihnen und ihren
Untertanen der Hungertod drohte. Die Staatsfinanzen waren zerrüttet, auch der sonst
erfolgreiche John Law konnte sie nicht reformieren. Königin Anne von England sah nun die
Möglichkeit, die Unabhängigkeit Schottlands vollends abzuschaffen. In den Jahren 1706/07
wurde der Act of Union ausgehandelt, und England übernahm die schottischen
Staatsschulden. Schottland erhielt eine Zollunion mit England und seinen Kolonien, das
schottische Parlament ging aber in sehr reduzierter Form in Westminster auf.
Insgesamt hatten die Schotten (und die meisten hatten soviel investiert wie sie konnten)
153.448 Schottische Pfund verloren, über 12.000 Pfund Sterling, die nun in den englischen
Staatsschulden aufgehen würden. Diese Katastrophe war der ausschlaggebende Grund für die
Gründung Großbritanniens, ohne die eine Hungersnot ausgebrochen wäre. Kritiker wie die
Räte von Perth und Glasgow, die dadurch ihren Abgeordneten verloren, meinten deswegen
schon damals, Schottland sei eingekauft worden.
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Gründerzeit
Als Gründerzeit wird die wirtschaftliche Phase in Deutschland und Österreich im
19. Jahrhundert bis zum großen Börsenkrach von 1873 bezeichnet. In dieser Zeit findet die
Industrialisierung in Mitteleuropa statt, deren Anfänge in den 1840er-Jahren liegen. Daraus
ergibt sich, dass für diese Periode kein genauer Anfangszeitpunkt angegeben werden kann. In
den letzten Jahren vor dem großen Krach allerdings (in Deutschland nach dem gewonnenen
Krieg von 1870/1871, in dessen Gefolge massenhaft französisches Kapital vor allem aus
Reparationen ins Land strömte) gipfelte der wirtschaftliche Aufschwung dieser Periode in
einem vorher nicht gekannten Boom, diese letzten Jahre gelten als Gründerjahre im engeren
Sinne.
Die Gründerzeit fällt in die Epoche in Mitteleuropa, in der das Bürgertum die kulturelle
Führung übernahm. Daher ist sie auch die große Zeit des klassischen Liberalismus, auch wenn
dessen politische Forderungen nur teilweise und relativ am Ende dieses Zeitraumes umgesetzt
wurden.
Die Industrialisierung stellte auch ästhetisch neue Aufgaben, vor allem in der Architektur und
im Kunsthandwerk. Dies drückte sich allerdings in einer eklektizistischen Weiterentwicklung
vorhandener Formen aus. In der Umgangssprache ist mit Gründerzeitstil daher der
Historismus gemeint. Da der Historismus aber bis nach 1900 der vorherrschende Stil blieb,
ergibt sich daraus eine gewisse Unschärfe des umgangssprachlichen Gebrauchs. In
stilgeschichtlichen Zusammenhängen wird daher oft auch von späteren Jahrzehnten als
„Gründerzeit“ gesprochen.
Mit Gründerzeit werden daher manchmal sehr unterschiedliche Zeiträume bezeichnet,
beispielsweise 18501873, 18711890, manchmal sogar 18501914 oder überhaupt nur die
Jahre 18711873. Zeitgenössisch ist dieser Ausdruck aber nur für die Zeit um 1870 und
ausschließlich im Zusammenhang mit dem damaligen Wirtschaftsaufschwung.
Nikolai Dmitrijewitsch Kondratjew beschreibt den Wirtschaftsaufschwung dieser Periode als
die aufsteigende Phase des zweiten Kondratjew-Zyklus.
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Aufschwung
Der Ausdruck „Gründerzeit“ bezieht sich auf den umfassenden wirtschaftlichen Aufschwung
der Mitte des 19. Jahrhunderts, in dem Unternehmensgründer scheinbar über Nacht reich
werden konnten. Ein entscheidender Faktor für die rasante Wirtschaftsentwicklung war der
Eisenbahnbau. Typische „Gründer“ sind daher Eisenbahnpioniere wie Bethel Henry
Strousberg. Die Eisenbahn hatte auch eine bedeutende Impulswirkung auf andere
Industriezweige, etwa durch die gestiegene Nachfrage nach Kohle und Stahl, so dass auch in
diesen Bereichen Industrieimperien, wie etwa das von Friedrich Krupp, gegründet wurden.
Vor allem aber wurden Kommunikation und Migration enorm erleichtert. Massenhaft
wanderten ländliche Unterschichten in die Städte ab, wo sie zum Bestandteil des sich
formierenden Proletariats wurden damals entstand auch die soziale Frage (zeitgenössisch
auch Pauperismus genannt).
Mit der Eisenbahn wurde aber auch das Distributionswesen revolutioniert, so dass auch
außerhalb des industriellen Sektors Massenproduktion möglich wurde. Zu bedeutenden
Unternehmensgründern (von Lebensmittelkonzernen) wurden beispielsweise der Bierbrauer
Ignaz Mautner und der Kaffeeröster Julius Meinl I..
Überdurchschnittlich war der Anteil von Personen jüdischen Glaubens an den „Gründern“,
die ihre nunmehrige Emanzipation und sozialen Aufstiegschancen zu nutzen wussten in
diesem Zusammenhang ist auch das Bankhaus Rothschild zu nennen, das als Financier des
Eisenbahnbaus erhebliche Bedeutung hatte.
Gründerkrise
Dieser Aufschwung erlebte im großen Börsenkrach (Gründerkrach) 1873 ein jähes Ende, und
ging in die etwa zwanzigjährige wirtschaftliche Stagnationsphase über, die als Gründerkrise
bekannt ist.
In dieser nachfolgenden Krise verlor die Theorie des Wirtschaftsliberalismus an Boden und es
wurden auch in der Praxis Kontrollmechanismen geschaffen und Schutzzölle eingeführt. Die
in dieser Krisenperiode entstehenden kleinbürgerlichen und proletarischen
Massenbewegungen waren erklärte Gegner des Wirtschaftsliberalismus.
Die verheerendste Folge des großen Krachs war psychologisch. Das Versprechen von
Reichtum und Aufstieg für alle schien vorerst gescheitert, in Kreisen kleiner Handwerker und
Geschäftsleute stand nunmehr die Angst vor dem sozialen Abstieg durch die industrielle
Konkurrenz im Vordergrund, außerdem war durch den Krach auch massiv erspartes Kapital
verloren gegangen. In diesen kleinbürgerlichen Kreisen verbreiteten sich rasch allerlei
Verschwörungstheorien insbesondere der Antisemitismus gewann massiv an Boden und
wurde in den 1880er-Jahren zu einer breiten politischen Unterströmung.
Im Zuge der Industrialisierung wuchs der Bedarf nach Wohnraum, es wurden ganze
Stadtviertel auf die grüne Wiese gebaut. Noch heute gibt es in vielen mitteleuropäischen
Städten eine große Zahl von Wohnbauten aus der Gründerzeit, die oftmals ganze Straßenzüge
oder gar Stadtviertel umfassen.
Typisch für den Baustil der sogenannten Gründerzeitarchitektur ist die meist von privaten
Wohnungsbaugesellschaften errichtete, etwa vier- bis sechsgeschossige Blockrandbebauung
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mit ihren reich dekorierten Fassaden. Die einzelnen Dekorationsformen lehnten sich an
historische Stilformen an, weshalb die Architektur dieser Prägung zusammenfassend als
Historismus bezeichnet wird und Stile wie die Neugotik, Neorenaissance und den Neobarock
umfasst. Es entstanden nicht nur Villen und Palais für das reich gewordene (Groß-
)Bürgertum, sondern vor allem auch Mietskasernen für die rasant wachsende
Stadtbevölkerung.
Bedeutend in dieser Phase war auch die Integration neuer Technologien in Architektur und
Design. Entscheidend war die Weiterentwicklung der Stahlerzeugung (Bessemer-Verfahren),
die beispielsweise Stahlfachwerktürme ermöglichte. Der nur aus Stahl und Glas bestehende
Crystal Palace auf dem Gelände der Londoner Weltausstellung von 1851 galt als revolutionär
und wegweisend für spätere Jahrzehnte.
Auch die Innenarchitektur der Gründerzeit spielte mit den verschiedenen Elementen des
Historismus. Die reich ausgestatteten Räume des gehobenen Bürgertums zeichneten sich aus
durch die Aufnahme und Imitation älterer Kunststile und Dekors.
Silberspekulation
Als die größte Silberspekulation wird die Spekulationsblase im Silbermarkt Mitte der 70er
Jahre des 20. Jahrhunderts bis zum Jahr 1980 betrachtet, die insbesondere mit den Brüdern
Nelson Bunker Hunt und William Herbert Hunt in Verbindung gebracht wird. Diese kauften
im Zusammenspiel mit vermögenden Geschäftsleuten aus Saudi-Arabien riesige Mengen an
Silber sowie Silberkontrakten an den Warenterminbörsen und versuchten, den Silbermarkt zu
beherrschen. Angelockt durch die steigenden Preise und intensive Berichterstattung in den
Medien sprangen immer mehr Anleger auf den Spekulationszug auf und verstärkten den
Preisanstieg.
Während dieses Zeitraums stieg der Silberpreis von unter 2 auf 50 Dollar pro Feinunze, um
anschließend zusammenzubrechen. In den Folgejahren fiel der Silberpreis auf unter 5 Dollar
die Unze und verharrte auf diesem Preisniveau für über 20 Jahre. Die ehemaligen Milliardäre
Hunt mussten nach dem Zusammenbruch der Spekulation Konkurs anmelden.
Das finanzpolitische Umfeld der 70er Jahre
Die Silberkäufe der Hunts waren allerdings nicht der einzige Grund, wahrscheinlich nicht
einmal der Hauptgrund für den starken Silberpreisanstieg gewesen. Die 70er Jahre waren
gekennzeichnet durch große Verunsicherung der Finanzwelt, Ölkrise, bedrohliche Kriege und
Krisen (Yom-Kippur-Krieg, Sturz des Schahs im Iran, Afghanistan-Krieg der UdSSR)
massiven Anstieg der Staatsverschuldung der USA durch den Vietnam-Krieg, massive
Ausweitung der (Papier-)Geldmenge, hohe Inflationsraten verbunden mit hohen
Inflationsängsten und nachfolgend Flucht der Kapitalanleger in Sachwerte. So stieg auch der
Goldpreis von 35 Dollar im Jahr 1973 auf 850 Dollar im Jahr 1980.
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Kreditinduzierte Immobilienblasen
Kreditinduzierte Immobilienblasen resultieren aus einer deutlichen Ausweitung oder
Verbilligung des Angebots an Immobilienfinanzierungen. Die Ursachen hierfür sind
vielfältig. Der Effekt ist häufig auf fehlende Markttransparenz oder fehlende Regulierung
zurückzuführen.
Durch eine deutliche Ausweitung des Kreditangebots durch die systematische Ausweitung der
Kreditgewährung auch an Darlehensnehmer mit immer geringerer Bonität ("Subprime-
Kredite"), entsteht eine erhebliche zusätzliche Immobiliennachfrage, die auf ein, aufgrund der
Begrenzung der Ressource Boden, beschränktes Angebot trifft. Z. B. geschah das in den USA
bis 2007. Dies führt in der Folge der steigenden Nachfrage zu steigenden Immobilienpreisen.
Der gleiche Mechanismus wirkt bei einer deutlichen Verbilligung der Kreditkosten z. B.
durch ein Sinken des Zinsniveaus. Jeder Kreditnehmer kann sich in der Folge "mehr"
Immobilie bei gleichbleibender laufender Belastung leisten. Auch hier führt die erhöhte
Nachfrage zu steigenden Immobilienpreisen. Unterbleibt, wie in den USA geschehen, bei
einem Zusammentreffen derartiger Faktoren eine Intervention durch die zuständigen
Aufsichtsgremien, z. B. weil die positiven konjunkturellen Folgen der starken
Immobilienpreissteigerung gewollt sind, und fehlt auch die Gegenreaktion des Marktes auf
die steigende Kreditnachfrage (durch steigende Kreditkosten bzw. Zinsen) entwickelt sich
eine Immobilienblase. Es kommt zu einer sich selbst beschleunigenden Entwicklung, da
immer mehr Nachfrage immer höhere Preise rechtfertigt.
Fiskalinduzierte Immobilienblasen
Durch staatliche Eingriffe in den Immobilienmarkt, z. B. durch spezielle steuerliche Anreize,
kann es ebenfalls zu erheblichen Fehlentwicklungen am Immobilienmarkt kommen. Träge
staatliche Steuerungspolitik und träge Marktentwicklung (der Bau einer Immobilie ist
regelmäßig ein Vorhaben von erheblicher Laufzeit) führen zu einer zu spät erkennbaren
Fehlentwicklung.
So wurden in Deutschland nach der Wiedervereinigung erhebliche Investitionen in den neuen
Bundesländern, unter anderem in Büroimmobilien, induziert. Grund dafür waren steuerliche
Anreize für Investoren auf dem Immobilienmarkt. Dadurch wurde ein Bauboom ausgelöst,
der, nach mehrjähriger Dauer bis zur Fertigstellung der Gebäude, auf eine deutlich zu geringe
Nachfrage traf, in dessen Folge der Wert der betroffenen Immobilien empfindlich abstürzte.
Im Zusammenhang mit der Einführung des Euros im Jahre 2002 hatten in Spanien zahlreiche
Personen und Firmen versucht, Schwarzgeld in Peseten durch Immobilienkäufe
reinzuwaschen. Der dadurch angestoßene Preisanstieg entwickelte eine Eigendynamik, die
erst im Sommer 2007 gestoppt werden konnte.
Florida-Landboom 1926
Der Florida-Landboom 1926 war Floridas erste Immobilienblase. Sie platzte 1925 und
hinterließ eine Reihe von auf dem Reißbrett geplanten neuen Städte und
Entwicklungsprojekte, wie etwa die Isola di Lolando im Norden der Biscayne Bay. Durch die
32
Gründung von Städten auf der grünen Wiese, die noch heute existieren, wurde Floridas
Zukunft auf Jahrzehnte im voraus beeinflusst.
Der wirtschaftliche Wohlstand hat in den 1920er Jahren die Voraussetzungen für die sich
entwickelnde Landspekulation in Florida geschaffen. Miami hatte sich ein Image eines
Tropenparadieses erworben und Investoren aus den gesamten Vereinigten Staaten bekamen
Interesse an Immobilien in Miami. Teilweise aufgrund der Fähigkeit von Landerschließern,
für Publizität zu sorgen wie etwa Carl G. Fisher aus Miami Beach, der Bekanntheit dadurch
erlangte, dass er auf dem Time Square in New York City eine riesige beleuchtete
Reklametafel mietete, die darauf hinwies „It’s June In Miami“, , stiegen die Preise für
Eigentum und aufgrund von Spekulationen begann ein Grundstücks- und Entwicklungsboom.
Im Januar 1925 wurden negative Pressestimmen laut. Das Forbes Magazine warnte davor,
dass die Preise für Grundstücke in Florida lediglich auf der Erwartung basierten, einen
späteren Käufer zu finden und nicht auf einem realen Landwert.] New Yorker Bankiers und
der Internal Revenue Service begannen unabhängig voneinander, den Immobilienboom
Floridas als riesige Täuschungsoperation zu zerpflücken. Der Wunsch von Spekulanten, große
Gewinne zumachen, wurde schwer erfüllbar, weil neue Käufer sich nur schwer fanden. Das
unausweichliche Platzen der Blase hatte begonnen.
Im Oktober 1925 versuchten die Eisenbahngesellschaften, die überstrapazierte Situation in
Floridas Eisenbahnnetz zu verbessern und verhängten einen Bann auf alle Güter mit
Ausnahme von Lebensmitteln, wodurch die steigenden Lebenshaltungskosten noch stärker
wuchsen. Neue Käufer blieben aus und deswegen endete die Preisspirale, die den Landboom
angeheizt hatte. Die Tage, an denen Immobilien in Miami innerhalb eines Tages auf
Versteigerungen zehnmal gekauft und wieder verkauft wurden, waren vorbei.
Am 10. Januar 1926 kenterte der rund 80 m lange Schoner Prinz Valdemar in der Einfahrt des
Hafens von Miami. Das ehemalige dänische Kriegsschiff war auf dem Weg nach Florida, um
in ein schwimmendes Hotel umgewandelt zu werden.
Die Eisenbahnen, die durch den Transportbedarf für Baumaterial und Lebensmittel
ausgelastet waren, hoben ihre Frachtraten an. Da die Seeroute nach Miami blockiert war,
begann das Gesicht Miamis als tropisches Paradies zu bröckeln. In seinem Buch „Miami
Millions“ schrieb Kenneth Ballinger, dass das Kentern der Prinz Valdemar vielen Leuten eine
Menge Geld gerettet hat.
Im selben Jahr brachte der Miami-Hurrikan 1926 für viele angeschlagene
Entwicklungsprojekte den Bankrott. Der Okeechobee-Hurrikan von 1928 und der Schwarze
Freitag von 1929 waren weitere Eckpunkte für den Abwärtstrend der wirtschaftlichen
Entwicklung des Bundesstaates und der Landboom endete, noch bevor die
Weltwirtschaftskrise richtig begann. Diese Rezession und das Eintreffen der
Mittelmeerfruchtfliege vernichteten sowohl die Tourismusbranche als auch die Erzeuger von
Zitrusfrüchten, von denen Florida abhängig war. Innerhalb weniger Jahre wandelte sich ein
idyllisches Tropenparadies in ein bleiches, feuchtes und abgelegenes Gebiet ohne
wirtschaftliche Aussichten. Die Wirtschaft Floridas erholte sich erst nach dem Zweiten
Weltkrieg.
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Bubble Economy
Unter einer Bubble Economy (deutsch Blasen-Wirtschaft) versteht man eine Volkswirtschaft,
die (zunächst) durch eine Spekulationsblase profitiert und nach dem Platzen der Blase
darunter leidet: Die Überwertung von Geldanlagen (insbesondere Aktien und Immobilien)
führt zu erhöhtem Konsum und gleichzeitig zu erhöhten Investitionen. Grund für die
Konsumerhöhung ist, dass die Wertsteigerungen zu Vermögenserhöhungen der Bürger
führen, von denen ein Teil in den Konsum fließt. Grund für die Erhöhung der Investitionen
ist, dass die Aktiengesellschaften Kapital zu einer niedrigen Verzinsung erhalten. Hierdurch
erscheinen Investitionen, die nur eine geringe Rentabilität haben, attraktiv.
Bedingt durch diese positiven Wirkungen kommt es zu zusätzlichem Wirtschaftswachstum
und damit zu einer positiven Rückkopplung. Sobald die Blase jedoch platzt, sind die
volkswirtschaftlichen Wirkungen genau umgekehrt: Konsum und Investitionen müssen
spürbar reduziert werden. Dies führt zu einer Wirtschaftskrise.
Aktien- und Immobilienmarkt in Japan
Das bekannteste Beispiel für eine Bubble Economy ist der japanische Aktien- und
Immobilienmarkt der zweiten Hälfte der 1980er Jahre.
Im Plaza-Abkommen 1985 vereinbarten die G5 (USA, Japan, Deutschland, Großbritannien,
Frankreich) eine Abwertung des US-Dollar gegenüber den Währungen der anderen vier
Länder. Insbesondere der Yen machte gegenüber dem Dollar innerhalb von zwei Jahren eine
kontrollierte Wertsteigerung um 100 Prozent, der durch Spekulationen weiter angeheizt
wurde. Internationale Investoren und die Japaner selbst kauften alles, was seinen Wert in Yen
hatte, zum einen Yen selbst, aber auch japanische Aktien und Immobilien, um von der
Wertsteigerung des Yen zu profitieren. Durch die Nachfrage wurden Börse und
Immobilienmarkt weiter angeheizt, und eine Spirale nach oben begann.
Im Louvre-Abkommen sollte nun gegengesteuert und der Dollar wieder aufgewertet werden,
aber die Spirale in Japan drehte sich weiter. Auf dem Höhepunkt der Blase war der Park des
Kaiserpalastes im Zentrum von Tokio nach Schätzungen genauso viel wert wie alles Land in
Kalifornien zusammen, und fast zwei Drittel des gesamten Weltimmobilienwertes war in der
Tokyoter City konzentriert.
Strenge japanische Auflagen, die gegenseitige Unterstützung in der Wirtschaft und der schiere
Preis der Unternehmen verhinderten dabei, dass ein japanisches Unternehmen übernommen
wurde. Die japanischen Unternehmen selbst profitierten von dem (im Vergleich zur USA)
gestiegenen Wert ihrer Aktien und Grundstücke und gingen in den USA auf Einkaufs- und
Übernahmetour. Dass der gestiegene Wert des Yen auch die Arbeitskosten in Japan relativ
zum Rest der Welt erhöhte, glichen die japanischen Unternehmen dadurch aus, dass sie die
Produktion weiter ins Ausland verlagerten, insbesondere nach Südostasien.
Die Situation wurde riskant, als japanische Banken begannen, Kredite auszugeben, die durch
die überbewerteten Immobilien abgesichert sein sollten (Kredite wurden ausgegeben, die dem
Immobilienkauf dienten). Im Jahr 1990 platzte die Blase. Der Wert der Immobilien sank
innerhalb kurzer Zeit auf ein Viertel zurück und der Aktienmarkt implodierte. Die Banken
blieben auf ihren Krediten sitzen. Mehrere große japanische Banken und Lebensversicherer
mussten Konkurs anmelden, andere konnten von der Regierung gerettet werden. Da viele der
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Verantwortlichen in den betreffenden Unternehmen Selbstmord begingen, wurden die
Insolvenzverfahren zusätzlich verkompliziert.
Mehrere Jahre konnte sich die japanische Wirtschaft nicht davon erholen, diese Zeit wird in
Japan auch als das „Verlorene Jahrzehnt“ bezeichnet. Diese Zeit war geprägt von Deflation
und Nullwachstum (siehe auch Kakaku Hakai). Nur langsam konnte der Bankensektor saniert
werden, und die Staatsverschuldung stieg durch immer wieder verpuffende
Konjunkturprogramme auf über 150 Prozent des BIP. Das lange erfolgreiche japanische
Prinzip, viele Bereiche der Sozialversicherung durch die lebenslange
Unternehmenszugehörigkeit zu ersetzen, wurde durch die zahlreichen Insolvenzen und Krisen
in seinen Grundfesten erschüttert. Andererseits herrschte während des „Verlorenen
Jahrzehnts“ ein durchschnittliches Wirtschaftswachstum von mehr als einem Prozent, weshalb
der Begriff unter Umständen irreführend ist.
Auf die wirtschaftliche Krise folgte auch die politische Krise. In der heißen Phase der Bubble
Economy ließen sich viele Politiker wohlwollend am Geldüberfluß der Wirtschaft beteiligen,
die Korruption grassierte. Im Jahr 1993 war die gesamte LDP-Führung in Skandale
verwickelt. Sie verlor die Unterhauswahlen und stellte zum ersten Mal seit den 1950er Jahren
nicht die Mehrheit im Kabinett.
Immobilienmarkt in Irland
In den 2000ern wurden von irischen Banken immer mehr Kredite für Bauprojekte vergeben,
so dass am Ende fast ein Viertel des Bruttoninlandproduktes auf die Baubranche fiel. Im
Rahmen der Finanzkrise ab 2007 kollabierte dieses Schneeballsystem. Inzwischen stehen
mehrere 100.000 Gebäude leer.
Das japanische Wirtschaftswunder
Vom Beginn der 1960er Jahre bis zur ersten Ölkrise 1973 erlebte Japan eine Phase des
Hochwachstums, die durch mehrere Faktoren begünstigt wurde. Zum ersten verfolgte die
japanische Regierung eine prozyklische Politik und erhöhte noch im Wachstum die
Staatsausgaben. Zweitens war der japanische Markt nach innen zwar durch heftige
Konkurrenz mehrerer gleichstarker Wettbewerber angeheizt, nach außen hin aber
abgeschirmt, was japanischen Unternehmen eine sichere Basis gab. Drittens verstanden es
japanische Unternehmen, Schlüsseltechnologien aus dem Ausland zu übernehmen,
kontinuierlich zu verbessern (Kaizen) und Schritt für Schritt international Marktanteile zu
erobern. Viertens sicherten sich die Unternehmen durch das System der lebenslangen
Beschäftigung eine gut ausgebildete und loyale Stammbelegschaft (rund 30% aller
Beschäftigten), während gleichzeitig eine große Zahl Kleinunternehmen als Zulieferer
fungierte (Duale Struktur) und mit geringen Löhnen die Preise drückte. Die Lohnentwicklung
hielt mit der wirtschaftlichen Entwicklung nicht Schritt, was zum Slogan „reiches Japan -
arme Japaner“ führte.
Ölkrise und Bubble Economy
Die Ölkrise 1973 sorgte für eine erste Delle in der japanischen Konjunktur. Japan war ohne
eigene Ölreserven mehr als jede andere Industrienation vom Öl aus den Golfstaaten abhängig.
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Die Ölkrise führte zu einem Umdenken, unter anderem wurde nun verstärkt auf Öl aus
Südostasien und auf Atomkraft gesetzt. Die zweite Ölkrise überstand Japan nahezu
unbeschadet. Insgesamt waren die Siebziger Jahre eine Phase stabilen Wachstums und eine
Phase steigender Außenhandelsüberschüsse.
Nach dem Plaza-Abkommen 1985 floss in Erwartung einer Yen-Aufwertung spekulatives
Kapital nach Japan und setzte dort eine Spirale in Gang, die so genannte Bubble-Economy:
Aktienmarkt und Immobilienpreise zogen an, in Erwartung weiterer Spekulationsgewinne
wurden Immobilien beliehen und das Kapital in Aktien investiert. Der Yen-Kurs stieg
tatsächlich und verdoppelte sich im Zeitraum von nur etwa einem Jahr. Der reale
Wirtschaftsboom wurde durch die Spekulationen überhitzt und eine Spekulationsblase
entstand. Japanische Unternehmen hatten nun sehr viel Kapital zur Verfügung, das teilweise
zur Akquisition von Unternehmen außerhalb Japans, vor allem in den USA, verwendet wurde.
Zusammenbruch und Deflationsspirale
Anfang der Neunziger Jahre platzte dann die Blase. Die Immobilienpreise fielen um drei
Viertel, die Aktienmärkte stürzten ab, und Banken saßen auf ihren faulen Krediten ("bad
loans"), deren Höhe die des Wertes der hinterlegten Grundstücke und Gebäude überstieg.
Faktisch waren viele Banken und Unternehmen durch Insolvenz bedroht, diese wurde jedoch
oft nicht vollzogen beziehungsweise durch künstliche Überbewertung von Vermögenswerten
über Jahre verschleppt.
In den 90ern befand sich Japan in einer Deflationsspirale, wodurch einerseits die
Binnennachfrage schwach blieb, andererseits der relativ stabile Yenkurs eine Erholung über
den Export verhinderte. Die Zentralbank Japans versuchte vergeblich, durch ihre jahrelange
Nullzinspolitik Investitionsanreize zu setzen. Auch die Asienkrise 1997/98 erschwerte eine
Gesundung, und einige große Banken und Versicherer gingen Konkurs. Aufgrund der
langanhaltenden Wachstumsschwäche der japanischen Wirtschaft in den 90er-Jahren wird in
diesem Zusammenhang oft vom "verlorenen Jahrzehnt" gesprochen.
BANK OF ENGLAND
Geschichte
Als König William III. und Königin Mary II. 1688 den Thron bestiegen, waren das Geld- und
Kreditwesen zerrüttet und auch die öffentlichen Finanzen befanden sich in einer schwierigen
Lage.
In dieser Situation schlug der schottische Kaufmann William Paterson 1694 unter Mitwirkung
von Charles Montagu und Michael Godfrey vor, der Regierung durch eine Vereinigung von
1.268 Gläubigern eine Anleihe zu gewähren. Die Zeichner dieser Anleihe erhielten am 27.
Juli 1694 das königliche Privileg eine Notenbank in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft
unter der Firma The Governor and Company of the Bank of England zu gründen. Das
Stammkapital in Höhe von 1,2 Millionen Pfund wurde dem Staat als Darlehen gegen acht
Prozent Zinsen gewährt. (Dieser Kreditzinsfuß war für die damaligen Verhältnisse relativ
gering.) Im Gegenzug dazu erhielt die Bank of England das Recht, in Höhe des Darlehens
Banknoten auszugeben und Bankgeschäfte zu betreiben. Es war ihr jedoch verboten, ohne
Zustimmung des Parlaments Darlehen an die Regierung zu vergeben.
Bei der Gründung der Bank of England gab es einen unmittelbaren Zusammenhang zu den
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finanziellen Defiziten von König William III. Dieser benötigte dringend Kapital für den Krieg
gegen Frankreich und den vertriebenen König Jacob II. Die Bank of England pflegte stets ein
gutes Verhältnis zum Thron, sodass es im Laufe der Zeit zu Erweiterungen ihres Einflusses
kommen sollte.
Die ersten Geschäftsräume der Bank of England lagen in den Mercers' und Grocers' Halls,
den Zunfthäusern der Seidenwarenhändler und Krämer. Bei Aufnahme der Geschäftstätigkeit
waren seinerzeit 17 Angestellte und zwei Pförtner beschäftigt. Die Bank of England wurde
zum Vorbild für viele Gründungen von Zentralbanken in Europa.
Im Jahr 1697 vermehrte die Bank ihr Kapital auf 2.201.171 Pfund, indem sie ihre Noten, zu
deren Einlösung sie außer Stande war, und abgewertete Schatzscheine des Staats als
Kapitaleinzahlung annahm. Dabei erhielt sie die Zusicherung, dass der Staat keine zweite
Bank durch Gesetz begründen werde. Zugleich wurde ihr Privileg bis 1710 verlängert.
18. Jahrhundert
Unter der folgenden Regierung gewährte die Bank dem Staat abermals mehrfach ihre Hilfe
und erhielt dafür wichtige Rechte. Neben der Fortdauer ihres Bestandes bis 1742 bekam sie
1708 das wichtige Privileg, dass außer ihr in England keine Bankgesellschaft mit mehr als
sechs Teilhabern Noten ausgeben dürfe. Das Statut von 1708 legte außerdem fest, dass die
Bank ein staatliches Darlehen in Höhe von 400.000 Pfund vergeben sollte und der Zinssatz
für die gesamten Staatsschulden auf sechs Prozent herabgesetzt wird.
Im Jahre 1734 wurde der Sitz an die Threadneedle Street verlegt. Die Bank vergrößerte dort
nach und nach ihren Haus- und Grundbesitz auf den heute sichtbaren Stand. Die von Sir
Christopher Wren erbaute Kirche Saint Christopher le Stocks wurde ihretwegen abgerissen.
Das erhaltene Privileg wurde 1742, 1764 und 1781 erneuert. 1742 konnte das Privileg gegen
ein zinsfreies Darlehen an den Staat von 1.600.000 Pfund bis 1764 verlängert werden. Diese
Summe wurde durch eine Erhöhung des Aktienkapitals auf 9.800.000 Pfund aufgebracht. Im
Jahr 1784 erfolgte die Erneuerung des Privilegs bis 1786 gegen eine Zahlung von 100.000
Pfund und 17811812 gegen ein dreiprozentiges Darlehen von 3 Millionen Pfund auf drei
Jahre. In kritischen Zeiten, die während des 18. Jahrhunderts einige Male eintraten, wusste die
Bank stets ihrer Pflicht der Noteneinlösung nachzukommen.
Damals waren die Vereinbarungen, die zu den wiederholten Verlängerungen des Privilegs
führten, sehr umstritten. Die Bedingungen, die für diese Expansionen festgelegt worden sind,
waren aus Sicht der Kritiker zu stark zum Vorteil der Bank of England ausgelegt und
verschafften dem Staat im Gegenzug einen zu geringen Nutzen.[
Das Institut führte die Konten der Regierung und vergab Darlehen zur Finanzierung in
Kriegs- wie in Friedenszeiten. Als Geschäftsbank nahm sie ferner Einlagen entgegen und gab
Banknoten heraus. Im 18. Jahrhundert lieh sich die Regierung immer mehr Geld. Diese
ausstehenden Anleihen wurden schließlich Staatsschulden genannt.
Das Vertrauen in die Bank of England war so groß, dass sie bei der Erneuerung des Privilegs
im Jahr 1781 zum staatlichen Schatzamt (Treasury) ausgestaltet wurde und ihr auch die
Aufgabe, Bank der Banken zu sein, zuwuchs. Die Bank wurde verantwortlich, falls alle
Einleger sich entschieden, ihr Geld zur selben Zeit abzuziehen. Seitens der Bank wurde
37
sichergestellt, dass genügend Gold vorhanden war, um dieses auf Verlangen für ihre
Banknoten herzugeben.
Durch den Krieg mit Frankreich (von Frankreich am 1. Februar 1793 erklärt) erschöpften die
finanziellen Beziehungen zum Staate die Mittel der Bank, so dass sie im Februar 1797 bei
einem Notenumlauf von 8.644.250 Pfund nur ein Barvermögen von 1.272.000 Pfund besaß.
So ließ sie sich durch die Regierung mittels einer Kabinettsorder vom 26. Februar 1797, die
später die Bestätigung des Parlaments erhielt, von der Barzahlung befreien.
In dieser Epoche der Uneinlösbarkeit der Banknoten oder der „Bankeinschränkung“ (bank-
restriction), die letztlich bis 1. Mai 1821 dauerte, haben die Noten (namentlich in den Jahren
1804, 1809, 1811, 1814) beim Umtausch gegen bar ein ansehnliches Disagio (bis zu 30
Prozent) verloren.
19. Jahrhundert
Indem ein Teil der Reserve auf die Aktionäre übertragen wurde, konnte 1816 das Kapital der
Bank auf 14.553.000 Pfund erhöht werden. Gleichzeitig stiegen die Darlehen an den Staat auf
einen Gesamtbetrag von 14.686.000 Pfund.
Seit 1826 gab die Bank of England keine Noten unter fünf Pfund aus und begann Filialen zu
errichten. Außerdem machte sie das Zugeständnis, sich einer Notenausgabe durch
Aktienbanken nicht zu widersetzen, wenn diese ihren Sitz nicht im Umkreis von 65 Meilen
um London haben.
1833 fand eine Verlängerung des Privilegs statt, die wiederum die Veranlassung zu
Konzessionen der Bank an das Publikum war. Um den Notenumtausch in Gold überflüssig zu
machen, wurden selbige zum gesetzlichen Zahlungsmittel erklärt. Im selben Jahr wurde das
Bankgebäude nach Plänen von Sir John Soane fertiggestellt. Teile, besonders die Fassade,
sind noch heute erhalten. Über den von Soanes konzipierten korinthischen Säulen folgt eine
von Charles Wheeler gestaltete Skulpturengruppe, über welcher eine steinerne Britannia
thront.
Um der Verpflichtung, ihre Noten gegen Gold einzulösen, vollumfänglich nachkommen zu
können, musste die Bank of England in der Krise von 1839 einen Kredit bei der Banque de
France aufnehmen
Im Jahr 1844 erfolgte unter dem Premierminister Sir Robert Peels eine neue Gesetzgebung.
Durch die Akte 7 und 8 wurden zunächst die Verhältnisse in England geregelt, während die
analoge Umgestaltung der Einrichtungen in Irland und Schottland 1845 geschah.
Der hauptsächliche Zweck des Gesetzes für England war, die Notenausgabe zu zentralisieren
und zugleich die Ausgabe ungedeckter Noten auf ein gewisses Maß einzuschränken. Deshalb
wurde die frühere Freiheit der Notenausgabe, die für jedes Bankgeschäft mit weniger als
sechs Teilnehmern im ganzen Land und auch für die von London entfernten Aktienbanken
bestanden hatte, aufgehoben. Nur diejenigen Banken, welche am 6. Mai 1844 das
Emissionsgeschäft betrieben, sollten dasselbe fortsetzen dürfen und weiter bis zu dem Betrag
Noten ausgeben, der dem Durchschnittsbetrag ihrer Notenzirkulation während der
vorhergegangenen drei Monate gleichkomme. In Bezug auf die Bank of England wurde
bestimmt, dass sie nicht mehr als 14 Millionen Pfund ungedeckte Noten ausgeben dürfe,
38
dagegen wurde der Betrag der gedeckten Noten für sie nicht beschränkt. Auch wurde
festgesetzt, dass der Notenbetrag, der durch etwaige Einstellung der Emission seitens der
kleineren Banken wegfallen würde, zu zwei Dritteln dem Emissionsrecht der Bank of England
zuwachsen solle.
Das Bankprivileg-Gesetz von 1844 machte also die Notenausgabe vom Goldbestand der Bank
abhängig. Von der Bank wurde verlangt, die Bücher zur Notenausgabe getrennt von jenen für
die Bankgeschäfte zu führen und einen Wochenbericht zu beiden Konten herauszugeben.
Die Peel's Bank [Charter] Act stützte sich in den Währungsbestimmungen dabei auf die
Currency-Theorie. Dieses Denkmodell hält den Betrag, den ein Land in Banknoten zum
Geldverkehr benötigt, für relativ konstant. Es wurde daher von der Bank in Höhe des
Notenumlaufs volle Golddeckung für die Währung verlangt, abgesehen von einem kleinen
Rest ungedeckten Geldes. Dieser Rest wurde anfangs auf die erwähnten 14 Millionen Pfund
festgesetzt und später mehrmals nach oben korrigiert. Der so genannte Notenbankausweis
wird noch heute jede Woche veröffentlicht.
Die Bankakte von 1844 gab der Bank of England fortan das alleinige Recht zur Ausgabe von
Banknoten in England und Wales. Private Banken, die gleiche Rechte zuvor hatten, durften
sie behalten unter der Voraussetzung, dass sie in Höhe der ausgegebenen Banknoten
Sicherheiten hinterlegten. Einige englische Banken setzten die Ausgabe ihrer Noten fort, bis
die letzte von ihnen in den 1930er Jahren übernommen wurde. Alte schottische und
nordirische Privatbanken haben diese Rechte heute noch.
Zur Sicherung der Vorschriften über die Notendeckung wurden zwei voneinander getrennte
Abteilungen geschaffen, das Issue department (für die Notenausgabe) und das Banking
department (für die Abwicklung von Bankgeschäften). In der ersteren, die nicht mit dem
Publikum geschäftlich verkehren durfte, wurden die Noten hergestellt und die Deckung
vorrätig gehalten.
Im 19. Jahrhundert übernahm die Bank auch die Zentralbankfunktion und sorgte für Stabilität
während einiger Finanzkrisen. Die Bankakte erwies sich wegen ihrer Starrheit gelegentlich als
hinderlich und wurde daher mehrmals temporär außer Kraft gesetzt. So waren die
Bestimmungen zum Maximum der ungedeckten Noten beispielsweise 1847, 1857 und 1866
von der Regierung zeitweilig suspendiert, damit die Bank in Zeiten der Handelskrisen
ausgedehntere Darlehen gewähren konnte.
1870 erhielt die Bank of England die Verantwortlichkeit für die Zinssatzfestlegung
übertragen.
20. Jahrhundert
Während des Ersten Weltkrieges übersprangen die Staatsschulden die Marke von 7 Milliarden
Pfund. Die Bank half mit, die Staatsschulden zu steuern und inflationistischen Tendenzen zu
widerstehen. Die Bankakte wurde durch ein Goldausfuhrverbot und die Schaffung von so
genannten currency notes durchbrochen. Ab 1925 kehrte England mit der Aufhebung des
Goldexportverbots zur Goldwährung zurück. Am 21. September 1931 verließ Großbritannien
endgültig das System des Goldstandards. Das britische Pfund war bis 1946 eine freie
Währung.
39
Der nationale Goldbestand und die Devisenreserven wurden dem Schatzamt übertragen. Doch
ihr Management wurde weiter durch die Bank betrieben, und das blieb so bis heute.
1933 wurden ihre Banknoten gesetzliches Zahlungsmittel im gesamten Königreich. In der
Gouverneurszeit von Sir Montagu Norman (1920 bis 1944) setzten Bemühungen ein, von der
Geschäftsbank wegzukommen und Zentralbank zu werden. Platzbedarf führte von 1923 bis
1939 unter verantwortlicher Regie von Sir Herbert Baker zu einer Umgestaltung des
Bankhauses, das auf sieben Stockwerke erweitert wurde.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Bank am 1. März 1946 verstaatlicht. Sie blieb jedoch
Berater des Schatzkanzlers, sein Agent und Schuldenmanager. Der Schatzkanzler war
weisungsbefugt, musste sich aber vorher mit dem Bank-Gouverneur ins Benehmen setzen.
Die Bank of England war nach der Nationalisierung als Bank der Regierung ausgestaltet mit
Beratung in geld- und währungspolitischen Problemen. Für die Ausrichtung und
Durchführung sowohl von geld- wie devisenpolitischen Maßnahmen blieb ihr die
Verantwortung.
Die Altaktionäre erhielten bei der Verstaatlichung einen gesamten Abfindungsbetrag von
5.821.200 £ in Regierungsanleihen.
Mit dem Internationalen Währungsfonds wurde im Abkommen von Bretton Woods eine
Parität von 1,00 £ = 4,03 US $ vereinbart. Am 18. September 1949 wurde eine
Währungsabwertung auf das Tauschverhältnis 1,00 £ = 2,80 US $ vorgenommen. Eine
erneute Abwertung musste 1967 erfolgen, weil das Land im Welthandel zurückgefallen war
und sich deshalb seine Zahlungsbilanz über Jahre hinweg verschlechtert hatte.
1971 verzichtete die Bank of England auf das Instrument der Kreditplafondierung, erhielt
dafür aber jenes der Mindestreserve. 1979 wurde ihr gesetzlich die Bankenaufsicht anvertraut,
was ihr weitreichende Auskunftsrechte und die Pflicht zur Lizenzierung neuer Kreditinstitute
verschaffte.
In den 1980ern hatte die Bank eine Schlüsselrolle in verschiedenen Bankenkrisen inne. Die
Bank war vorn dabei, als die Geldpolitik wieder zentraler Bestandteil der Regierungspolitik in
den 1980ern wurde.
Seit Mai 1997 ist die Bank of England operational unabhängig und kann in der
Zinssatzfestsetzung die Regierung beim Weg zum von ihr angestrebten Inflationsziel von
höchstens 2,5 % unterstützen. Wird die Marke um mehr als 1-%-Punkt verfehlt, soll der
Bank-Gouverneur dem Schatzkanzler einen Brief schreiben, darin das Warum erläutern und
wie er die Situation beheben wolle.
1998 wurde der Aufbau der Bank mit dem „Bank of England Act“ geändert. Seither ist sie in
drei Hauptgeschäftsbereiche gegliedert: Währungsanalyse und Statistik,
Finanzmarktoperationen sowie Währungsstabilität. Eine Abteilung befasst sich zudem mit
Koordinationsfragen zur Europäischen Union.
21. Jahrhundert
Am 18. Mai 2006 führte die Bank neue Instrumente zur Steuerung des Geldmarktes ein.
Zentrales neues Instrument war die Einführung einer verzinslichen Mindestreserve. Weiterhin
40
wurden zwei neue ständige Zinssätze eingeführt, zu welchen die Bank stets bereit ist, Geld
anzunehmen bzw. Geld zu verleihen; die Einlagen- und die Spitzenrefinanzierungsfazilität
Dotcom-Blase
Der Begriff Dotcom-Blase ist ein durch die Medien geprägter Kunstbegriff für eine im März
2000 geplatzte Spekulationsblase, die insbesondere die so genannten Dotcom-Unternehmen
der New Economy betraf und vor allem in Industrieländern zu Vermögensverlusten für
Kleinanleger führte. Der Begriff Dotcom bezieht sich dabei auf die Internet-Domain-Endung
„.com“ (engl. für Commercial).
Die Dotcom-Blase war ein weltweites Phänomen. Der größte Markt für
Technologieunternehmen war die amerikanische NASDAQ. In Deutschland richtete die
Deutsche Börse den Neuen Markt als eigenes Marktsegment ein, an dem angeblich
zukunftsweisende und stark wachsende Unternehmen, die als die Technologieunternehmen
galten, notiert sein sollten.
Die Boom-Phase
Auslöser des Booms waren die hohen Gewinnerwartungen, die durch neue technologische
Entwicklungen entfacht wurden. Die Verbreitung des Internets in weiten Kreisen der
Bevölkerung der Industriestaaten, der Einzug des Mobiltelefons in den Alltag, die
Entwicklung von Handheld-Computern und einige andere Dinge kamen zusammen. Daher
kam es ab 1995 zu einer Vielzahl von Neugründungen von Unternehmen und durch das große
Anlegerinteresse vermehrt zu Börsengängen. Viele Anleger schöpften die Hoffnung, dass die
in diesen Märkten operierenden Unternehmen „Zukunftsunternehmen“ seien, und wollten
über einen Aktienkauf an vermeintlichen zukünftigen Gewinnen teilhaben. Zudem führte
insbesondere in Deutschland der von umfangreichen Werbemaßnahmen begleitete
Börsengang der Deutschen Telekom zu einer stark gestiegenen Popularität des
Investmentobjekts Aktie. Ab Mitte 1999 vervielfachte sich innerhalb weniger Monate die
Börsenbewertung zahlreicher Unternehmen durch eine deutlich erhöhte Nachfrage der
vormals am Aktienmarkt nicht aktiven Neuanleger.
Weiter verstärkt wurde dieser Effekt durch den starken Expansionsdrang vieler Unternehmen;
die durch die Börsengänge erzielte Liquidität wurde in den Aufkauf weiterer börsennotierter
Unternehmen investiert. Andere Anleger wurden von den häufig prozentual zweistelligen
Kurssteigerungen selbst angezogen, die sie zwar für teilweise übertrieben hielten, von denen
sie aber oft als Daytrader dennoch profitieren wollten. Auch Investmentfonds verstärkten
die Spekulationsblase, indem sie ihren Kunden immer höhere Gewinne in Aussicht stellten.
Es wurde eine Vielzahl von „Neue-Markt“-, Internet-, Telekommunikations- und
Technologiefonds gegründet, die reißenden Absatz fanden.
Die Anleger hatten vor allem überhöhte Gewinnerwartungen, ignorierten aber die
fundamentalen Unternehmensbewertungen genauso wie Jahresabschlüsse. So wurde gar eine
hohe Cash-Burn-Rate als positives Unternehmensmerkmal gesehen. Die Medien stachelten
die Euphorie, vornehmlich gegenüber den Emissionen des Neuen Marktes, weiter an.
Besonders in Deutschland, wo die Aktie mit dem Marktgang der Deutschen Telekom einige
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Jahre zuvor erst „volksfähig“ gemacht wurde, wurden viele unerfahrene Anleger in riskante
Investments gelockt.
Die deutschen Aktienindizes erreichten ihren Höhepunkt am 13. März 2000, dem Tag des
Infineon-Börsengangs. Auch die in dieser Zeit zu einer Art Volkssport ausgeartete
Spekulation mit Neuemissionen erreichte ein noch nie dagewesenes Ausmaß: Am 13. März
wurden so viele Infineon-Aktien gehandelt, dass die Handelssysteme der Frankfurter
Wertpapierbörse und damit zugleich die Orderverarbeitungen einiger Bankhäuser
zusammenbrachen.
Der Absturz
Gegen Ende des Booms zeichnete sich ab, dass die hochbewerteten Unternehmen die
Gewinnerwartungen nicht in absehbarer Zeit erfüllen können. Ihr Börsenwert war zumeist
nicht durch materielle Gegenwerte gedeckt, da das Kapital eines IT-Unternehmens weniger in
materiellen Gütern als vielmehr in den geistigen Leistungen seiner Mitarbeiter zu finden ist.
Oftmals bestand der Buchwert der Unternehmen aus nicht viel mehr als einigen Gebäuden
und der IT-Infrastruktur. Die im Expansionsdrang zugekauften Unternehmen waren zudem
meist nicht profitabel.
Die Zweifel wurden lauter, als die ersten der vermeintlichen Hoffnungsträger Insolvenz
anmelden mussten. Überdies stellte sich heraus, dass in einigen Fällen die ausgewiesenen
Umsätze nur fingiert waren. Als im März 2000 die Kurse zu sinken begannen und vermehrt
Verkäufe getätigt wurden, brach der Markt vollends in sich zusammen. Als die ersten
Anzeichen eines Kursverfalls erkennbar wurden, zogen erfahrene Börsianer ihr Kapital aus
dem Markt ab. Durch den anhaltenden Kursabfall gerieten die häufig neuen, unerfahrenen
Kleinanleger in Panik und verkauften „um jeden Preis“, um ihre Verluste in Grenzen zu
halten. Der Kursverfall verwandelte sich in einen Kurssturz.
Viele Kleinanleger gingen davon aus, dass sich die Kurse wieder erholen würden, verpassten
den richtigen Ausstiegszeitpunkt und verloren so ihr Vermögen.
Folgen
Die noch Jahre zuvor teuer zugekauften Tochterunternehmen waren meist Sanierungsfälle
und daher in der Krise unverkäuflich, so dass nur der Gang in die Insolvenz übrig blieb.
Einige Unternehmen hatten nach dem Börsengang durch unüberlegte Aufkäufe ihre gesamte
Liquidität verloren und wurden nun teilweise selbst zu Insolvenzkandidaten. Bei einigen
Unternehmen fiel der Kurs tiefer als der Buchwert und bewirkte eine massive Unterbewertung
der entsprechenden Aktien. Die Folge war, dass einige Unternehmen mit dem Ziel der
Liquidierung aufgekauft wurden, um wenigstens die Buchwerte (z. B. Bürogebäude und
Patente) noch gewinnbringend verkaufen zu können. Der IT-Arbeitsmarkt, der aufgrund von
Fachkräftemangel im Jahr 1999 sogar noch IT-Fachkräfte aus Indien angeworben hatte,
musste sich binnen eines Jahres mit der Arbeitslosigkeit vertraut machen.
Das Vertrauen der Anleger in die Werte der IT-Branche blieb auf Jahre hinaus gestört. Bis in
die Jahre 2004/2005 hinein waren viele Unternehmen unterbewertet. Der Stellenabbau setzte
sich fort, auch als in der IT-Branche wieder Anzeichen einer Erholung erkennbar wurden.
Überlebt haben den Börsenkrach insbesondere große Unternehmen die vormals feine
Granularität und die daraus resultierende Vielfalt des Marktes ist jedoch nahezu
42
verschwunden. Die entlassenen Mitarbeiter hatten es oft schwer, eine neue Anstellung zu
finden, da es sich bei ihnen aufgrund des Arbeitskräftemangels in der Boom-Phase häufig um
Quereinsteiger aus anderen Branchen gehandelt hatte.
Die Zentralbank der Vereinigten Staaten (Fed) reagierte auf den Absturz mit einer
Niedrigzinspolitik um die US-Konjunktur zu stimulieren (→ Konjunkturpolitik). Dies
begünstigte im Zusammenhang mit Spekulationen eine erneute Preisblase, diesmal am
Immobilienmarkt (→Immobilienblase), deren Platzen als der unmittelbare Anlass für die
2007 offen ausbrechende Finanz- und Bankenkrise gilt. Der US-Zentralbankchef Ben
Bernanke erklärt das weltweit niedrige Zinsniveau mit den damit verbundenen steigenden
Vermögenspreisen, etwa zuletzt auf dem Immobilienmarkt, mit einem Überangebot an
Ersparnissen („saving glut“ oder Sparschwemme). Während Schwellenländer versuchten
Devisenreserven anzusparen, hätte es in den reifen Industrieländern wegen der bereits
erreichten hohen Kapitalintensität einen Mangel an heimischen Investitionsmöglichkeiten
gegeben. Die Weltersparnis strömte insbesondere in die USA, aber auch in Länder wie
Spanien, drückte dort das Zinsniveau und steigerte die Immobilienpreise.
Finanzkrise ab 2007
Die Finanzkrise ab 2007 ist eine Banken-, Finanz- und Wirtschaftskrise, die im Frühjahr 2007
mit der US-Immobilienkrise (auch Subprimekrise) begann. Die Krise war unter anderem Folge
eines spekulativ aufgeblähten Wirtschaftswachstums in den USA und einer weltweiten
kreditfinanzierten Massenspekulation. Die Krise äußerte sich weltweit zunächst in Verlusten
und Insolvenzen bei Unternehmen der Finanzbranche. Ihren vorläufigen Höhepunkt hatte die
Krise im Zusammenbruch der US-amerikanischen Großbank Lehman Brothers im September
2008. Die Finanzkrise zwang mehrere Staaten, große Finanzdienstleister (darunter unter
anderem AIG, Fannie Mae, Freddie Mac, UBS und die Commerzbank) durch staatliche
Fremd- und Eigenkapitalspritzen am Leben zu erhalten.
Die Krise übertrug sich in der Folge in Produktionssenkungen und
Unternehmenszusammenbrüchen auf die Realwirtschaft. Viele Unternehmen, wie der
Autohersteller General Motors, meldeten Konkurs an und entließen Mitarbeiter. Die ohnehin
hohe Staatsverschuldung vieler Staaten stieg krisenbedingt stark an. Mehrere Länder der
Eurozone konnten ihre Zahlungsfähigkeit nur durch internationale Hilfskredite
aufrechterhalten (Euro-Krise 2010).
Im April 2009 schätzte der Internationale Währungsfonds (IWF) die weltweiten
Wertpapierverluste infolge der Krise auf vier Billionen US-Dollar. Eine Studie der Deutsche
Bank Research bezifferte die krisenbedingte Minderung des Welt-BIPs auf vier Billionen US-
Dollar.
Niedrige Zinssätze nach dem Ende der Dotcom-Blase
Der Krise ging weltweit ein längerer Zeitraum vergleichsweise niedriger realer und nominaler
Zinssätze voraus. Die US-Notenbank Fed reagierte auf den Absturz der US-Börse nach der
geplatzten Dotcom-Blase der New Economy mit einer Niedrigzinspolitik, um die US-
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Konjunktur zu stimulieren (→Konjunkturpolitik). Dies sorgte für eine erneute Preisblase,
diesmal am Immobilienmarkt (→Immobilienblase), deren Platzen als der unmittelbare Anlass
für die 2007 offen ausbrechende Finanz- und Bankenkrise gilt.
Weltweit reichliche Ersparnisse suchten nach Rendite auf den Finanzmärkten und führten zu
einer (aus heutiger Sicht) Unterschätzung der mit Krediten verbundenen Risiken („saving
glut“ oder Sparschwemme). Im Juni 2003 wurde die Federal Funds Rate auf 1 % abgesenkt.
Dazu kommt, dass das Außenhandelsdefizit der USA durch Kapital finanziert wurde, das auf
dem US-Kapitalmarkt angelegt wurde, was die Zinssätze in den USA niedrig hielt. So legte
China seine Erlöse aus seinem Exportüberschuss in den USA in Staatspapieren an, was die
Effektivverzinsung von Staatspapieren drückte. Ein Anlagenotstand in Form von „relativ
spärlicher werdenden Realinvestitionen“ trieb ebenfalls die Kurse nach oben und die
Effektivverzinsung nach unten.
Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) stellt in ihrem Jahresbericht vom Juni
2008 fest, dass die Zentralbanken in den fortgeschrittenen Ländern angesichts ungewöhnlich
niedriger Inflationsraten sehr lange die Leitzinsen niedrig hielten. Diese Politik niedriger
Zinsen wurde in den USA auch damit begründet, dass eine Deflation die inzwischen hoch
verschuldeten Haushalte und Unternehmen stark belasten würde. Vor dem Hintergrund der
aktuellen Finanzkrise schreibt dazu die BIZ: „Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Abbau der
Kreditblase nach einer vorübergehend höheren Inflation in eine Deflation mündet, die
insbesondere angesichts des hohen nominalen Ausgangsniveaus an Schulden schwer zu
bewältigen sein könnte. Aufgrund derartiger Überlegungen machen sich nicht zuletzt in den
USA manche für einen besonders energischen Einsatz der geldpolitischen Lockerung als
‚Versicherung‘ gegen eine solche wenig wahrscheinliche, aber sehr kostspielige Entwicklung
stark.“
Die niedrigen Zinsen hätten nicht zu einer Abwertung der Währungen dieser fortgeschrittenen
Länder geführt, weil die „aufstrebenden Volkswirtschaften“ gegen eine Aufwertung ihrer
Währungen intervenierten (Bretton-Woods-II-Regime). China kaufte 2007 460 Mrd. Dollar.
Die Währungsreserven Chinas und des Industriestaats Japan, der eine vergleichbare Strategie
verfolgte, stiegen somit auf jeweils mindestens 1 Bio. US-Dollar. Um seinen Export zu
fördern, hält Japan den Leitzins seit Jahren sehr niedrig, was den Kurs der japanischen
Währung niedrig hält. Investoren nutzen dies, um in Japan billige Kredite aufzunehmen und
damit in anderen Wirtschaftsräumen Vermögenswerte aufzukaufen. Insgesamt hat dies
zusammen mit Finanzmarktinnovationen zu den hohen Vermögenspreisen geführt. Hohe
Vermögenspreise entsprechen einer niedrigen Effektivverzinsung, die langfristigen Zinssätze
blieben niedrig. Als Mitte 2004 die US-Konjunktur so gefestigt war, dass die US-Zentralbank
daran ging, den Leitzins anzuheben, führte dies aus diesen Gründen nicht, wie beabsichtigt,
auch zu einem Anstieg der langfristigen Zinssätze, so dass sich die Immobilienhausse
fortsetzte.
Ausweitung der Kreditvergabe an Schuldner mit mäßiger Bonität
Verbriefung von US-Hypothekenkrediten
Um das notwendige Kapital für neue Kredite zu beschaffen, wurden Kreditforderungen in
großem Stil verbrieft. Hierbei gaben die Kredit gebenden Banken die Zahlungsansprüche aus
den Hypothekenkrediten zusammen mit deren Kreditrisiken an Investoren andere Banken,
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Versicherungen, Hedgefonds, Vermögensverwalter weltweit weiter. Dies geschah, indem
die Ansprüche und Risiken aus ganzen Portfolien von Hypothekenkrediten in
Zweckgesellschaften (auch Special Purpose Vehicle, Conduit) eingebracht wurden und dann
als Mortgage Backed Securities (MBS), einer Form von forderungsbesichertem Wertpapier,
an die Investoren weitergegeben wurden. Um die MBS bei Investoren platzieren zu können,
wurden diese Papiere von Ratingagenturen bezüglich ihrer Bonität beurteilt. Die
normalerweise von den verbriefenden Banken beauftragten Agenturen arbeiteten dabei eng
mit diesen zusammen mit dem Ziel, so die Verbriefung zu strukturieren und damit möglichst
große Tranchen mit gutem Rating zu erhalten (siehe auch Credit Enhancement).
Für die Investition in eine Verbriefung mussten Finanzinstitutionen, die bankaufsichtlichen
Eigenkapitalregeln unterliegen, weniger Eigenkapital halten als bei einer direkten
Kreditvergabe. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen
Entwicklung beschreibt dies so, dass über die Auslagerung dieser Geschäfte aus den
Bankbilanzen mit Hilfe der als „Schattenbanken“ bezeichneten Zweckgesellschaften
bankaufsichtsrechtliche Regeln zur Risikostreuung und zur Absicherung durch Eigenkapital
umgangen werden konnten.
Verbriefungen zweiter Stufe der Subprime-Kredite
In einem weiteren Schritt wurden die so gebildeten MBS-Tranchen wiederum in
Zweckgesellschaften eingebracht und erneut verbrieft (Collateralized Debt Obligation (CDO)
Verbriefungen zweiter Stufe) und die entstehenden Tranchen bewertet. Ein diversifiziertes
Portfolio bspw. aus verschiedenen MBS-Tranchen mit einer eher schlechten Bewertung
("Rating") von „BBB“ konnte in Form einer Collateralized Debt Obligation (CDO)
wiederverbrieft werden, wobei die höchstrangige Tranche der CDO eine erstklassige
Bewertung von „AAA“ erhielt. Insbesondere für europäische Banken waren Verbriefungen
zweiter Stufe ein Mittel, am provisionsträchtigen Verbriefungsgeschäft teilzuhaben. Diese
Banken hatten keinen guten Zugang zu amerikanischen Hypothekenkrediten. Deshalb griffen
sie auf MBS zurück, um diese zu Paketen zu bündeln und in zweiter Stufe
wiederzuverbriefen. Außerdem wurden Programme aufgelegt, bei denen die in die
Zweckgesellschaften eingebrachten Aktiva mit kürzerer Frist rollierend refinanziert wurden
(über die Emission kurzfristiger Asset Backed Commercial Paper ABCP). Über ABCP
konnten auch Mittel der Investoren mobilisiert werden, die ihr Kapital nur kurzfristig zur
Verfügung stellen konnten oder wollten, wie zum Beispiel Geldmarktfonds. Da diese
Fristentransformation die Gefahr barg, bei Fälligkeit der Emission keine
Anschlussrefinanzierung zu erhalten (Liquiditätsrisiko), mussten Banken Garantien in Form
von Liquiditätslinien bereitstellen, die die ABCP-Investoren bei Fälligkeit ihrer Papiere vor
Verlusten schützten und die für die Garantiegeber zunächst eine Ertragsquelle darstellten (vgl.
IKB Deutsche Industriebank, SachsenLB). Diese Garantien wurden normalerweise rollierend
mit einer Laufzeit von 364 Tagen gestellt, da die bankaufsichtlichen Regeln vor dem
Inkrafttreten von Basel II für solche außerbilanziellen Verpflichtungen mit einer Laufzeit
unter einem Jahr kein Eigenkapital forderten. Es konnten also Erträge generiert werden, ohne
dass bankaufsichtliches Eigenkapital dafür in Anspruch genommen wurde.
Zahlungsausfälle der Subprime-Kredite
Die wirtschaftliche Abschwächung in den USA etwa ab 2005, sinkende Wachstumsraten bei
der Arbeitsproduktivität in den USA und anderen Ländern, in den USA insbesondere in der
Bauwirtschaft, und der spätere Anstieg des US-Leitzinses auf bis zu 5,25 % im Juni 2006
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löste eine Kettenreaktion aus. Einkommensschwache Schuldner konnten die gestiegenen
Raten für ihre variabel verzinslichen Kredite nicht mehr bezahlen und mussten ihr Haus
verkaufen. Wegen der zunehmenden Immobilienverkäufe brachen die Häuserpreise
Höhepunkt war Juli 2006 ein, und durch den fallenden Wert der Immobilien hatten die
Banken und Investoren zunehmend ungesicherte Kreditforderungen. Die Zahlungsunfähigkeit
von Schuldnern bescherte den Banken und den Investoren nun Verluste.
Im Frühjahr 2007 erreichten in den Vereinigten Staaten die Zahlungsausfälle auf Subprime-
Kredite den höchsten Stand der letzten Jahre. Einige Immobilienfonds, die in strukturierte
Finanzprodukte investiert hatten, setzten die Annahme von Fondsanteilen aus, weil sie sonst
in finanzielle Schwierigkeiten geraten wären. Im Juni 2007 teilte Bear Stearns den Kunden
zweier seiner Hedgefonds mit, dass die Einlagen, die Ende 2006 noch mit 1,5 Mrd. US-Dollar
bewertet worden waren, jetzt fast nichts mehr wert seien. Dutzende Baufinanzierer, die sich
gerade auf diese Kredite spezialisiert hatten, mussten Gläubigerschutz beantragen.
Insgesamt schätzte der Internationale Währungsfonds im Oktober 2008 den Wertverfall von
Subprime-Hypotheken auf 500 Mrd. US-Dollar und den von Prime-Hypotheken auf weitere
80 Mrd. Dollar. Der Wissenschaftliche Beirat des Bundesministeriums für Wirtschaft und
Technologie hält diese Summe im Vergleich zur Größe des weltweiten Finanzmarktes für
nicht sehr groß. Auch sei der Wertverlust der hypothekenbesicherten Wertpapiere von
500 Mrd. US-Dollar, so die IWF-Schätzung vom Oktober 2008, deutlich höher, als tatsächlich
an Ausfällen bei den zugrunde liegenden Hypotheken zu erwarten sei. Der hohe Preisverfall
der hypothekenbesicherten Wertpapiere sei daher gekommen, dass Käufer diese Papiere aus
Vorsicht auch zu niedrigeren Preisen nicht mehr kaufen wollten. Zu dieser Vorsicht trug die
Komplexität und Intransparenz dieser Wertpapiere bei sowie die Tatsache, dass viele Papiere
außerbörslich gehandelt wurden, so dass eine Marktpreisbildung und damit eine Bewertung
der Papiere überhaupt schwierig war.
Die Wertverluste gingen dann unmittelbar in die Bankbilanzen ein und minderten das
Eigenkapital der Banken. Um den Regulierungsanforderungen bzgl. Eigenkapitalreserven
genügen zu können oder um überhaupt das Verhältnis von Eigenkapital zu Forderungen stabil
zu halten, waren die Banken gezwungen, entweder neues Eigenkapital zu beschaffen oder
andere Vermögenswerte zu verkaufen, was deren Preise senkte. Dieses Deleveraging die
Banken mussten bei Wertverlusten von Forderungen ein Vielfaches an Vermögenswerten
abstoßen, um das alte Verhältnis von Eigenkapital zu Forderungsvolumen wieder herzustellen
führte zur „Implosion des Finanzsystems seit August 2007“.
Vertrauenskrise des Interbankenmarktes
Unter den Investoren waren nicht nur risikobereite Hedgefonds, sondern auch eher
konservative Investmentfonds vertreten. Da aber insbesondere Hedgefonds stark in die stärker
risikobehafteten Wertpapiertranchen investiert hatten, kam es bei diesen zu Verlusten, die
teilweise zur Schließung und Abwicklung der Hedgefonds führten. Aber auch
Investmentbanken waren betroffen.
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Die Schließung von Hedgefonds und die Verluste bei den Investmentbanken führten zu einer
Abnahme der Risikobereitschaft der Anleger. Diese zogen daraufhin in kurzer Zeit erhebliche
Beträge aus dem Kapitalmarkt ab oder hielten sich mit neuen Investitionen in risikoreiche
Anlagen zurück. Die abnehmende Risikobereitschaft der Investoren brachte die
Refinanzierung der von Banken gegründeten Zweckgesellschaften zum Stillstand.
Der Auslöser für die Krise war, dass im Juli und August 2007 die Inhaber der Commercial
Papers nicht mehr bereit waren, diese nach Fälligkeit erneut zu erwerben. Die kurzfristigen
Kredite wurden nicht weiter verlängert. Dadurch gerieten die Zweckgesellschaften unter
Druck. Sie konnten aber auch die strukturierten Wertpapiere nicht mehr verkaufen, da sich
dafür auch keine Käufer mehr fanden. Deshalb mussten die Zweckgesellschaften jetzt auf die
Kreditzusagen der Banken zurückgreifen.
Dies trug zur Vertrauenskrise zwischen den Banken bei, die sich am Geldmarkt durch einen
Anstieg der Geldmarktzinsen widerspiegelte. Am 9. August 2007 dieser Tag gilt inzwischen
als der Beginn der eigentlichen Finanzkrise stiegen die Aufschläge für Interbankkredite im
Vergleich zum Zentralbankleitzins weltweit, vor allem in den USA, sprunghaft an. Mit der
Insolvenz von Lehman Brothers am 15. September 2008, nachdem eine staatliche Rettung
ausgeblieben war, kam der Interbankenmarkt weltweit zum Erliegen. Kurzfristig
überschüssige Liquidität wurde nicht mehr bei anderen Banken, sondern unter
Inanspruchnahme der Einlagefazilität bei den Zentralbanken angelegt.
Auswirkungen auf die Realwirtschaft
Der IWF schätzte im April 2009 die Gesamtverluste auf 4,054 Billionen US-Dollar
(3093 Mrd. Euro). Davon liegen die Verluste bei „giftigen“ US-Papieren bei etwa
2,7 Bill. US$, die Verluste aus europäischen Papieren werden mit etwa 1,2 Bill. US$
beziffert, die japanischen Papiere mit 150 Mrd. US$. Im August 2009 erhöhte der IWF seine
Kalkulationen auf 11,9 Billionen US-Dollar, was fast einer Verdreifachung entspricht.
Im Verlauf des Jahres 2008 hat sich die Finanzkrise zunehmend auf die Realwirtschaft
ausgewirkt. Effekte waren zunächst in den USA, dann in Westeuropa und in Japan sowie seit
Herbst 2008 auf der ganzen Welt zu erkennen. In Folge verzeichneten die Aktienkurse
weltweit ab Oktober 2008 nach einem ersten Einbruch aufgrund der Finanzkrise einen
zweiten starken Rückgang aus Angst vor Auswirkungen auf die Realwirtschaft. Auch auf den
Rohstoffmärkten kam es vor allem ab Beginn des vierten Quartals 2008 zu starken
Preisrückgängen. Die meisten Automobilhersteller in den Industrieländern haben Ende
Oktober/Anfang November deutliche Produktionskürzungen angekündigt, um auf
Absatzeinbrüche in zweistelliger Größenordnung zu reagieren. Nach Erkenntnissen des
Statistischen Bundesamtes befindet sich Deutschland nach zwei Quartalen mit negativen
Wachstumsraten gegenüber den entsprechenden Vorjahresquartalen seit Oktober 2008 in
einer Rezession. Nach Statistiken von Eurostat ging die Industrieproduktion in der Eurozone
von ihrem Höhepunkt im Frühjahr 2008 bis zum Frühjahr 2009 um mehr als 20 % zurück.
Der Rückgang der Industrieproduktion ist damit mehrfach stärker als im ersten Jahr der
Weltwirtschaftskrise 1930 in Deutschland und den USA.
Auch hatte die Finanzkrise deutliche Auswirkungen auf die Prognosefähigkeit von
Unternehmen. Aufgrund der Unvorhersehbarkeit der Märkte hatten viele börsennotierte
Unternehmen Schwierigkeiten, die für Ihre Geschäftsberichte im Lagebericht nach § 289
HGB erforderlichen Prognosen für das kommende Geschäftsjahr zu formulieren. Die
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Unternehmen mussten hier eine Gratwanderung vollziehen. Auf der einen Seite musste eine
Prognose abgegeben werden, um die Anleger entsprechend den rechtlichen Vorschriften zu
informieren, auf der anderen Seiten waren quantitative Ziele schwierig zu beziffern. Der
Trend ging damit hin zu Prognosen, die auf verschiedenen Szenarien beruhten sowie
vorwiegend von qualitativer Beschaffenheit waren. Unternehmen, die auch weiterhin
quantitative Daten in ihren Prognosen kommunizierten, wurde vom Kapitalmarkt die Angabe
von größeren Spannen von bis zu 20% zugestanden.
Zunahme der Risikoaufschläge bei Staatsanleihen
Hauptartikel: Euro-Krise 2010 und Europäischer Stabilisierungsmechanismus
Im Verlauf der Krise kam es zu einer Zunahme der Risikoaufschläge verschiedener
europäischer Staaten (in der Folge als PIGS-Staaten bezeichnet) gegenüber deutschen
Bundesanleihen. Um insbesondere einen Staatsbankrott Griechenlands infolge der
griechischen Finanzkrise 2009/10 abzuwenden, einigten sich die Staats- und Regierungschefs
der Euroländer Anfang Mai 2010 auf ein Maßnahmenpaket.
Im Rahmen des Europäischen Stabilisierungsmechanismus wurde ein gemeinsames
Kreditpaket von EU, Euroländern und IWF mit der Gesamtsumme von 750 Milliarden Euro
beschlossen. Die Europäische Zentralbank kündigte zudem an, im Notfall Staatsanleihen der
Euro-Länder aufzukaufen
Seit Dezember 2007 stellt die Europäische Zentralbank (EZB) in Absprache mit der US-
amerikanischen Federal Reserve den Banken US-Dollar zur Verfügung und nimmt dafür auf
Euro lautende Wertpapiere als Sicherheit an, um die Lage auf dem Geldmarkt zu entspannen.
Die EZB übernimmt insoweit Wechselkursrisiken der privaten Banken.
Am 18. September 2008 haben die Zentralbanken weltweit konzertiert mehr als
180 Milliarden US-Dollar angeboten, um Spannungen auf dem Geldmarkt zu lindern. Bei der
Europäischen Zentralbank konnten die Banken am Donnerstag, 18. September 2008, bis zu
40 Milliarden US-Dollar für einen Tag aufnehmen, hinzu kommt ein Euro-Schnelltender mit
einem offen gelassenen Volumen. Die Bank of Japan bietet erstmals US-Dollar an.
Ab Oktober 2008 senkten in einer konzertierten Aktion sieben der führenden Notenbanken
darunter die Federal Reserve (Fed), die Europäische Zentralbank (EZB), die Bank of England
(BoE) und die Schweizerische Nationalbank (SNB), weltweit die Leitzinsen. Seither
erfolgten weitere Zinssenkungen, die die Leitzinsen auf ein seit Jahrzehnten nicht mehr
erreichtes niedriges Niveau, teilweise den historischen Tiefstand gebracht haben.
Am 6. April 2009 stellte die EZB der Fed eine Swap-Linie in Höhe von 80 Mrd. US-Dollar in
Euro bereit, die britische Notenbank gewährt 60 Mrd. Pfund, die Schweizer Notenbank stellt
40 Mrd. Franken und die japanische Zentralbank 10 Bio. Yen zur Verfügung. US-
amerikanische Kreditinstitute können so zukünftig über die Fed auf Kredite in
Auslandswährungen zurückgreifen. Die Maßnahme der Notenbanken ergänzt die Maßnahmen
vom 18. September 2008 in umgekehrter Richtung. Damals hatte die Fed ausländischen
Notenbanken Swaplinien von insgesamt 300 Mrd. US-Dollar eingeräumt.
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Konjunkturprogramme
In vielen Ländern wurden im Rahmen der Finanzkrise umfangreiche Konjunkturprogramme
und Finanzmarktstabilisierungsgesetze aufgelegt. In den USA sind es der Economic Stimulus
Act of 2008 (Umfang des ESA: 150 Milliarden US-Dollar), der Emergency Economic
Stabilization Act of 2008 (Umfang des EESA: 700 Mrd. US-Dollar) und der American
Recovery and Reinvestment Act of 2009 (Umfang des ARRA: 787 Mrd. US-Dollar). In
Deutschland sind es das Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Umfang des FMStG: 400 Mrd.
Euro), das Maßnahmenpaket „Beschäftigungssicherung durch Wachstumsstärkung“ (Umfang
des Konjunkturpaketes I: 50 Mrd. Euro) und das Konjunkturprogramm „Entschlossen in der
Krise, stark für den nächsten Aufschwung“ (Umfang des Konjunkturpaketes II: 14 Mrd.
Euro). Zur Stabilisierung der Beschäftigung wurden insbesondere die Möglichkeiten zur
Kurzarbeit ausgeweitet. In Österreich wurden die Konjunkturpakete I und II und die
Steuerreform 2009 (insgesamt knapp 12 Mrd. Euro) eingeführt.
Weltweit beträgt laut einer Studie von Deutsche Bank Research das gesamte, auf mehrere
Jahre verteilte Volumen der Konjunkturprogramme etwa 2000 Mrd. US-Dollar. Ohne die
Programme wäre laut DB Research der Rückgang an Bruttoinlandsprodukt erheblich stärker
gewesen. Die krisenbedingte Minderung des BIPs beziffert die Studie mit „4000 Mrd.“ US-
Dollar. Schließlich kann der Bankensektor nur langsam saniert werden.
Hilfen für Banken
Im Rahmen der Krise wurden in den USA und Europa (temporäre) Notverstaatlichungen
durchgeführt und sogenannte Bad-Bank-Konzepte (Abwicklungsbanken) eingeführt. In
Deutschland wurde mit dem Finanzmarktstabilisierungsfortentwicklungsgesetz im Jahr 2009
die Möglichkeit geschaffen, dezentral für einzelne Kreditinstitute eine Bad Bank einzurichten.
Diese soll problembehaftete strukturierte Wertpapiere aufnehmen oder auch ganze defizitäre
Geschäftsbereiche sanierungsbedürftiger Banken abwickeln. Stützungsmaßnahmen zugunsten
von Finanzinstitutionen erhöhten den staatlichen Bruttoschuldenstand 2008 und 2009
insgesamt um 98 Mrd. Euro. Da es sich überwiegend um Kredite handelt, stehen dem
entsprechende Forderungen an die Finanzinstitutionen gegenüber.
Seit Oktober 2008 werden Bankschuldverschreibungen weltweit zunehmend vom Staat
garantiert. Bis zum Oktober 2009 hat das Volumen staatsgarantierter
Bankschuldverschreibungen rund 800 Mrd. US-Dollar erreicht. Über 450 Mrd. US-Dollar
entfallen auf Westeuropa, der Rest zum großen Teil auf die USA.
Nach Joaquín Almunia, Vizepräsident der EU-Kommission, erhielten die Banken von
Oktober 2008 bis März 2010 etwa 4 Bio. Euro Staatshilfen, davon drei Viertel in der Form
von staatlichen Garantien. Die Banken nahmen von den Staatsgarantien tatsächlich 994 Mrd.
Euro in Anspruch.
Reformvorschläge der G-20-Staaten
Gipfeltreffen im November 2008
Unter dem akuten Eindruck der Finanzkrise fand vom 14. bis 16. November 2008 ein Treffen
auf Ebene der Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten (zuzüglich Niederlande und
Spanien) in Washington statt, um die Grundlagen einer Reform der internationalen
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Finanzmärkte zu beraten und umzusetzen. Dieses hochrangige Treffen wurde in der
deutschsprachigen Presse auch Weltfinanzgipfel genannt. Ziel war die Vereinbarung von
internationalen Regelungen, um die Wiederholung einer Finanzkrise zu vermeiden. Ein
Katalog mit knapp 50 Einzelmaßnahmen wurde verabschiedet. 28 dieser Einzelvorschläge
sollten bis 31. März 2009 umgesetzt werden, die weiteren Punkte mittelfristig. Die
Teilnehmer gaben Tendenzen zum Protektionismus eine klare Absage, sie bekannten sich
ausdrücklich zu den Prinzipien eines freien Marktes und eines offenen Handels. Zudem
wurden eine effektivere Regulierung der Finanzmärkte gefordert. Unter anderem wurden
folgende Maßnahmen vereinbart:
eine größere Überwachung der Ratingagenturen,
eine stärkere Reglementierung von spekulativen Hedgefonds sowie anderer bislang
unregulierter Finanzprodukte,
Festlegung von Bewertungsmaßstäben für komplexe Finanzprodukte,
Erhöhung der Eigenkapitalpuffer von Finanzinstitutionen,
Harmonisierung und Überarbeitung von Bilanzierungsregeln,
Orientierung der Anreizsysteme von Managern an mittelfristigen Zielen,
Schutz vor unfairem Wettbewerb durch Steueroasen,
Stärkung des Internationalen Währungsfonds,
ein besserer Schutz der Verbraucher durch transparentere Informationen.
Jedes Teilnehmerland verpflichtet sich, die Maßnahmen in nationales Recht umzusetzen.
Nachfolgende Gipfeltreffen
Eine Folgekonferenz fand am 1./2. April 2009 in London statt. Neben der Konkretisierung
verschiedener Punkte des ersten Treffens wurden ergänzend Maßnahmen zur
Konjunkturbelebung verabschiedet:
Die G20-Länder beschlossen ein Programm von 1,1 Billionen US-Dollar zur Belebung
der Weltkonjunktur, insbesondere des Welthandels sowie zur Verbesserung der
Situation in den Entwicklungsländern. Im Einzelnen:
o Die Mittel für den IWF sollen auf 750 Mrd. US-Dollar erhöht werden.
o An neuen Sonderziehungsrechten sollen 250 Mrd. US-Dollar zugeteilt werden.
o Über Multilaterale Entwicklungsbanken sollen zusätzlich mindestens 100 Mrd.
US-Dollar gewährt werden.
Bis Ende 2010 soll eine fiskalpolitische Ausweitung von 5 Bio. US-Dollar erfolgen,
welche der Weltproduktion laut G20 einen Impuls von 4 % erteilen wird
Zur Bekämpfung von Steueroasen und Geldwäsche hat die OECD eine schwarze Liste
(Costa Rica, Malaysia, Philippinen, Uruguay) sowie eine graue Länderliste
veröffentlicht.
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EURIBOR PANEL BANKEN
Austria:
Erste Bank der Österreichischen Spaarkassen
RZB - Raiffeisen Zentralbank Österreich AG
Belgium:
Dexia Bank
KBC
Finland:
Nordea
France:
BNP - Paribas
Crédit Agricole s.a.
Crédit Industriel et Commercial CIC
HSBC France
Natixis
Société Générale
Germany:
Landesbank Berlin
Bayerische Landesbank Girozentrale
Commerzbank
Deutsche Bank
DZ Bank Deutsche Genossenschaftsbank
Landesbank Baden-Württemberg Girozentrale
Landesbank Hessen - Thüringen Girozentrale
Norddeutsche Landesbank Girozentrale
WestLB AG
Greece:
National Bank of Greece
Ireland:
AIB Group
Bank of Ireland
Italy:
Intesa Sanpaolo
Monte dei Paschi di Siena
Unicredit
Luxembourg:
Banque et Caisse d'Épargne de l'État
Netherlands:
ING Bank
Rabobank
RBS N.V.
Portugal:
Caixa Geral De Depósitos (CGD)
Spain:
Banco Bilbao Vizcaya Argentaria
Banco Santander Central Hispano
Confederacion Española de Cajas de Ahorros
La Caixa Barcelona
Other EU Banks:
Barclays Capital
Den Danske Bank
Svenska Handelsbanken
International Banks:
Bank of Tokyo - Mitsubishi
Citibank
J.P. Morgan Chase & Co.
UBS (Luxembourg) S.A.
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Euribor steht für (Euro Interbank Offered Rate. Euribor bezeichnet den durchschnittlichen
Zinssatz, zu dem 57 europäische Banken (die sogenannten Panel-Banken) einander Anleihen
in Euro gewähren. Bei der Festsetzung der Euribor-Werte werden die höchsten und
niedrigsten 15% der gemeldeten Werte nicht berücksichtigt. An jedem Arbeitstag um 11:00
Uhr Central European Time werden die Euribor-Werte festgesetzt und allen teilnehmenden
Partnern und der internationalen Presse mitgeteilt.
Spricht man über Euribor, so ist oft die Rede von einem Euribor-Zinssatz, als ob es nur einen
derartigen Wert gibt. Dies trifft jedoch nicht zu, es existieren 15 verschiedene Euribor-
Zinssätze mit je unterschiedlichen Laufzeiten. So gibt es einen Euribor für 1,2 oder 3 Wochen
sowie den Euribor für 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11 und 12 Monate.
Wer legt den Euribor fest?
Die Höhe der Euribor-Zinssätze bestimmt sich in erster Linie natürlich durch Angebot und
Nachfrage. Es handelt sich um Marktzinsen, die von einer großen Anzahl europäischer
Banken festgesetzt werden. Dabei gibt es jedoch eine Reihe externer Faktoren, die die Höhe
der Euribor-Zinssätze stark beeinflussen. Dazu gehören wirtschaftliche Umstände wie etwa
das Wirtschaftswachstum, die Höhe der Inflation, die Kreditwürdigkeit und das gegenseitige
Vertrauen der Banken sowie das Vertrauen der Verbraucher.
Warum wird der Euribor so stark beachtet?
Der Euribor ist die Grundlage für zahlreiche (abgeleiteten) Zinsprodukte wie Geldmarkt-
Futures, Swaps sowie außerbörsliche Zinstermingeschäfte (Forward rate agreements). Der
Euribor dient oft als Referenzwert bei Hypotheken und Sparkonten (siehe dazu Sparen und
Euribor). Es gibt sogar Hypotheken, deren Zinsen aus dem Euribor-Wert plus einem festen
Zuschlag bestehen.
Welche europäischen Banken sind im Panel vertreten?
Das Panel von Banken zur Festsetzung der Euribor-Zinssätzen besteht ausschließlich aus
Banken mit erstklassiger Kreditwürdigkeit (Rating). Die Banken, die Angaben zur Euribor-
Festlegung weiterleiten, werden von einem Beratungsausschuss der Europäischen
Bankenvereinigung ausgewählt.
Sparzinsen und Euribor
Die Höhe der Euribor-Zinssätze und die angebotenen Sparzinsen hängen in starkem Maße
zusammen. Dafür gibt es zwei Gründe: zunächst haben die Panel-Banken (siehe dazu Was ist
Euribor) die Wahl, ob sie von anderen Banken (zum Euribor-Zinssatz) oder von Sparern Geld
leihen. Die Sparzinsen, die den Sparern geboten werden, sind oft niedriger als Euribor. Der
Unterschied macht dann die Gewinnspanne für die Bank aus. Sinkt der Euribor, sinken auch
die Gewinnspannen für die Bank. Deshalb entscheiden sich die Banken oft dafür, bei einem
Rückgang der Euribor-Zinssätze auch ihre Sparzinsen zu senken und umgekehrt. Dies
geschieht jedoch oft mit einer gewissen Verzögerung: die Sparzinsen bei vielen Banken
werden erst bei etwas größeren Änderungen auf dem Rentenmarkt angepasst.
Der Euribor hat sich als guter Indikator für die Veränderung bei den Sparzinsen erwiesen.
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LIBOR (bbalibor) ist der durchschnittliche Interbankenzinssatz, zu dem eine ausgewählte
Gruppe von Banken auf dem Londoner Geldmarkt bereit ist, einander Kredite zu gewähren.
Den LIBOR gibt es in 15 Laufzeiten (Overnight bis 12 Monate) und in 10 verschiedenen
Währungen. Die offiziellen LIBOR Zinssätze werden an jedem Arbeitstag gegen 11.45 Uhr
(London Time) von der British Bankers’ Association (BBA) veröffentlicht.
Der LIBOR wird sowohl von professionellen Parteien als auch von Privatpersonen genau
beobachtet, da der LIBOR Zinssatz von Banken und anderen Finanzinstituten als Basiszins
(Benchmark) betrachtet wird. Senkungen und Anhebungen der LIBOR Zinssätze können sich
auf die Zinshöhen von allerlei Bankprodukten, wie zum Beispiel Sparkonten, Hypotheken und
Krediten auswirken.
EZB-Leitzins
Der EZB-Leitzins ist der sogenannte Hauptrefinanzierungssatz. Diesen Leitzins müssen die
Banken zahlen, wenn sie von der EZB Geld leihen. Banken nutzen diese Möglichkeit, wenn
Liquiditätsmangel herrscht. Interbankzinssätze wie der Euribor reagieren sehr stark auf
Änderungen des Hauptrefinanzierungssatzes. Dadurch stellt der EZB-Leitzins ein gutes Mittel
dar, die Höhe des Marktzinssatzes zu beeinflussen.
Deutsche Bundesanleihen sind verzinsliche Wertpapiere, die von der Bundesrepublik
Deutschland als Staatsanleihen herausgegeben werden. Neben der Kreditaufnahme bei
Banken sind Bundesanleihen und andere Bundeswertpapiere ein Weg, über den der Bund sein
Haushaltsdefizit finanziert.
Eine Bundesanleihe hat bei Emission eine Laufzeit von 10 bis 30 Jahren. Zurzeit gibt es
Überlegungen, auch 50-jährige Laufzeiten zu emittieren wie zum Beispiel in Frankreich. Bei
Bundesobligationen (Bobl) ist die Laufzeit deutlich kürzer, in der Regel fünf Jahre.
Bundesanleihen sind mit einem festen jährlichen Zinssatz (Kupon) ausgestattet. Die Währung
ist in der Regel der Euro, die Börsennotierung erfolgt wie bei allen verzinslichen
Wertpapieren in Prozent des Nominalwertes (Nennwert). Inzwischen wurden auch
Bundesanleihen aufgelegt, deren Zins und Nominalwert an die Inflationsrate in Deutschland
gekoppelt sind (Inflation-Linked Bond) sowie im Jahr 2005 eine Bundesanleihe in
Fremdwährung, deren Zins- und Rückzahlung in US-Dollar erfolgt.
Seit dem 4. Juli 1997 können bestimmte Bundesanleihen auch gestrippt werden, das heißt die
Zinskupons werden von der Anleihe getrennt. Man erhält dann sowohl für den Kapitalteil als
auch für die einzelnen Kupons eine Art Nullkuponanleihe. Damit ein großes Handelsvolumen
erreicht wird, werden Zinskupons unterschiedlicher Anleihen, jedoch gleichem
Fälligkeitstermin unter einer Wertpapierkennummer zusammengefaßt.
Bundesanleihen können in jedem Depot bei einer Bank, Sparkasse oder Kreditgenossenschaft,
sowie kostenlos bei der Deutschen Finanzagentur verwahrt werden.
Die Bundesbank sorgt als Market-Maker für einen liquiden Börsenhandel in Bundesanleihen.
Sie wickelt auch den Verkauf der Bundesanleihen ab, den Anleger über die Deutsche
Finanzagentur beauftragen können, sofern sie dort ein Konto besitzen. Alternativ lassen sich
Bundesanleihen auch über Banken, Sparkassen oder Kreditgenossenschaften an der Börse
verkaufen. An der Börse können sie auch über die drei letztgenannten Institute gekauft
werden. Der Kauf von Bundesanleihen über die Deutsche Finanzagentur ist nicht möglich.
Zur Bestimmung der Umlaufrendite wird eine fiktive Anleihe aus einem Mix von
Bundesanleihen verwendet. Der REX ein Index für die Kursentwicklung von Anleihen
wird ebenfalls börsentäglich anhand von Bundesanleihen berechnet.
Bundesanleihen zählen zu den „mündelsicheren Wertpapieren“.
53
Bundesobligationen (Bobls) sind Schuldverschreibungen und damit verzinsliche Wertpapiere,
die von der Bundesrepublik Deutschland über die Deutsche Finanzagentur als Staatsanleihen
herausgegeben werden. Neben der Kreditaufnahme bei Banken sind Bundesobligationen und
andere Bundeswertpapiere ein Weg, über den der Bund sein Haushaltsdefizit finanziert.
Bundesobligationen sind mit einem festen Nominalzins ausgestattet, der jährlich gezahlt wird,
und haben im Gegensatz zu den länger laufenden Bundesanleihen nur eine Laufzeit von fünf
Jahren. Sie werden seit 1979 emittiert. Die Emission und damit die Einführung in den
Börsenhandel erfolgt in der Regel zweimal (seit 2010 dreimal) pro Jahr im Rahmen einer
Auktion.
Bundesobligationen werden in fortlaufend nummerierten Serien begeben. Die jeweils zuletzt
begebene Serie der Bundesobligation kann von natürlichen Personen, sowie gemeinnützigen,
mildtätigen, kirchlichen Einrichtungen und Wohnungseigentümergemeinschaften
gebührenfrei bei der Deutschen Finanzagentur erworben werden. Über Banken, Sparkassen
und Genossenschaftsbanken ist der Kauf der aktuellen Serie dagegen gebührenpflichtig -
dafür aber auch für juristische Personen möglich. Bei den Kreditinstituten können zudem auch
ältere Serien an der Börse gekauft werden. Der Verkauf von Bundesobligationen ist sowohl
über die Finanzagentur als auch über Kreditinstitute möglich. Da Kauf und Verkauf stets zum
aktuellen Börsenkurs bzw. Einheitspreis erfolgen, lassen sich mit Bundesobligationen neben
den jährlich sicheren Zinserträgen auch Kursgewinne bzw. -verluste erzielen.
Die Wertpapierkennnummer einer Bundesobligation beginnt stets mit 114xxx (xxx steht für
die Seriennummer - Beispiel: Serie 155 hat die WKN 114155).
Der Euro-Bund-Future ist ein Finanzinstrument, das eine Verpflichtung darstellt, eine fiktive
Bundesanleihe zu einem bestimmten künftigen Zeitpunkt (Liefertag) zu einem beim
Abschluss vereinbarten Preis (Nominalwert) zu kaufen. Der Verkäufer hat die Verpflichtung,
diese Anleihe zu verkaufen. Zur Art der möglichen Bundesanleihen und zu Verkaufs-
Zeitpunkten siehe Details unten.
Weil der Bund-Future auf Erwartungen der Marktteilnehmer basiert, ist er ein Indikator für
die zukünftige Entwicklung der (langfristigen) Zinsen. Sinkt der Kurs des Bund-Future, so
steigt wie bei Rentenpapieren die Rendite, bei steigenden Kursen ist die Rendite niedriger.
Entsprechend ist also die Erwartung der Marktteilnehmer, was die Zinsentwicklung
anbelangt: Steigende Kurse drücken die Erwartung sinkender Marktzinsen aus und fallende
Kurse deuten auf steigende Zinsen hin.
Kontraktgegenstand
Ein Euro-Bund-Future ist ein Terminkontrakt auf eine fiktive Schuldverschreibung der
Bundesrepublik Deutschland mit zehnjähriger Laufzeit und einem Kupon von 6 Prozent. Der
Nominalwert eines Kontraktes beträgt EUR 100.000.
Am Liefertag ist der Verkäufer eines Euro-BUND-Future verpflichtet, Schuldverschreibungen
im Nominalwert des Kontraktes zu liefern. Zur Lieferung können Bundesanleihen gewählt
werden, die eine Restlaufzeit von mindestens 8,5 Jahren und höchstens 10,5 Jahren haben.
Die Schuldverschreibungen müssen ein Mindestemissionsvolumen von EUR 5 Mrd.
aufweisen. Der Käufer ist verpflichtet, den Andienungspreis zu zahlen. Der Andienungspreis
berechnet sich aus dem Nominalwert des Kontraktes, multipliziert mit dem Preis des
Kontraktes bei Handelsschluss, multipliziert mit dem Konvertierungsfaktor (s.u.) der
angedienten Schuldverschreibungen, zuzüglich der seit dem letzten Zinstermin aufgelaufenen
beziehungsweise abzüglich der bis zum nächsten Zinstermin anfallenden negativen
Stückzinsen.
54
Der Konvertierungsfaktor ist eine Größe, die für jede tatsächlich existierende Anleihe, durch
die eine Lieferverpflichtung aus dem Verkauf eines Futureskontraktes erfüllt werden kann,
festgelegt wird und die angibt, bei welchem Kurs die Anleihe am Liefertermin notieren
müsste, um die gleiche Rendite zu erzielen, wie die dem Euro-Bund-Future zugrundeliegende
fiktive Anleihe (nämlich 6 %). Daher haben Anleihen mit einem Kupon von weniger als 6 %
einen Konvertierungsfaktor < 1 und Anleihen mit einem Kupon von mehr als 6 % einen
Konvertierungsfaktor >1. Daneben geht eine rechnerische Angleichung der tatsächlichen
Laufzeit an die Laufzeit der fiktiven Anleihe (exakt 10 Jahre zum Fälligkeitstermin des
Futureskontraktes) in die Berechnung ein.
Laufzeit, Handelsschluss
An den Eurex-Börsen stehen Laufzeiten bis zum Liefertag des nächsten, übernächsten und
drittnächsten Liefermonats zur Verfügung; Liefermonate sind die Quartalsmonate März, Juni,
September und Dezember. Die längste Laufzeit beträgt somit neun Monate.
Der letzte Handelstag des Kontraktes ist zwei Börsentage vor dem Liefertag des jeweiligen
Quartalsmonats. Handelsschluss ist 12:30 Uhr MEZ des letzten Handelstages.
Preisabstufungen
Die Preise der Kontrakte werden in Prozenten vom Nominalwert mit zwei Nachkommastellen
ermittelt. Insofern beträgt die kleinste Preisveränderung (Tick) 0,01 Prozentpunkte. Dies
entspricht EUR 10. Beispiel: Kauf eines Kontraktes zu 115,22; Verkauf zu 117,52. Die
Differenz beträgt 2,3 Prozentpunkte und entspricht EUR 2.300.
Erfüllung, Lieferung
Liefertag ist der zehnte Kalendertag des jeweiligen Quartalsmonats, sofern dieser Tag ein
Börsentag ist, andernfalls der nächste danach liegende Börsentag.
Die Schuldverschreibungen, durch welche ein Euro-BUND-Future erfüllt werden kann, sowie
deren Konvertierungsfaktoren werden von der Eurex Clearing AG bestimmt und stehen den
Börsenteilnehmern auf einem Bildschirm zur Verfügung. Der Konvertierungsfaktor passt den
Preis der zur Lieferung möglichen Schuldverschreibungen an den Preis des Kontraktes bei
Handelsschluss an. Die zur Erfüllung geeigneten Schuldverschreibungen müssen zum
Lieferzeitpunkt eine unkündbare Restlaufzeit von 8,5 bis 10,5 Jahren haben.
Lieferungen erfolgen zwischen den Clearing-Mitgliedern und der Eurex Clearing AG. Die
Ausführung von Lieferungen an Nicht-Clearing-Mitglieder und eigene Kunden ist Aufgabe
des zuständigen Clearing-Mitgliedes; die Ausführung von Lieferungen der Nicht-Clearing-
Mitglieder an deren Kunden ist sodann Aufgabe der Nicht-Clearing-Mitglieder.
Börsenteilnehmer dürfen nur ihrem Kundenpositionskonto zugeordnete beziehungsweise von
ihrem Kunden zur Lieferung angezeigte Schuldverschreibungen weiterliefern.
55
BÖRSENCRASHS
Am 7. Februar 1637 kam es zum ersten überlieferten Zusammenbruch einer Börse:
Nachdem viele holländische Anleger anlässlich der großen Tulpenmanie in Erwartung
weiterer Preissteigerungen zu extrem hohen Preisen Tulpenzwiebeln (bzw.
entsprechende Optionsscheine) gekauft hatten, blieben bei der jährlichen
Versteigerung in Alkmaar schließlich die Käufer aus und die Preise fielen um 95
Prozent.
Die Darién-Gesellschaft konnte im Jahr 1700 ihre Anteile nicht mehr einlösen nach
dem Scheitern ihres Kolonialisierungs-Projekts in Panama.
Am 9. Mai 1873 stürzten die Aktienkurse an der Wiener Börse ins Bodenlose
(Gründerkrach). Auch in Deutschland und den Vereinigten Staaten stürzten die
Aktienkurse ab.
Eine Wirtschaftskrise im Jahr 1893, in den Vereinigten Staaten, löste am 5. Mai
erhebliche Kursverluste an der New York Stock Exchange aus, die besonders
Eisenbahnaktien trafen.
Der Schwarze Donnerstag am 24. Oktober 1929 war Hauptursache für die
Weltwirtschaftskrise.
Am 19. Oktober 1987 stürzte der Dow Jones am sogenannten Schwarzen Montag um
über 20 Prozent ab. Die Kurse erholten sich jedoch innerhalb eines Jahres wieder,
nach 15 Monaten hatte der Dow Jones wieder den Stand vor dem Crash.
Im Januar 1990 brach der japanische Leitindex Nikkei um fast die Hälfte ein.
Am 19. August 1991, nach dem Putsch gegen den sowjetischen Präsidenten Michail
Gorbatschow, verliert der DAX über neun Prozent an einem Tag.
Die Terroranschläge am 11. September führten zu einer viertägigen
Handelsunterbrechung. Der DAX verlor an diesem Tag rund 8,5 Prozent. Unmittelbar
nach der Wiedereröffnung fiel der Dow-Jones-Index um gut sieben Prozent[1].
Im Rahmen der Finanzkrise ab 2007 verzeichneten die Börsen in New York, London
und Frankfurt Verluste von jeweils über 20 Prozent. Am 16. Oktober fiel der Nikkei-
Index um 11,4 Prozent und erlebte den zweitgrößten Tagesverlust in der gesamten
Geschichte des Index.
Dead-Cat-Bounce
Dead-Cat-Bounce (dt. Hüpfer einer toten Katze) ist eine Metapher an den Finanzmärkten. Sie
beschreibt die nicht nachhaltige Erholung eines Wertpapierkurses oder Wertpapierindex' nach
einem starken, meist länger andauernden Einbruch. Der Begriff ist abgeleitet von dem
zynischen englischen Sprichwort: “Even a dead cat will bounce if it is dropped from high
enough! (deutsch: „Selbst eine tote Katze wird hüpfen, wenn sie nur hoch genug
fallengelassen wird!“).
Entscheidende Beobachtungen
Es gibt drei hauptsächliche Themen in der Theorie der Behavioral finance and economics
Heuristik: Menschen treffen Entscheidungen häufig auf Grundlage einer einfachen,
schnellen und stabilen Daumenregel, nicht nur aufgrund einer Analyse aller
Möglichkeiten.
Einordnung (en:Framing): Die Art und Weise, wie ein Problem oder eine
Entscheidung vorgestellt wird, beeinflusst die Handlung des Entscheidenden.
56
Unvollkommene Märkte (Market inefficiencies): Versuche, beobachtete
Markthandlungen zu erklären, die vernünftigen Erwartungen und der Markteffizienz
zuwiderlaufen. Diese beinhalten fehlerhafte Bepreisung, unvernünftige
Entscheidungen und Anomalien beim Gewinn. Besonders Richard Thaler hat in einer
Vielzahl von Aufsätzen besondere Marktanomalien aus der Perspektive des
Behaviorismus beschrieben.
Marktweite Anomalien können nicht allgemein über Individuen erklärt werden, die unter
bestimmten Vorurteilen im Denken leiden. Individuelle Voreingenommenheiten haben oft
nicht den ausreichend großen Einfluss, um Marktpreise und Gewinne zu ändern. Zusätzlich
können sich individuelle Vorurteile gegenseitig neutralisieren. Kognitive
Voreingenommenheiten haben wirklich ungewöhnliche Effekte nur dann, wenn es eine
gesellschaftliche Kontamination mit einem sehr emotionalen Inhalt gibt, wie allgemeine
Habgier oder allgemeine Panik. Diese führen dann zu weit verbreiteten Phänomenen wie
Herdenverhalten und Gruppendenken. Behavioral economics beruht genauso viel auf der
Sozialpsychologie wie auf der individuellen Psychologie.
Es gibt zwei Ausnahmen zu dieser allgemeinen Aussage. Zunächst kann es sein, dass derart
viele Individuen ein voreingenommenes Verhalten zur Schau stellen das heißt ein
Verhalten, das von vernünftigen Erwartungen abweicht , dass dieses Verhalten die Norm
darstellt und somit marktweite Auswirkungen hat. Weiterhin haben einige behavioristische
Modelle ausdrücklich gezeigt, dass eine kleine aber bedeutende Gruppe marktweite
Auswirkungen hervorrufen kann (siehe z.B. Fehr und Schmidt, 1999).
.
57
DAX JAHRESRENDITEN
DAX-Performanceindex
(mit Dividenden)
Jahr
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in %
1987
1.000,00
1988
1.327,87
32,79
1989
1.790,37
34,83
1990
1.398,23
-21,90
1991
1.577,98
12,86
1992
1.545,05
-2,09
1993
2.266,68
46,71
1994
2.106,58
-7,06
1995
2.253,88
6,99
1996
2.888,69
28,17
1997
4.249,69
47,11
1998
5.002,39
17,71
1999
6.958,14
39,10
2000
6.433,61
-7,54
2001
5.160,10
-19,79
2002
2.892,63
-43,94
2003
3.965,16
37,08
2004
4.256,08
7,34
2005
5.408,26
27,07
2006
6.596,92
21,98
2007
8.067,32
22,29
2008
4.810,20
-40,37
2009
5.957,43
23,85
DAX-Kursindex
(ohne Dividenden)
Jahr
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1987
1.000,00
1988
1.289,80
289,80
28,98
1989
1.698,07
408,27
31,65
1990
1.295,71
-402,36
-23,70
1991
1.424,79
129,08
9,96
1992
1.359,55
-65,24
-4,58
1993
1.948,66
589,11
43,33
1994
1.774,95
-173,71
-8,91
1995
1.857,29
82,34
4,64
1996
2.334,95
477,66
25,72
1997
3.383,21
1.048,26
44,89
1998
3.933,96
550,75
16,28
1999
5.409,33
1.475,37
37,50
2000
4.934,85
-474,48
-8,77
2001
3.887,48
-1.047,37
-21,22
2002
2.141,78
-1.745,70
-44,91
2003
2.857,84
716,06
33,43
2004
3.004,65
146,81
5,14
2005
3.719,79
715,14
23,80
2006
4.429,01
709,22
19,07
2007
5.277,23
848,22
19,15
2008
3.041,60
-2.235,63
-42,36
2009
3.604,02
562,42
18,49
58
Die besten Tage
Die Tabelle zeigt die besten Tage des bis 1959 zurückberechneten DAX.
Rang
Datum
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
13. Oktober 2008
5.062,45
518,14
11,40
2
30. Mai 1962
399,60
45,19
11,31
3
28. Oktober 2008
4.823,45
488,81
11,28
4
24. November 2008
4.554,33
426,93
10,34
5
29. Mai 1970
485,85
41,25
9,28
6
29. Juli 2002
3.859,78
280,78
7,85
7
8. Dezember 2008
4.715,88
334,41
7,63
8
17. Januar 1991
1.422,67
99,99
7,56
9
12. November 1987
1.061,64
73,44
7,43
10
2. Januar 2003
3.105,04
212,41
7,34
11
11. Oktober 2002
2.930,74
197,55
7,23
12
6. August 2002
3.568,64
235,99
7,08
13
15. Oktober 2002
3.048,27
198,16
6,95
14
13. März 2003
2.354,31
151,35
6,87
15
24. September 2001
4.038,69
251,46
6,64
16
30. Oktober 1987
1.177,38
72,98
6,61
17
17. Oktober 1989
1.475,44
89,72
6,47
18
1. Oktober 1990
1.420,73
85,84
6,43
19
5. Januar 1988
1.004,34
60,46
6,41
20
29. Oktober 1997
3.791,81
224,59
6,30
21
8. August 2002
3.679,26
213,72
6,17
22
27. August 1990
1.654,80
95,76
6,14
23
2. April 2009
4.381,92
250,85
6,07
24
12. Oktober 1998
4.225,49
241,84
6,07
25
24. Januar 2008
6.821,07
381,86
5,93
26
21. Oktober 1987
1.379,53
76,73
5,89
27
7. April 2003
2.808,94
154,87
5,84
28
2. April 2003
2.589,35
139,16
5,68
29
17. Oktober 2002
3.172,46
163,53
5,44
30
4. März 2009
3.890,94
200,22
5,42
59
Die schlechtesten Tage
Die Tabelle zeigt die schlechtesten Tage des bis 1959 zurückberechneten DAX.
Rang
Datum
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
16. Oktober 1989
1.385,72
-203,62
-12,81
2
19. August 1991
1.497,93
-155,44
-9,40
3
19. Oktober 1987
1.321,61
-136,94
-9,39
4
11. September 2001
4.273,53
-396,60
-8,49
5
28. Oktober 1997
3.567,22
-311,90
-8,04
6
26. Oktober 1987
1.193,31
-99,36
-7,69
7
29. Mai 1962
354,41
-27,56
-7,22
8
21. Januar 2008
6.790,19
-523,98
-7,16
9
6. Oktober 2008
5.387,01
-410,02
-7,07
10
10. Oktober 2008
4.544,31
-342,69
-7,01
11
6. November 2008
4.813,57
-353,30
-6,84
12
28. Oktober 1987
1.142,17
-83,30
-6,80
13
22. Oktober 1987
1.287,58
-91,95
-6,67
14
10. November 1987
945,91
-66,18
-6,54
15
15. Oktober 2008
4.861,63
-337,56
-6,49
16
14. September 2001
4.115,98
-276,42
-6,29
17
2. Oktober 1998
3.962,50
-263,99
-6,25
18
24. März 2003
2.548,37
-166,69
-6,14
19
21. August 1998
5.163,51
-324,71
-5,92
20
1. Dezember 2008
4.394,79
-274,65
-5,88
21
8. Oktober 2008
5.013,62
-313,01
-5,88
22
3. September 2002
3.398,99
-210,42
-5,83
23
10. September 1998
4.747,33
-293,54
-5,82
24
20. September 2001
3.809,67
-232,13
-5,74
25
5. August 2002
3.332,65
-199,84
-5,66
26
4. Januar 1988
943,88
-56,12
-5,61
27
1. Oktober 1998
4.226,49
-248,02
-5,54
28
29. Oktober 2002
3.022,01
-176,95
-5,53
29
6. August 1990
1.740,93
-100,01
-5,43
30
6. März 1961
518,43
-29,64
-5,41
60
Die besten Tage
Der größte prozentuale Anstieg an einem Tag ereignete sich am 15. März 1933, als der Dow
Jones Industrial Average um 15,34 Prozent stieg. Hierbei ist zu beachten, dass es der erste
Handelstag an der New York Stock Exchange seit 3. März 1933 war. Grund für die
Handelsunterbrechung waren mehrere Bankfeiertage (National Banking Holidays), die wegen
der Amtseinführung von Franklin D. Roosevelt als 32. Präsident der Vereinigten Staaten von
Amerika erlassen wurden.
Die Tabelle zeigt die besten Tage des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-Index.
Rang
Datum
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
15. März 1933
62,10
8,26
15,34
2
6. Oktober 1931
99,34
12,86
14,87
3
30. Oktober 1929
258,47
28,40
12,34
4
21. September 1932
75,16
7,67
11,36
5
13. Oktober 2008
9.387,61
936,42
11,08
6
28. Oktober 2008
9.065,12
889,35
10,88
7
21. Oktober 1987
2.027,85
186,84
10,15
8
3. August 1932
58,22
5,06
9,52
9
11. Februar 1932
78,60
6,80
9,47
10
14. November 1929
217,28
18,59
9,36
11
18. Dezember 1931
80,69
6,90
9,35
12
13. Februar 1932
85,82
7,22
9,19
13
6. Mai 1932
59,01
4,91
9,08
14
19. April 1933
68,31
5,66
9,03
15
8. Oktober 1931
105,79
8,47
8,70
16
10. Juni 1932
48,94
3,62
7,99
17
5. September 1939
148,12
10,03
7,26
18
3. Juni 1931
130,37
8,67
7,12
19
6. Januar 1932
76,31
5,07
7,12
20
23. März 2009
7.775,86
497,48
6,84
21
14. Oktober 1932
63,84
4,08
6,83
22
15. März 1907
59,58
3,74
6,70
23
13. November 2008
8.835,25
552,59
6,67
24
27. Juli 1893
27,00
1,68
6,64
25
20. Juni 1931
138,96
8,65
6,64
26
24. Juli 1933
94,28
5,86
6,63
27
21. November 2008
8.046,42
494,13
6,54
28
2. August 1893
28,48
1,74
6,51
29
19. Juni 1933
95,99
5,76
6,38
30
10. Mai 1901
52,50
3,14
6,36
61
Die schlechtesten Tage
Der größte prozentuale Rückgang an einem Tag ereignete sich am 19. Oktober 1987, als der
Dow Jones Industrial Average um 22,61 Prozent fiel. In einigen Publikationen wird der 12.
Dezember 1914 mit 24,39 Prozent als der schlechteste Börsentag der Geschichte bezeichnet.
In Wirklichkeit handelte es sich um eine Neuberechnung aufgrund einer Änderung in der
Zusammensetzung des Index und nicht um einen tatsächlichen Rückgang. Am 17. September
2001, als der Dow-Jones-Index um 7,13 Prozent fiel, war vorher an der Börse wegen der
Terroranschläge am 11. September 2001 für mehrere Tage kein Handel möglich.
Die Tabelle zeigt die schlechtesten Tage des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-Index.
Rang
Datum
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
19. Oktober 1987
1.738,74
-508,00
-22,61
2
28. Oktober 1929
260,64
-38,33
-12,82
3
29. Oktober 1929
230,07
-30,57
-11,73
4
6. November 1929
232,13
-25,55
-9,92
5
18. Dezember 1899
42,69
-4,08
-8,72
6
20. Dezember 1895
29,42
-2,74
-8,52
7
12. August 1932
63,11
-5,79
-8,40
8
14. März 1907
55,84
-5,05
-8,29
9
26. Oktober 1987
1.793,93
-156,83
-8,04
10
15. Oktober 2008
8.577,91
-733,08
-7,87
11
21. Juli 1933
88,71
-7,55
-7,84
12
18. Oktober 1937
125,73
-10,57
-7,75
13
1. Dezember 2008
8.149,09
-679,95
-7,70
14
26. Juli 1893
25,32
-2,02
-7,39
15
9. Oktober 2008
8.579,19
-678,91
-7,33
16
1. Februar 1917
88,52
-6,91
-7,24
17
27. Oktober 1997
7.161,15
-554,26
-7,18
18
5. Oktober 1932
66,07
-5,09
-7,15
19
17. September 2001
8.920,70
-684,81
-7,13
20
24. September 1931
107,79
-8,20
-7,07
21
20. Juli 1933
96,26
-7,32
-7,07
22
29. September 2008
10.365,45
-777,68
-6,98
23
13. Oktober 1989
2.569,26
-190,58
-6,91
24
30. Juli 1914
52,32
-3,88
-6,90
25
8. Januar 1988
1.911,31
-140,58
-6,85
26
11. November 1929
220,39
-16,14
-6,82
27
14. Mai 1940
128,27
-9,36
-6,80
28
5. Oktober 1931
86,48
-6,29
-6,78
62
Die besten Wochen
Die beste Woche in der Geschichte des Dow-Jones-Index endete am 6. August 1932 mit
einem Gewinn von 22,67 Prozent, gefolgt von der Woche vom 25. Juni 1938 mit einem Plus
von 16,52 Prozent und der Woche vom 13. Februar 1932 mit einem Gewinn von 15,27
Prozent.
Die Tabelle zeigt die besten Wochen des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-Index. Das
Datum bezieht sich auf den letzten Handelstag der Woche.
Rang
Woche
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
6. August 1932
66,56
12,30
22,67
2
25. Juni 1938
131,94
18,71
16,52
3
13. Februar 1932
85,82
11,37
15,27
4
22. April 1933
72,24
9,36
14,89
5
10. Oktober 1931
105,61
12,84
13,84
6
30. Juli 1932
54,26
6,42
13,42
7
27. Juni 1931
156,93
17,97
12,93
8
24. September 1932
74,83
8,39
12,63
9
11. Oktober 1974
658,17
73,61
12,59
10
27. August 1932
75,61
8,43
12,55
11
18. März 1933
60,56
6,72
12,48
12
15. August 1903
38,80
4,09
11,78
13
27. Mai 1933
89,61
9,40
11,72
14
10. November 1900
48,70
4,89
11,17
15
20. August 1982
869,29
81,24
10,31
16
7. Dezember 1929
263,46
24,51
10,26
17
28. Oktober 1933
92,01
8,37
10,01
18
28. November 2008
8.829,04
782,62
9,73
19
10. Dezember 1932
61,25
5,42
9,71
20
7. November 1931
115,60
10,17
9,65
21
7. Mai 1898
36,92
3,22
9,55
22
5. August 1993
28,69
2,48
9,46
23
9. September 1939
150,91
12,82
9,28
24
30. Dezember 1899
48,41
4,04
9,11
25
12. November 1932
68,04
5,63
9,02
26
13. März 2009
7.223,98
597,04
9,01
27
16. Juli 1932
45,29
3,66
8,79
28
8. Oktober 1982
986,85
79,11
8,72
29
21. März 2003
8.521,97
662,26
8,43
30
9. Juni 1934
98,90
7,49
8,19
63
Die schlechtesten Wochen
Die schlechteste Woche in der Geschichte des Dow-Jones-Index endete am 10. Oktober 2008
mit einem Verlust von 18,15 Prozent, gefolgt von der Woche vom 22. Juli 1933 mit einem
Minus von 16,66 Prozent und der Woche vom 18. Mai 1940 mit einem Verlust von 15,48
Prozent.
Die Tabelle zeigt die schlechtesten Wochen des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-
Index. Das Datum bezieht sich auf den letzten Handelstag der Woche.
Rang
Woche
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
10. Oktober 2008
8.451,19
-1.874,19
-18,15
2
22. Juli 1933
88,42
-17,68
-16,66
3
18. Mai 1940
122,43
-22,42
-15,48
4
8. Oktober 1932
61,17
-10,92
-15,15
5
21. Dezember 1895
28,29
-4,91
-14,79
6
21. September 2001
8.235,81
-1369,70
-14,26
7
3. Oktober 1931
92,77
-14,59
-13,59
8
8. November 1929
236,53
-36,98
-13,52
9
17. September 1932
66,44
-10,10
-13,20
10
23. Oktober 1987
1.950,76
-295,98
-13,17
11
21. Oktober 1933
83,64
-11,95
-12,50
12
12. Dezember 1931
78,93
-11,21
-12,44
13
8. Mai 1915
62,77
-8,74
-12,22
14
21. Juni 1930
215,30
-28,95
-11,85
15
8. Dezember 1928
257,33
-33,47
-11,51
16
26. März 1938
106,63
-13,80
-11,46
17
30. Juli 1914
52,32
-6,04
-10,36
18
8. August 1896
24,36
-2,73
-10,08
19
28. Mai 1932
47,70
-5,34
-10,07
20
19. September 1931
111,74
-12,11
-9,78
21
14. Mai 1932
52,48
-5,56
-9,58
22
9. April 1932
64,48
-6,82
-9,57
23
18. Juli 1896
27,24
-2,87
-9,53
24
16. Oktober 1987
2.246,73
-235,48
-9,49
25
20. November 1937
120,45
-12,60
-9,47
26
25. Juli 1903
35,95
-3,68
-9,29
27
11. Oktober 1930
193,05
-18,05
-8,55
28
31. Oktober 1929
273,51
-25,46
-8,52
29
29. Juli 1893
26,21
-2,42
-8,45
30
21. November 1931
97,42
-8,93
-8,40
64
Die besten Monate
Der beste Monat in der Geschichte des Dow-Jones-Index war der April 1933 mit einem
Gewinn von 40,18 Prozent, gefolgt vom August 1932 mit einem Plus von 34,83 Prozent und
dem Juli 1932 mit einem Gewinn um 26,66 Prozent.
Die Tabelle zeigt die besten Monate des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-Index.
Rang
Monat
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
April 1933
77,66
22,26
40,18
2
August 1932
73,16
18,90
34,83
3
Juli 1932
54,26
11,42
26,66
4
Juni 1938
133,88
26,14
24,26
5
April 1915
71,78
10,95
18,00
6
Juni 1931
150,18
21,72
16,91
7
November 1928
293,38
41,22
16,35
8
Mai 1898
38,64
4,94
14,66
9
August 1897
40,15
5,07
14,45
10
Januar 1976
975,28
122,87
14,41
11
November 1904
52,76
6,59
14,27
12
Januar 1975
703,69
87,45
14,19
13
Januar 1987
2.158,04
262,09
13,82
14
Mai 1919
105,50
12,62
13,59
15
September 1939
152,54
18,13
13,49
16
Mai 1933
88,11
10,45
13,46
17
Februar 1931
189,66
22,11
13,20
18
August 1891
40,71
4,68
12,99
19
August 1933
102,41
11,64
12,82
20
November 1900
48,78
5,53
12,79
21
März 1920
102,81
11,50
12,59
22
April 1938
111,28
12,33
12,46
23
Oktober 1885
38,55
4,22
12,29
24
Juni 1929
333,79
36,38
12,23
25
September 1915
90,58
9,38
11,55
26
September 1916
102,90
10,65
11,54
27
März 1908
49,46
5,11
11,52
28
August 1982
901,31
92,71
11,47
29
Juni 1933
98,14
10,03
11,38
30
August 1898
44,21
4,50
11,33
65
Die schlechtesten Monate
Der schlechteste Monat in der Geschichte des Dow-Jones-Index war der September 1931 mit
einem Verlust von 30,70 Prozent, gefolgt vom März 1938 mit einem Minus von 23,67 Prozent
und dem April 1932 mit einem Verlust von 23,43 Prozent.
Die Tabelle zeigt die schlechtesten Monate des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-
Index.
Rang
Monat
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
September 1931
96,61
-42,80
-30,70
2
März 1938
98,95
-30,69
-23,67
3
April 1932
56,11
-17,17
-23,43
4
Oktober 1987
1.993,53
-602,75
-23,22
5
Mai 1940
116,22
-32,21
-21,70
6
Oktober 1929
273,51
-69,94
-20,36
7
Mai 1932
44,74
-11,37
-20,26
8
Juli 1893
26,38
-5,95
-18,40
9
Juni 1930
226,34
-48,73
-17,72
10
Dezember 1931
77,90
-15,97
-17,01
11
Februar 1933
51,39
-9,51
-15,62
12
August 1998
7.539,07
-1.344,22
-15,13
13
Mai 1931
128,46
-22,73
-15,03
14
Oktober 1907
42,27
-7,34
-14,80
15
September 1930
204,90
-35,52
-14,77
16
Juli 1903
37,19
-6,09
-14,07
17
November 1973
822,25
-134,33
-14,04
18
Oktober 2008
9.336,93
-1.513,73
-13,95
19
September 1903
33,55
-5,42
-13,91
20
Oktober 1932
61,90
-9,66
-13,50
21
November 1919
103,60
-15,32
-12,88
22
September 1937
154,57
-22,84
-12,87
23
November 1929
238,95
-34,56
-12,64
24
Dezember 1899
48,41
-6,94
-12,54
25
September 2002
7.591,93
-1.071,57
-12,37
26
April 1931
151,19
-21,17
-12,28
27
Februar 1920
91,31
-12,51
-12,05
28
Mai 1899
49,46
-6,74
-11,99
29
Februar 2009
7.062,93
-937,93
-11,72
66
Die besten Jahre
Das beste Jahr in der Geschichte des Dow-Jones-Index war 1915 mit einem Gewinn von
81,66 Prozent, gefolgt von 1933 mit einem Plus von 66,69 Prozent und 1928 mit einem
Gewinn von 48,22 Prozent.
Die Tabelle zeigt die besten Jahre des bis 1885 zurückgerechneten Dow-Jones-Index.
Rang
Jahr
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
1915
99,15
44,57
81,66
2
1933
99,90
39,97
66,69
3
1928
300,00
97,60
48,22
4
1908
63,11
20,07
46,63
5
1954
404,39
123,49
43,96
6
1904
50,99
15,01
41,72
7
1935
144,13
40,09
38,53
8
1975
852,41
236,17
38,32
9
1905
70,47
19,48
38,20
10
1958
583,65
147,96
33,96
11
1995
5.117,12
1.282,68
33,45
12
1919
107,23
25,03
30,45
13
1925
156,66
36,15
30,00
14
1927
202,40
45,20
28,75
15
1938
154,76
33,91
28,06
16
1985
1.546,67
335,10
27,66
17
1989
2.753,20
584,63
26,96
18
1945
192,91
40,59
26,65
19
1924
120,51
24,99
26,16
20
1996
6.448,27
1.331,15
26,01
21
2003
10.453,92
2.112,29
25,32
22
1999
11.497,12
2.315,69
25,22
23
1936
179,90
35,77
24,82
24
1997
7.908,25
1.459,98
22,64
25
1986
1.895,95
349,28
22,58
26
1898
44,33
8,13
22,46
27
1922
98,73
17,63
21,74
28
1897
36,20
6,30
21,07
29
1955
488,40
84,01
20,78
30
1991
3.168,83
535,17
20,32
67
Die schlechtesten Jahre
Das schlechteste Jahr in der Geschichte des Dow-Jones-Index war 1931 mit einem Verlust
von 52,67 Prozent, gefolgt von 1907 mit einem Minus von 37,73 Prozent und 2008 mit einem
Verlust von 33,84 Prozent. In einigen Publikationen wird 1914 mit einem Schlussstand von
54,58 Punkten und einem Rückgang um 30,72 Prozent als eines der schlechtesten Jahre der
Geschichte bezeichnet. In Wirklichkeit handelte es sich um eine Neuberechnung aufgrund
einer Änderung in der Zusammensetzung des Index. Der Dow Jones Industrial Average
beendete 1914 den Handel mit 74,73 Punkten. Das entspricht gegenüber 1913 einem
Rückgang um 5,14 Prozent. Die Tabelle zeigt die schlechtesten Jahre des bis 1885
zurückgerechneten Dow-Jones-Index.
Rang
Jahr
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in Punkten
Veränderung
in %
1
1931
77,90
-86,68
-52,67
2
1907
43,04
-26,08
-37,73
3
2008
8.776,39
-4.488,43
-33,84
4
1930
164,58
-83,90
-33,77
5
1920
71,95
-35,28
-32,90
6
1937
120,85
-59,05
-32,82
7
1974
616,24
-234,62
-27,57
8
1893
29,91
-9,76
-24,60
9
1903
35,98
-11,12
-23,61
10
1932
59,93
-17,97
-23,07
11
1917
74,38
-20,62
-21,71
12
1966
785,69
-183,57
-18,94
13
1910
59,60
-12,96
-17,86
14
1977
831,17
-173,48
-17,27
15
1929
248,48
-51,52
-17,17
16
2002
8.341,63
-1.679,87
-16,76
17
1973
850,86
-169,16
-16,58
18
1941
110,96
-20,17
-15,38
19
1969
800,36
-143,39
-15,19
20
1890
36,09
-5,95
-14,15
21
1957
435,69
-63,78
-12,77
22
1940
131,13
-19,11
-12,72
23
1962
652,10
-79,04
-10,81
24
1913
57,71
-6,66
-10,35
25
1960
615,89
-63,47
-9,34
26
1981
875,00
-88,99
-9,23
27
1901
47,29
-4,51
-8,71
28
1887
37,77
-3,47
-8,41
29
1946
177,20
-15,71
-8,14
30
2001
10.021,50
-765,35
-7,10
68
Bullenmärkte
Der längste Bullenmarkt des Dow-Jones-Index dauerte zwischen 1990 und 1998 insgesamt
2.836 Tage. Der Bullenmarkt mit dem größten Gewinn ereignete sich zwischen 1923 und
1929. Investoren gewannen in dieser Zeit mit Aktien 344,5 Prozent. Seit 1900 gab es nach
einer Studie des US-amerikanischen Analysehauses Ned Davis Research 35 zyklische
Bullenmärkte mit einer durchschnittlichen Dauer von 751 Tagen (Median = 614 Tage). Der
durchschnittliche Gewinn lag bei 85,6 Prozent (Median = 69,1 Prozent).
Bullenmärkte sind nach einer Definition von Ned Davis Research Kursgewinne des Dow-
Jones-Index von mindestens 30 Prozent innerhalb von 50 Tagen, ein Anstieg des Index um 13
Prozent innerhalb von 155 Tagen oder ein 30-Prozent-Reversal im geometrischen Value Line
Composite Index seit 1965.
Anfang
Schlussstand
in Punkten
Ende
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in %
Tage
24. September 1900
38,80
17. Juni 1901
57,33
47,8
266
9. November 1903
30,88
19. Januar 1906
75,45
144,4
802
15. November 1907
38,83
19. November 1909
73,64
89,7
735
25. September 1911
53,43
30. September 1912
68,97
29,1
371
24. Dezember 1914
53,17
21. November 1916
110,15
107,2
698
19. Dezember 1917
65,95
3. November 1919
119,62
81,4
684
24. August 1921
63,90
20. März 1923
105,38
64,9
573
27. Oktober 1923
85,76
3. September 1929
381,17
344,5
2.138
13. November 1929
198,69
17. April 1930
294,07
48,0
155
8. Juli 1932
41,22
7. September 1932
79,93
93,9
61
27. Februar 1933
50,16
5. Februar 1934
110,74
120,8
343
26. Juli 1934
85,51
10. März 1937
194,40
127,3
958
31. März 1938
98,95
12. November 1938
158,41
60,1
226
8. April 1939
121,44
12. September 1939
155,92
28,4
157
28. April 1942
92,92
29. Mai 1946
212,50
128,7
1.492
17. Mai 1947
163,21
15. Juni 1948
193,16
18,4
395
13. Juni 1949
161,60
5. Januar 1953
293,79
81,8
1.302
14. September 1953
255,49
6. April 1956
521,05
103,9
935
22. Oktober 1957
419,79
5. Januar 1960
685,47
63,3
805
25. Oktober 1960
566,05
13. Dezember 1961
734,91
29,8
414
26. Juni 1962
535,76
9. Februar 1966
995,15
85,7
1.324
7. Oktober 1966
744,32
3. Dezember 1968
985,21
32,4
788
26. Mai 1970
631,16
28. April 1971
950,82
50,6
337
23. November 1971
797,97
11. Januar 1973
1.051,70
31,8
415
6. Dezember 1974
577,60
21. September 1976
1.014,79
75,7
655
28. Februar 1978
742,12
8. September 1978
907,74
22,3
192
21. April 1980
759,13
27. April 1981
1.024,05
34,9
371
12. August 1982
776,92
29. November 1983
1.287,20
65,7
474
69
24. Juli 1984
1.086,57
25. August 1987
2.722,42
150,6
1.127
Bärenmärkte
Der längste Bärenmarkt des Dow-Jones-Index dauerte zwischen 1939 und 1942 insgesamt
959 Tage. Der Bärenmarkt mit dem größten Verlust ereignete sich zwischen 1930 und 1932.
Investoren verloren in dieser Zeit mit Aktien 86,0 Prozent. Seit 1901 gab es nach einer Studie
des US-amerikanischen Analysehauses Ned Davis Research 34 zyklische Bärenmärkte mit
einer durchschnittlichen Dauer von 406 Tagen (Median = 363 Tage). Der durchschnittliche
Verlust lag bei 30,8 Prozent (Median = 26,9 Prozent).
Bärenmärkte sind nach einer Definition von Ned Davis Research Kursverluste des Dow-
Jones-Index von mindestens 30 Prozent innerhalb von 50 Tagen, ein Rückgang des Index um
13 Prozent innerhalb von 145 Tagen oder ein 30-Prozent-Reversal im geometrischen Value
Line Composite Index seit 1965.
Anfang
Schlussstand
in Punkten
Ende
Schlussstand
in Punkten
Veränderung
in %
Tage
17. Juni 1901
57,33
9. November 1903
30,88
-46,1
875
19. Januar 1906
75,45
15. November 1907
38,83
-48,5
665
19. November 1909
73,64
25. September 1911
53,43
-27,4
675
30. September 1912
68,97
30. Juli 1914
52,32
-24,1
668
21. November 1916
110,15
19. Dezember 1917
65,95
-40,1
393
3. November 1919
119,62
24. August 1921
63,90
-46,6
660
20. März 1923
105,38
27. Oktober 1923
85,76
-18,6
221
3. September 1929
381,17
13. November 1929
198,69
-47,9
71
17. April 1930
294,07
8. Juli 1932
41,22
-86,0
813
7. September 1932
79,93
27. Februar 1933
50,16
-37,2
173
5. Februar 1934
110,74
26. Juli 1934
85,51
-22,8
171
10. März 1937
194,40
31. März 1938
98,95
-49,1
386
12. November 1938
158,41
8. April 1939
121,44
-23,3
147
12. September 1939
155,92
28. April 1942
92,92
-40,4
959
29. Mai 1946
212,50
17. Mai 1947
163,21
-23,2
353
15. Juni 1948
193,16
13. Juni 1949
161,60
-16,3
363
5. Januar 1953
293,79
14. September 1953
255,49
-13,0
252
6. April 1956
521,05
22. Oktober 1957
419,79
-19,4
564
5. Januar 1960
685,47
25. Oktober 1960
566,05
-17,4
294
13. Dezember 1961
734,91
26. Juni 1962
535,76
-27,1
195
9. Februar 1966
995,15
7. Oktober 1966
744,32
-25,2
240
3. Dezember 1968
985,21
26. Mai 1970
631,16
-35,9
539
28. April 1971
950,82
23. November 1971
797,97
-16,1
209
1. Januar 1973
1.051,70
6. Dezember 1974
577,60
-45,1
694
21. September 1976
1.014,79
28. Februar 1978
742,12
-26,9
525
8. September 1978
907,74
21. April 1980
759,13
-16,4
591
70
27. April 1981
1.024,05
12. August 1982
776,92
-24,1
472
29. November 1983
1.287,20
24. Juli 1984
1.086,57
-15,6
238
25. August 1987
2.722,42
19. Oktober 1987
1.738,74
-36,1
55
Unternehmen im Dow-Jones-Index
Der Index besteht aus 30 Aktienwerten, die am 31. Dezember 2009 zusammen einen
Börsenwert von 3,537 Billionen US-Dollar besaßen. Größtes Unternehmen war ExxonMobil
mit einer Marktkapitalisierung von 322,67 Milliarden US-Dollar. Die nach Gewichtung zehn
größten Aktien besaßen einen Anteil von 52,88 Prozent an der Gesamtgewichtung des Index.
General Electric hatte mit elf Milliarden Stück die größte Anzahl von Aktien im Umlauf und
ist am längsten Mitglied im Dow-Jones-Index. Es war eines der zwölf Unternehmen, die im
1896 neu eingeführten Index gelistet wurden und ist das einzige der ersten zwölf, das sich bis
heute - mit einer Unterbrechung von 1898 bis 1907 - im Index gehalten hat. Den geringsten
Streubesitz unter allen 30 Unternehmen besitzt Kraft Foods mit 11 Prozent frei gehandelter
Aktien.
Alle Daten in der folgenden Tabelle beziehen sich auf den 31. Dezember 2009.
Name
Gewichtung
im DJI in %
Anzahl der
Aktien in
Mio.
Börsenwert
in Mrd.
USD
Streubesitz
in %
Aufnahme
3M1
5,99
708
58,53
81,94
9. August 1976
Alcoa2
1,17
974
15,71
100,00
1. Juni 1959
American Express
2,94
1.200
48,19
88,63
30. August 1982
AT&T3
2,03
5.900
165,41
100,00
1. November 1999
Bank of America
1,09
8.700
130,27
100,00
19. Februar 2008
Boeing
3,92
727
39,33
89,30
12. März 1987
Caterpillar
4,13
623
35,49
100,00
6. Mai 1991
Chevron
5,58
2.000
154,46
100,00
19. Februar 2008
Cisco
1,74
5.800
137,72
100,00
8. Juni 2009
Coca-Cola
4,13
2.300
132,08
91,95
12. März 1987
Disney
2,34
1.900
60,15
100,00
6. Mai 1991
DuPont
2,44
904
30,43
100,00
20. November
1935
ExxonMobil4
4,94
4.700
322,67
100,00
1. Oktober 1928
General Electric
1,10
11.000
161,10
100,00
7. November 1907
Hewlett-Packard
3,73
2.400
121,78
71,50
17. März 1997
Home Depot
2,10
1.700
49,19
94,67
1. November 1999
IBM
9,49
1.600
209,44
100,00
29. Juni 1979
Intel
1,48
5.500
112,65
100,00
1. November 1999
Johnson & Johnson
4,67
2.800
177,71
100,00
17. März 1997
JPMorgan Chase &
Co.5
3,02
4.100
171,05
94,40
6. Mai 1991
71
Kraft Foods
1,97
1.500
40,15
11,00
22. September
2008
McDonald’s
4,53
1.100
67,38
100,00
30. Oktober 1985
Merck & Co., Inc.
2,65
3.100
111,61
100,00
29. Juni 1979
Microsoft
2,21
8.900
270,64
86,28
1. November 1999
Pfizer
1,32
8.100
146,78
100,00
8. April 2004
Procter & Gamble
4,39
2.900
177,14
100,00
26. Mai 1932
Travelers
3,61
546
27,24
100,00
8. Juni 2009
United Technologies6
5,03
938
65,07
100,00
14. März 1939
Verizon
Communications
2,40
2.800
94,11
100,00
8. April 2004
Wal-Mart
3,87
3.800
203,65
61,76
17. März 1997
Gesamt
100,00
99.220
3.537,13
1
1976 Aufnahme als Minnesota Mining and
Manufacturing
2
1959 Aufnahme als Aluminum Company of
America
3
1999 Aufnahme als SBC Communications
4
1928 Aufnahme als Standard Oil (N.J.)
5
1991 Aufnahme als J.P. Morgan & Company
6
1939 Aufnahme als United Aircraft
Das Wörgler Notgeld
Nach dem ersten Weltkrieg wurden Scheidemünzen immer rarer, das Staatsamt für Finanzen
(das heutige Finanzministerium) erließ eine Erlaubnis, dass Gemeinden bei herrschendem
Mangel ihr Kleingeld selber drucken durften. Ab 1919 geschah dies in steigendem Ausmaß.
Von Innsbruck aus wurde in Tirol damit begonnen das Notgeld zu drucken. Die
Marktgemeinde Wörgl begann 1919 mit der Ausgabe des Wörgler Notgeldes im Nominalen
von 10, 20, 30, 50, 75 und 90 Heller und hatte bis Ende 1920 Gültigkeit. Den Betrag, der bis
dahin nicht eingelöst worden war, konnte die Gemeinde als Gewinn verbuchen, die Höhe
dieses Gewinnes ist jedoch nicht mehr bekannt. In Wörgl waren aufgrund des großen Erfolges
sogar mehrere Auflagen nötig.
Das Wörgler Schwundgeld (Freigeld)
In Wörgl war um 1932 die örtliche Zement- und Zellulosefabrikation stark zurückgegangen
und die Arbeitslosenquote bedrohlich angestiegen. Die Gemeinde hatte einerseits
beträchtliche Steuerausfälle, andererseits hohe Lasten durch Unterstützungsleistungen an
Arbeitslose. Die Kasse war leer, und ein Ende war nicht abzusehen. Es wurde ein
Wohlfahrtsausschuss gebildet, der die Ausgabe des Notgeldes organisierte. Ab Ende Juli 1932
gab die Gemeindeverwaltung unter Bürgermeister Michael Unterguggenberger als Lohn der
Gemeindeangestellten eigene sogenannte Arbeitswertscheine aus, den Wörgler Schilling. Die
Scheine gab es in Nennwerten von 1, 2 und 5 Schilling. Insgesamt wurden 32.000 Not-
Schilling aufgelegt, die Gemeinde, welche das Schwundgeld ausgab, hat allerdings nur
insgesamt 8.500 Notschilling vom Ausschuss gekauft, wovon wiederum nur
72
ca. 6.000 Schilling durchschnittlich im Umlauf waren. Allerdings wird angenommen, dass der
tatsächliche Geldumlauf innerhalb der vierzehn Monate über 400 Mal stattfand.
Die Arbeitswertscheine waren umlaufgesichertes Freigeld. Ideenlieferant war dabei die
Freiwirtschaftslehre Silvio Gesells. Monatlich musste eine Marke zu einem Prozent des
Nennwertes der Note gekauft und in ein dafür vorgesehenes Feld auf der Vorderseite des
Geldscheins geklebt werden, um ihn gültig zu erhalten. Das Geld war durch Hinterlegung von
Schillingen der Gemeinde bei der Wörgler Raiffeisenkasse gedeckt und gleichwertig an den
Schilling gekoppelt. Mit diesen Scheinen konnten Gemeindesteuern bezahlt werden.
Einheimische Geschäftsleute nahmen Freigeld in Zahlung.
Das Experiment war erfolgreich. Geldkreislauf und Wirtschaftstätigkeit wurden wiederbelebt,
während das übrige Land tief in der Wirtschaftskrise steckte. Überall in Wörgl wurde gebaut
und investiert. Bis in die 1980er zeugte unter anderem die Aufschrift „mit Freigeld erbaut“
auf einer Straßenbrücke davon. In den vierzehn Monaten des Experiments sank die
Arbeitslosenquote in Wörgl von 21 auf 15 Prozent ab, während sie im übrigen Land weiter
anstieg.
Die positiven Auswirkungen führten dazu, dass der Modellversuch in der Presse als das
„Wunder von Wörgl“ gepriesen wurde. Das Interesse daran stieg derart, dass über hundert
weitere Gemeinden im Umkreis von Wörgl dem Beispiel folgen wollten. Auch im Ausland
und in Übersee fand die Aktion starke Beachtung und Nachahmer. Aus Frankreich reiste der
Finanzminister und spätere Ministerpräsident Édouard Daladier nach Wörgl, und in den USA
schlug der Wirtschaftswissenschaftler Irving Fisher der amerikanischen Regierung wenn
auch vergeblich vor, ein Wörgl-ähnliches Geld mit dem Namen Stamp Scrip zur
Überwindung der Wirtschaftskrise einzuführen.
Allerdings erhob die Oesterreichische Nationalbank gegen die Wörgler Freigeld-Aktion vor
Gericht erfolgreich Einspruch, weil allein ihr das Recht auf Ausgabe von Münzen und
Banknoten zustand. Das Experiment von Wörgl und alle weiteren Planungen wurden
verboten. Unter Drohung von Armeeeinsatz beendete Wörgl das Experiment im September
1933.
WIR Bank
Die WIR Bank ist eine gesamtschweizerische Mittelstandsbank mit sieben Filialen, die aus
der Selbsthilfeorganisation WIR Wirtschaftsring-Genossenschaft hervorging.
Geschichte
Die Wirtschaftsring-Genossenschaft wurde 1934 durch Werner Zimmermann, Paul Enz und
weitere 14 Personen gegründet. Die Idee geht auf ein ähnliches bargeldloses
Verrechnungssystem der J.A.K.-Genossenschaft (die sog. "Afregningscentralen") zurück, das
ebenfalls 1934 initiiert wurde. Zimmermann und Enz schauten sich dieses dänische System
1934 während zwei Studienreisen vor Ort an. 1936 erhielt sie den Bankenstatus. Während der
Weltwirtschaftskrise und der damit verbundenen knappen Liquidität horteten Unternehmen
ihr Geld anstatt es zu investieren, was die Knappheit der Geldmenge verstärkte. Mit der
Gründung der Wirtschaftsring-Genossenschaft reagierten Gewerbetreibende auf diese Krise
mit dieser Selbsthilfe-Initiative. Um etwas gegen die Geldhortung zu unternehmen, wurde die
Komplementärwährung WIR geschaffen, die auf der Freigeld-Theorie von Silvio Gesell
73
basiert. Der Wert des WIR ist an den Schweizer Franken gebunden (1 WIR = 1 CHF). Ein
Hauptmerkmal ist die Zinsfreiheit. Die Guthaben auf den Konten werden nicht verzinst. Dies
ist ein Anreiz, das Geld schnell wieder auszugeben und unter den Teilnehmern - kleine und
mittlere Unternehmen (KMUs) in der Schweiz - für Umsatz zu sorgen. In den Anfangszeiten
wurde auf den Guthaben nicht nur kein Zins bezahlt, sondern eine Rückhaltegebühr verlangt.
Diese sollte den Anreiz noch zusätzlich verstärken, das Geld schnell wieder in Umlauf zu
bringen. Diese Umlaufsicherung wurde 1948 aufgegeben, aber WIR-Guthaben werden noch
heute nicht verzinst.
1998 änderte sie ihren Namen in WIR Bank Genossenschaft. Neben einer normalen
Banktätigkeit unterhält sie weiterhin das WIR-System, das die KMUs fördern soll.
Zahlen
Per Ende 2009 wies die WIR Bank eine Bilanzsumme von 3,719 Milliarden Franken aus,
davon entfielen 876,3 Millionen Franken auf Kredite in WIR (Währungskürzel CHW).
Insgesamt wurden 2009 rund 1,6 Milliarden äquivalente Franken mit WIR umgesetzt.
Das WIR-Verrechnungssystem
Das WIR-System stellt mit dem WIR-Geld im Teilnehmerkreis gebundene Kaufkraft dar.
Gemäss den Statuten bezweckt es, die angeschlossenen Teilnehmer zu fördern, ihre Kaufkraft
durch das WIR-System einander dienstbar zu machen und in den eigenen Reihen zu halten,
um damit den Teilnehmern zusätzlichen Umsatz zu verschaffen.
Das WIR-Verrechnungssystem funktioniert als bargeldloser Zahlungsverkehr unter den WIR-
Teilnehmern. Guthaben und Belastungen auf den Konten der Teilnehmer werden am
Hauptsitz der WIR Bank in Basel verbucht. Ein scheckartiges Papier, der Buchungsauftrag,
oder der WIR-Zahlungsschein dienen dabei als Zahlungsmittel. Mit der WIR-Karte, die vor
allem in der Gastronomie und im Detailhandel zum Einsatz kommt, tätigen die Kundinnen
und Kunden reine WIR-Zahlungen, kombinierte WIR-/CHF-Zahlungen und reine CHF-
Zahlungen. Zahlungen in WIR und CHF können auch mittels Electronic Banking und seit
Mitte 2008 mittels Internet-Banking ausgeführt werden.
Insgesamt nahmen 2008 über 70'000 Klein- und Mittelunternehmen, verteilt über die ganze
Schweiz und auf alle Branchen, am WIR-Verrechnungsverkehr teil. Jeder WIR-Teilnehmer
legt seinen individuellen WIR-Annahmesatz fest, den Prozentsatz, zu welchem er Zahlungen
in WIR entgegennehmen will (mindestens jedoch 30% auf die ersten 2000 Franken eines
Geschäfts). Dabei wird ein WIR-Franken einem Schweizer Franken gleichgesetzt.
Zum Auffinden von möglichen WIR-Geschäftspartnern existieren ein Web-basiertes
Teilnehmerverzeichnis sowie ein gedrucktes Gastronomie-Verzeichnis. Darin sind alle
Teilnehmer mit einem festen WIR-Annahmesatz aufgeführt. Ausserdem finden in der
Schweiz jährlich vier WIR-Verkaufsmessen in Luzern, Wettingen, Bern und Zürich statt, an
denen die WIR-Teilnehmer als Aussteller und Kunden auftreten.
Der WIR-Franken erhielt 2004 den dreistelligen Buchstabencode CHW nach ISO 4217 in
Entsprechung zur Landeswährung CHF (Schweizer Franken). An Laden- oder
Hoteleingängen in der Schweiz wird mit dem WIR-Signet auf die Möglichkeit hingewiesen,
die Leistungen ganz oder teilweise in WIR-Geld zu bezahlen.
74
WIR-Geldschöpfung
WIR-Guthaben werden mittels Krediten von der WIR Bank geschaffen, wobei der
Kreditnehmer der WIR Bank einen Vermögenswert verpfändet, also eine Sicherheit stellt, wie
er es bei einer üblichen Geschäftsbank ebenfalls tun würde.
Die Kredite stammen aus direkter, eigener Geldschöpfung der WIR Bank. Die WIR Bank hat
im WIR-System eine ähnliche Geldschöpfungsfunktion wie die Schweizerische Nationalbank
als Zentralbank der Schweizer Franken. Konten werden häufig entweder im Rahmen eines
ersten Geschäftsabschlusses mit WIR-Geld oder eines Kredits eröffnet.
WIR-Guthaben verfügen über keine Deckung durch Schweizer Franken. Die WIR-Kredite
werden, je nach Art des Kredites, durch Grundpfandrechte, Bankgarantien,
Lebensversicherungen usw. abgesichert. Im WIR-Bereich werden Bau-, Hypothekar-,
Kontokorrent- und Investitionskredite angeboten.
Der WIR Bank entstehen aus ihrer Geldschöpfung keine Kredit- bzw. Refinanzierungskosten.
Sie selbst muss für die vergebenen Kredite also keine Zinsen aufbringen. Genau aus diesem
Grund kann sie ihre Kredite gegen besonders niedrige Zinssätze zur Verfügung stellen.
Obwohl ein WIR-Franken einem Schweizer Franken gleichgesetzt ist, wird der WIR-Franken
in der Praxis zu weniger als einem Franken bewertet und getauscht. Die Leitung des
damaligen Wirtschaftsrings hat deshalb 1973 den Teilnehmern den Handel von WIR-Geld
gegen Schweizer Franken oder andere Währungen verboten. Bei Verstössen gegen die
Geschäftsbedingungen drohen Ausschluss aus dem WIR-System und hohe
Konventionalstrafen. Die WIR Bank geht so rigoros gegen den Handel mit WIR-Guthaben
vor, weil diese Praktiken das WIR-System aushöhlen und der Qualität der WIR-Verrechnung
schaden
Es entwickelten sich die typischen Zeichen einer deflationären Abwärtsspirale: Abnehmende
Geldmenge → Sinkende Löhne → Geldhortung (Konsumrückgang) → Warenstau
Firmenpleiten Entlassungen Massenarbeitslosigkeit.
In Berücksichtigung des Eigennutzes trat Gesell ein für freien, fairen Wettbewerb mit
gleichen Chancen für alle. Dazu gehörte für ihn der Abbau aller ererbten und gesetzlichen
Vorrechte. Jeder sollte sich allein auf seine persönlichen Fähigkeiten abstützen müssen, damit
aber auch sein Auskommen finden können. In der von ihm angestrebten „natürlichen
Wirtschaftsordnung“ würde der freie Wettbewerb den Begabtesten gerechterweise das
höchste Einkommen sichern, ohne Verfälschung durch Zins und Bodenrente. Ebenso würde
sie den weniger Befähigten ein ausreichendes Auskommen gewähren, weil ihnen keine
Abgaben für Zins und Bodenrente auferlegt sein würden. Ein gerechter Ausgleich von Arm
und Reich wäre möglich. Daneben stünden für die Unterstützung von Bedürftigen genügend
Mittel zur Verfügung, weil das erhöhte Durchschnittseinkommen jedem erlaube, für sie das
Nötige aufzuwenden.
75
Einsichten und Folgerungen
Unter dem Einfluss der wirtschaftlichen Krisen Argentiniens auf die eigene Geschäftstätigkeit
stellte Gesell die These auf, dass eine gleichmäßige Umlaufgeschwindigkeit des Geldes für
eine krisenfreie Wirtschaft von hoher Bedeutung sei. Gesell forderte, dass Geld der Wirtschaft
nur als Tauschmittel dienen, sie aber nicht als Hortungsmittel lähmen darf. Alles in der Natur
unterliege dem rhythmischen Wechsel von Werden und Vergehen, nur das Geld scheine der
Vergänglichkeit alles Irdischen entzogen.
Da das Geld im Gegensatz zu Waren und menschlicher Arbeitskraft weder „rostet“ noch
„verdirbt“, kann ein Geldbesitzer sein Geld nach Gesells Auffassung ohne Nachteil
zurückhalten, „horten“. Er kann warten, bis die Waren für ihn billig oder die Zinsen hoch
genug sind. Mit dem Zuwarten stört er den Wirtschaftskreislauf. Händler werden gezwungen,
ihre Preise zu senken. In der Folge müssen sie ihre Kosten durch Kredite decken. Diesen
Bedarf lässt sich der Geldbesitzer nach Gesells Vorstellungen durch den Zins belohnen, ein
Einkommen, für das er keine Leistung erbringt. Die Zinseinnahme verleiht er erneut, so dass
seine Zinseinnahmen ständig wachsen (Zinseszins). So werden nach Gesell „leistungslos“
Reichtümer dort angehäuft, wo sie nicht benötigt werden. Im Gegenzug dazu wird der
arbeitenden Bevölkerung der ihr zustehende volle Arbeitsertrag vorenthalten.
Durch die Marktüberlegenheit des Geldbesitzers sah Gesell das freie Kräftespiel zwischen
Verkäufer und Käufer grundlegend gestört. Daraus zog er den Schluss, Geld solle in seinem
Wesen der Natur entsprechen und natürlichen Dingen nachgebildet sein. Das Geld in der
Hand eines Geldbesitzers müsse wie menschliche Arbeitskraft und Waren mit der Zeit an
Wert einbüßen, dann habe es auf dem Markt keine Vormachtstellung mehr. Geld wäre einem
ständigen Weitergabedruck unterstellt. Jeder Geldbesitzer werde sein Geld nicht zu lange
zurückhalten, sondern damit Waren oder Dienstleistungen kaufen, laufende Rechnungen
begleichen oder es ohne Zinsforderung verleihen, um so der Wertminderung zu entgehen. So
wirke Geld als Diener des Menschen und nicht als dessen Herrscher.
Dieses Geld nannte Gesell „Freigeld“. Die Ausgabe des Freigeldes soll dem Staat vorbehalten
sein, der hierfür ein Währungsamt einzurichten hat. Bei Inflationsgefahr soll das
Währungsamt Freigeld einziehen, bei Deflationsgefahr solches ausgeben. Mit ihm wäre die
schädliche risikofreie Hortungsfähigkeit des Geldes überwunden. Zur Verwirklichung seiner
Idee schlug er den Wechsel vom damals noch vorherrschenden Münzgeld zu Papiergeld vor,
an dem sich die erforderlichen Vermerke über Wertminderung oder Gültigkeitsverfall eines
Geldscheins vornehmen lassen. Wegen seiner Wertminderung würde Freigeld auch bei
sinkenden Preisen (Deflation) und niedrigen Zinssätzen nicht gehortet werden. Gesell glaubte,
auf diese Weise käme es zu einem starken und dauerhaften Kapitalangebot für die Wirtschaft.
Er wollte so „den Zins in einem Meer von Kapital ersäufen“, wie er sich ausdrückte. Durch
seinen gesicherten Umlauf würde Freigeld der Wirtschaft Krisen ersparen und durch das
Absinken des allgemeinen Zinsniveaus zugleich die soziale Frage lösen.
Stabiles Geld stabile Wirtschaft
Oberstes Ziel Gesells war eine Wirtschaft ohne störende Konjunkturschwankungen und eine
gerechte soziale Ordnung. Im Hinblick darauf forderte Silvio Gesell auch einen stabilen
Geldwert, verbunden mit freien Wechselkursen und Aufhebung der Golddeckung. Dies
bedeutet die Lösung der Geldmenge von den Goldvorräten der Zentralbanken wie auch die
Aufhebung ihrer Einlösungspflicht von Geld gegen Gold.
76
Erst durch den durch Freigeld gesicherten stetigen Geldumlauf werde es möglich, die Menge
des Geldes so zu dosieren, dass seine Kaufkraft und damit auch die Preise stabil bleiben.
Der Zentralbank, in Deutschland damals die Reichsbank, solle das Recht zur Ausgabe von
Banknoten entzogen und einem unabhängigen Währungsamt übertragen werden. Zum Steuern
der Geldmenge genügten ihm lediglich eine Druckerpresse zum Druck von Banknoten bei
Geldmangel und ein Ofen zum Verbrennen derselben bei Geldüberschuss. Es gäbe keine
massiven Schwankungen in der Wirtschaft und keine störenden Deflationen und Inflationen
mehr. Auch die sozialen Unruhen durch hohe Arbeitslosigkeit würden, laut Gesell, dauerhaft
beseitigt.
Sein Steuersystem beruhte auf der Zeitfaktor-Ökonomie.
In Ergänzung zu flexiblen Wechselkursen schlug Gesell auch die Bildung einer
internationalen Zahlungsvereinigung (Internationale Valuta-Assoziation, IVA) und die
Einführung einer internationalen Währung mit Umlaufsicherung vor. Damit wollte er den
internationalen Zahlungsverkehr erleichtern und ihn von bestehenden Länderwährungen
unabhängig machen.
Urzins
Bei seinen Untersuchungen entdeckte Gesell einen allen Zinsforderungen zugrunde liegenden
Zinsanteil, den er Urzins nannte, einen Mehrwert des Geldes. Den Urzins begründete Gesell
ebenfalls mit der Überlegenheit des Geldes über Arbeitskraft und Waren. Er sei eine
unvermeidliche Begleiterscheinung einer Wirtschaft mit Geldgebrauch. Der Urzins sei es, der
dem Geldbesitzer als Kreditgeber (Gläubiger) einen leistungslos zufallenden Anteil am
Arbeitsertrag seines Kreditnehmers (Schuldners) und seiner Kunden zuführe und dadurch zu
großer sozialer Ungerechtigkeit führe. Unter den Urzins sei über Jahrhunderte hinweg kein
Zins je gesunken. Seine Höhe gab er mit zwei bis drei Prozent an.
Alle Zinsforderungen sah Gesell als Summe aus Urzins, Inflationsausgleich und Risikoanteil.
Dazu komme, solange die Wirtschaft wächst, ein produktionsbedingter Wachstumsanteil, den
er Darlehenszins auf Sachgütern nannte. Schließlich fordere die Bank für Kreditvermittlung
ein Vermittlerentgelt. Damit setze sich Zins aus fünf Anteilen zusammen, auch wenn sie in
der Praxis nicht einzeln ausgehandelt würden.
Könne die Überlegenheit des Geldes auf dem Markt durch die Einführung von Freigeld
beseitigt werden, so würde sich nach Gesell der Urzins auf null abbauen und aus sämtlichen
Zinsarten verschwinden. Weil durch Freigeld zugleich Inflation und Deflation weitgehend
überwunden werden könnten, würde automatisch auch der Inflationsausgleich im Zins
wegfallen. Weiterhin ergäben sich aus einem stabileren Wirtschaftsverlauf geringere
Kreditrisiken, so dass auch der Risikoanteil im Zins zurückginge. Ohne Wirtschaftswachstum
würde schließlich noch der Wachstumsanteil wegfallen, so dass praktisch von einem Nullzins
gesprochen werden könne. Das Schrumpfen der Zinshöhe führe zu einer bedeutenden
allgemeinen Entlastung der Wirtschaft und der Bevölkerung eines Landes von Zinskosten.
Auf der anderen Seite wäre das Anhäufen leistungslos erworbenen Reichtums aus
Zinseinnahmen nicht mehr möglich. Stattdessen ergäbe sich ein grundsätzlich größerer
Wohlstand der arbeitenden Bevölkerung und eine weitgehende Lösung der sozialen Frage.
77
Mit der Erklärung des Zinsproblems aus dem Urzins als Erscheinung einer Geldwirtschaft
stellte sich Silvio Gesell in Gegensatz zu Karl Marx, der den Zins aus den
Produktionsverhältnissen der Wirtschaft erklärte. Es entging Gesell jedoch, dass auch sein
Darlehenszins ein produktionsbedingter Zinsanteil ist, ein Mehrwert des produktiven Kapitals.
Er glaubte, der Darlehenszins könne nach Einführung des Freigeldes völlig zum
Verschwinden gebracht werden, weil schließlich das Angebot von Krediten die Nachfrage
danach übersteigen und dadurch der Darlehenszins zu null werde. Er verkannte, dass stets
neuartige Investitionsbedürfnisse auftreten, die zu neuer Kreditnachfrage führen.
Bodenreform
Gesell erkannte auch im Bereich des Bodenrechts die Möglichkeit, leistungslose Einkommen
zu beziehen. Diese besteht für die Bodeneigentümer darin, von ihren Pächtern und Mietern
Bodenrente zu verlangen. Darüber hinaus würden Großgeldbesitzer, denen leistungslose
Einkommen aus Zinsen nach der Einführung von Freigeld beschnitten seien, auf den Aufkauf
von Grundstücken ausweichen. Dadurch würden die Grundstückspreise in unermessliche
Höhen klettern, sehr zum Nachteil aller Übrigen, weil jeder Mensch zum Leben und Arbeiten
auf Boden angewiesen sei.
Um auch hier Abhilfe zu schaffen, forderte Gesell, den Boden gegen Entschädigung in
öffentliches Eigentum zu überführen, ihn zugleich aber seinen bisherigen Eigentümern gegen
Entrichtung einer ständig wiederkehrenden Nutzungsabgabe an den Staat weiterhin zur
Nutzung zu überlassen. Die darauf errichteten Gebäude und sonstigen Einrichtungen blieben
hingegen weiterhin Privateigentum. Damit würde die Bodenrente der Allgemeinheit
zufließen. Handel und Spekulation mit Boden wären unmöglich. Die Höhe der Abgabe solle
für jedes Grundstück gesondert in einem Meistbietungsverfahren ermittelt und von Zeit zu
Zeit veränderten Verhältnissen angepasst werden. Solchen Boden nannte Gesell „Freiland“.
Bei diesen Überlegungen ging Gesell davon aus, dass Boden ein Produkt der Natur und nicht
des Menschen ist. Die Erde sollte allen Menschen gleichermaßen gehören. Deshalb durfte es
für Gesell an Boden kein privates Eigentum geben, im Gegensatz zu den darauf bestehenden
Einrichtungen. Eigentum an Boden sollte allein dem Staat zustehen.
Die Einkünfte des Staates aus den laufenden Bodennutzungsabgaben wollte Gesell in voller
Höhe als Mutterrente an die Mütter verteilt haben gemäß der Zahl ihrer Kinder. Gesell
glaubte, der Wert des Bodens und damit die Bodenrente stiegen mit zunehmender Zahl der
Bewohner eines Landes und damit zunehmender Nachfrage nach Boden. Mit der Mutterrente
verfolgte Gesell das Ziel, Frauen von Männern wirtschaftlich unabhängig zu machen, damit
sie aus Liebe und nicht um der Versorgung willen einen Mann heiraten.
Zusammen mit dem Wegfall des Urzinses sollte der Wegfall der Bodenrente den Arbeitenden
das Recht auf den vollen Arbeitsertrag sichern
Historisches
Seit es Eigentum gibt, wird Zins verlangt und gezahlt. Schon die ersten Hochkulturen trafen
daher Regelungen, die Höhe des Zinses zu begrenzen. In Mesopotamien ist der Codex
Hammurapi überliefert, der in § 89 einen maximalen Zinssatz von 20% für Silberkredite und
33 1/3% für Gerstenkredite vorschrieb. Im klassischen Griechenland und Römischen Reich
sind Zinssätze von 6 % bis 10% überliefert. Auch hier bestanden gesetzliche Regelungen
78
gegen Wucher. Die Zinssätze schwankten je nach Bonität und wirtschaftlicher Lage. Im
Mittelalter bestand kein geregeltes Bankwesen. Verbindlichkeiten entstanden meist aus
Notlagen, das Zinsniveau war dementsprechend hoch. Ab der Renaissance entwickelt sich
wieder ein Bankwesen, beginnend in Norditalien. Gute Schuldner hatten die Möglichkeit, sich
ab 4 % zu finanzieren. Auch die Höhe der Zinssätze für Staatsanleihen stabiler Staaten im 18.
und 19. Jahrhundert lagen zwischen 3 % und 5 %. Entsprechend legte das BGB den
gesetzlichen Zinssatz auf 4 % fest (§ 246 BGB). Mit der Hyperinflation nach dem Ersten
Weltkrieg stiegen auch die Zinssätze in astronomische Höhen. Seitdem schwanken die
Zinssätze mit der Konjunktur und der Inflation. Als Hochzinsphase der Nachkriegszeit gelten
die 1970er Jahre, während die Zinsen sich derzeit auf niedrigem Niveau befinden.
Zinsen wurden in vergangenen Jahrhunderten an bestimmten Tagen im Jahr fällig (sogenannte
Zinstage) und mussten bezahlt werden (Zahltag).
Kritik am Zins
Bei der Kritik ist zu unterscheiden zwischen religiösen, ethischen und ökonomischen
Aspekten. Im Tanach wird Juden das Nehmen von Zinsen untereinander verboten, „Fremden“
gegenüber hingegen erlaubt. Christen wurde bis in das 18. Jahrhundert durch päpstliche
Erlasse das Nehmen von Zinsen generell verboten (siehe Zinsverbot, Enzyklika Vix pervenit).
In einigen Staaten wird die Shariah so ausgelegt, dass jegliches Nehmen von Geldzinsen
Wucher entspricht, und damit verboten ist. Zum Zinsverbot im Islam siehe Islamisches
Bankwesen.
Zur Zeit des Nationalsozialismus wurde unter anderem von Gottfried Feder die sogenannte
Brechung der Zinsknechtschaft gefordert. Darunter verstand Feder, dass das deutsche Volk
sich in einem kontinuierlichen Abhängigkeits- und Ausbeutungszustand durch jüdisch
geführte Finanzinstitute befinde.
Nach freiwirtschaftlicher Auffassung ist nicht der Zins das Problem, sondern der Anteil des
Zinses - die Liquiditätsprämie - der ein marktgerechtes Absinken des Zinsniveaus auf etwa
Null verhindert. In der Situation, in der das Zinsniveau die Liquiditätsprämie unterschreiten
würde, würde nicht mehr (ausreichend) investiert. In Folge würde die „Geldhortung“
(Liquiditätsfalle) dazu führen, dass die Geld-Umlaufgeschwindigkeit weiter reduziert würde
und dies zu deflationären Zuständen führe.
Vereinzelt wird die Berechtigung zur Erhebung von Zins im Zusammenhang mit der
Giralgeldschöpfung als fragwürdig bezeichnet, weil hier der Schuldner neben Tilgung und
Besicherung des Kredits im vollen Umfang und über die gesamte Laufzeit Zinsen zahlen
muss, obwohl die kreditausgebende Geschäftsbank auf einen Teil des Kreditbetrags
Zinseinnahmen erzielt, ohne das bei der Geldschöpfung nennenswerte Kosten entstanden sind
Die Geschichte aller bisherigen Gesellschaft ist die Geschichte von Klassenkämpfen.“
MEW 4:462
„Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur
Unterdrückung einer andern.“
MEW 4:482
79
Marx definiert zwei Hauptklassen der Gesellschaft:
Einerseits die Bourgeoisie bzw. die Klasse der Kapitalisten, welche die zur Produktion
notwendigen Produktionsmittel (Boden, Fabriken, Maschinen etc.) besitzen, und die
heute im Allgemeinen Arbeitgeber genannt werden. Diese Klasse setzt Marx auch mit
der „herrschenden Klasse“ gleich, nach deren Interessen die Gesellschaft strukturiert
sei und deren Gedanken die öffentliche Meinung und Ideologie bestimmen: „Die
herrschenden Ideen einer Zeit waren stets nur die Ideen der herrschenden Klasse.“
(MEW 4: 480)
Andererseits das Proletariat, d. h. die Klasse der Arbeiter, die keine eigenen
Produktionsmittel besitzen und deshalb gezwungen sind, Lohnarbeit zu verrichten, um
ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Auch Angestellte zählen in gewissem Sinne
zum Proletariat, wenngleich Marx oft die Produktivität des Herstellens beim Arbeiter
betont, während die Angestellten nur bereits hergestellte Produkte zu verkaufen
helfen, also keine Arbeit im eigentlichen Sinne, sondern „Dienst“ verrichten. Beide
aber leben vom Verkauf ihrer Arbeitskraft an einen Kapitalisten, der ihnen für ihre
Arbeit oder ihren Dienst einen Lohn ausbezahlt. Dieser Lohn sei in etwa so bemessen,
dass der Proletarier seine Arbeitskraft „reproduzieren“ kann (Essen, Wohnen,
Erholung), jedoch anderseits nicht selbst Produktionsmittel kaufen kann, wodurch er
von der Lohnarbeit abhängig bleibe. Marx bezeichnet die Lohnarbeit deswegen auch
oft als „Zwangsarbeit“.
Eine dritte Klasse ist das Kleinbürgertum, d. h. die Klassen der Kleinunternehmer und
Selbstständigen. Diese Klasse jedoch werde vom Großbürgertum zunehmend
verdrängt und letztlich ins Proletariat hinabgedrängt. Außerdem existiere ein Sub-
oder Lumpenproletariat aus Obdachlosen, Bettlern und Tagelöhnern, dem er ebenso
wie dem Kleinbürgertum keine gesellschaftliche oder gar revolutionäre Bedeutung
beimisst.
Formell sind in der bürgerlichen Gesellschaft alle Mitglieder frei und rechtsgleich. De facto
aber können für Marx die Proletarier nur wählen, an wen sie ihre Arbeitskraft verkaufen, d. h.
von welchen Ketten sie sich fesseln lassen. Solange das bürgerliche Recht auf Eigentum an
Produktionsmitteln herrsche, bedeute juristische Gleichheit zwangsläufig soziale
Ungleichheit, die durch die Anerkennung der bürgerlichen Ordnung und des bürgerlichen
Staates reproduziert und aufrechterhalten werde.
Gesellschaftlicher Widerspruch und Krise
Die Anhäufung (Akkumulation) des gesellschaftlichen Reichtums erfolge im Kapitalismus
also stets nur über die Ausbeutung fremder Arbeitskraft als Lohnarbeit. Der Kapitalist zahle
dem Arbeiter nur einen Teil des von ihm im Produktionsprozess geschaffenen tatsächlichen
Wertes als Lohn aus das reale Mehrprodukt der gesellschaftlich verrichteten Arbeit komme
aber nicht der Gesellschaft insgesamt zugute, sondern werde privat als Mehrwert angeeignet.
Diese private Aneignung des Mehrprodukts, aber auch der schöpferischen Arbeitskraft der
Individuen überhaupt, prangert Marx deshalb als Ausbeutung an.
80
Die vom Kapitalisten gewonnene Profitrate sinke nach Marx jedoch immer weiter, wie er in
seinem Gesetz des tendenziellen Falls der Profitrate darstellt. Einerseits sei dieser Fall der
Profitrate durch den zunehmenden Einsatz von Maschinen bedingt, da nach der
Arbeitswertlehre die wertschöpfende Instanz einzig in der menschlichen Arbeitskraft liege,
welche durch den Einsatz von Maschinen kontinuierlich abnehme (Fixes Kapital vs. Variables
Kapital). Andererseits sinke die Profitrate auch aufgrund der Konkurrenz der Kapitalisten
untereinander, die sich stets unterbieten müssen, um auf dem Markt bestehen zu können. Um
diese durch stetig sinkende Einnahmen entstehenden Kosten auszugleichen, müsse der
Kapitalist auf der anderen Seite Ausgaben einsparen vornehmlich durch Senkung der
Produktionskosten, d. h. durch Lohnsenkungen der Arbeiter oder durch Verlängerung der
Arbeitszeit sowie Steigerung der Arbeitsproduktivität.
Der aus dieser Konstellation unvermeidliche Widerspruch zwischen dem
Verwertungsinteresse des Kapitals und den Bedürfnissen des Proletariats bestimmt nach Marx
den grundsätzlich antagonistischen Charakter der kapitalistischen Produktionsweise und sei
letztlich die Ursache für die regelmäßig auftretenden Krisen des Kapitalismus, die schließlich
auch zu revolutionären Erhebungen der Arbeiter führen müssen. Mit der durch die
ökonomischen Widersprüche des Kapitalismus bedingten Unausweichlichkeit revolutionärer
Aufstände schlage schließlich die weltgeschichtliche Stunde der kommunistischen
Revolution. Das Kapital produziere seine eigenen „Totengräber“.
Die Entfremdung der Arbeit
Nicht nur in der Ausbeutung des Arbeiters und im unversöhnlichen Widerspruch der
Klasseninteressen besteht für Marx das Problem des Kapitalismus. Die ganze Existenz des
Menschen, sein Menschsein selbst, sieht er durch die kapitalistischen Verhältnisse entfremdet
und geknechtet. Das Wesen der menschlichen Existenz lokalisiert er, im Anschluss an Hegel
sowie an Feuerbachs Begriff des „Gattungswesens“, in der Fähigkeit des Menschen, seine
Umwelt schöpferisch und frei zu gestalten. Die zentrale Kategorie der Marx’schen
Philosophie ist deshalb der Begriff der Arbeit, welche Marx als „Stoffwechsel mit der Natur“
definiert. Arbeit ist für ihn, wie schon für Hegel, die Universalkategorie der menschlichen
Existenz:
„Als Bildnerin von Gebrauchswerten, als nützliche Arbeit, ist die Arbeit daher eine von allen
Gesellschaftsformen unabhängige Existenzbedingung des Menschen, ewige
Naturnotwendigkeit, um den Stoffwechsel zwischen Mensch und Natur, also das menschliche
Leben zu vermitteln.“
MEW 23:57
Im Kapitalismus aber sei die Arbeit auf grundlegende Weise entfremdet und pervertiert. Denn
Arbeit im Kapitalismus werde nicht im Interesse der Schaffung von Gebrauchswerten
verrichtet, und noch weniger zur Verwirklichung kreativer Schöpferkraft, sondern lediglich
zur Erzielung von Tauschwerten. Der Arbeiter könne über seine Arbeitskraft nicht frei
verfügen, sondern müsse sie nach den Vorgaben des Kapitalisten einsetzen, für den er
arbeitet. Die Güter, die er so produziert, erlebe der Arbeiter nicht mehr als seine eigenen,
sondern als fremde; er könne sich in den Ergebnissen seiner eigenen Tätigkeit nicht
wiedererkennen. Diesen Prozess bezeichnet Marx, auch hierin Hegel folgend, als
Entfremdung bzw. „Entäußerung“.
81
„Worin besteht nun die Entäußerung der Arbeit? Erstens, dass die Arbeit dem Arbeiter
äußerlich ist, d. h. nicht zu seinem Wesen gehört, dass er sich daher in seiner Arbeit nicht
bejaht, sondern verneint, nicht wohl, sondern unglücklich fühlt, keine freie physische und
geistige Energie entwickelt, sondern seine Physis abkasteit und seinen Geist ruiniert. Der
Arbeiter fühlt sich daher erst außer der Arbeit bei sich und in der Arbeit außer sich. Zu Hause
ist er, wenn er nicht arbeitet, und wenn er arbeitet, ist er nicht zu Hause. Seine Arbeit ist daher
nicht freiwillig, sondern gezwungen, Zwangsarbeit. Sie ist daher nicht die Befriedigung eines
Bedürfnisses, sondern sie ist nur ein Mittel, um Bedürfnisse außer ihr zu befriedigen.“
Ökonomisch-philosophische Manuskripte aus dem Jahre 1844, MEW Ergänzungsband
I:514
Ideologiekritik
Der Fetischcharakter der Ware
In seinem späteren Werk tritt an die Stelle des philosophisch voraussetzungsvollen
Entfremdungsbegriffs (der ja implizit die Vorstellung einer nicht-entfremdeten Arbeit
voraussetzt) der Begriff des „Warenfetischismus“, wie er im ersten Band des Kapitals im
berühmten Kapitel über den „Fetischcharakter der Ware und ihr Geheimnis“ entwickelt wird.
Damit ist die Verschleierung der geleisteten menschlichen Arbeit gemeint, die man einem
fertigen, als Ware zirkulierenden Produkt nicht mehr ansieht. Auch dies ist der Sache nach
eine Form der Entfremdung, dient im Kontext des Kapitals jedoch nicht mehr so sehr zur
Bestimmung des Elends der Arbeiter, sondern zum Verständnis der ideologischen Struktur
der kapitalistischen Gesellschaft.
Je weniger die Menschen sich in den Produkten ihrer Arbeit wiedererkennen und sie als von
ihnen selbst gemachte Produkte begreifen können, desto selbständiger erscheinen ihnen diese
Produkte selbst. Insbesondere in der Form des Geldes und des Kapitals beide nichts weiter
als akkumulierte, angehäufte Waren in abstrakter Form erscheinen die Produkte der
menschlichen Arbeit als verselbständigte, „automatische Subjekte“. (MEW 23:169) Die
Verwandlung von Geld in mehr Geld, auf dessen Prinzip der Kapitalismus beruhe, erscheine
als selbständige Bewegung des Geldes (etwa in der Form des scheinbar selbsttätigen Zinses),
nicht als Resultat menschlicher Arbeit. Dadurch werden, so Marx, die dinglichen Objekte zu
Subjekten, und umgekehrt die menschlichen Subjekte zu ohnmächtigen Objekten. Die
Warenproduzenten werden von ihren Produkten beherrscht: „Ihre eigne gesellschaftliche
Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie
stehen, anstatt sie zu kontrollieren.“ (MEW 23: 89) Die kapitalistische Gesellschaft beruht
auf einer grundlegenden Verkehrung, sie steht gewissermaßen auf dem Kopf.
So werden die Produkte zu Fetischen, zu scheinbar magischen Gegenständen. Gleichwohl sei
eben dieser Anschein bloßer Schein. Auch wenn die Arbeit nicht mehr wahrgenommen wird,
bleibe sie die eigentlich wertschöpfende Instanz und die Ursache aller Bewegung. Der
Fetischcharakter der Ware sei eine Täuschung, obgleich diese Täuschung kein bloßer Irrtum
sei, sondern eine praktische Ursache besitze: die Teilung der Gesellschaft in Arbeitende und
Arbeiten-Lassende, d. h. in jene, die Produkte herstellen und andere, denen diese Produkte
gehören.
Drucken: Gedruckt bis Seite 23
82
Niederländische Ostindien-Kompanie - Die ersten Aktien
Die Privilegien, die die Niederländischen Staaten der VOC gewährt hatten, waren zeitlich
limitiert, jedoch weit weniger begrenzt, als eine einzelne Handelsexpedition es gewesen wäre.
Die Nutzung der Privilegien erforderte in der Praxis einen beträchtlichen finanziellen
Aufwand, den die einzelnen Kammern nicht in der Lage bzw. gewillt waren zu tragen. Das
Ende der auf Einzelfahrten ausgerichteten Vorkompanien hin zu einer kontinuierlich
arbeitenden Ostindien-Kompanie benötigte die Schaffung eines festen Kapitalstocks.
Die Direktoren der VOC beschlossen die (historisch erstmalige) Finanzierung der Kompanie
durch die Herausgabe von Aktien. Während vorherige Finanzierungen eher mittelfristigen
Schuldverschreibungen entsprachen, sich also auf Schiffladungen bezogen, blieben die
Aktionäre (participanten) der VOC zehn Jahre an ihre Anlage gebunden. Nach der verzinsten
Rückzahlung 1612 wurde den Aktionären dann die Möglichkeit geboten, für weitere zehn
Jahre zu zeichnen. Hinzu kam eine Dividendenzahlung. Darüber hinaus aber hatten die
Aktionäre keine Mitspracherechte in der VOC. Dies änderte sich auch 1622/23 kaum, als die
Rechte der Compagnie um weitere zwanzig Jahre verlängert wurden. 1602 legten Investoren
6,5 Millionen Gulden in der VOC an (heutiger Gegenwert etwa 100 Millionen US-Dollar).
Schon seit der Gründung herrschte innerhalb der Compagnie Korruption und eine
Selbstbedienungsmentalität vor allem der oberen Ränge der einzelnen
Handelsniederlassungen, die das Amsterdamer (und Middelburger) Mutterhaus einen Großteil
der Gewinne gekostet haben dürfte. Deshalb wurde das Compagniesignet VOC auch mit
vergaan onder corruptie (Untergang durch Korruption) aufgelöst. Die weiten Entfernungen,
die (aus niederländischer Sicht) rechtsfreien Räume der ostindischen Gebiete und die
Anforderung an das Charakterprofil des Führungspersonals - worin nebst Herkunft vor allem
Machtinstinkt oder Durchsetzungsvermögen, kaum aber Redlichkeit eine Rolle gespielt haben
dürften - begünstigten diese Entwicklung.
Kritisch wurde die Gewinnsituation der Compagnie durch Veränderungen der europäischen
Kundenwünsche. Statt Gewürze, in dem die VOC eine Monopolstellung hatte, wurden nun
andere Güter gefragt. Besonders bei Tee, Seide und Porzellan gab es harte Konkurrenz, (EIC).
Die Gewinne waren rückläufig und wurden durch die außenpolitischen Ereignisse verstärkt.
Im Laufe des 18. Jahrhunderts stiegen die zu veranschlagenden Risiken des Überseehandels
und damit auch die Verwaltungskosten der VOC derart an, dass schließlich sogar Verluste
entstanden, die aus den finanziellen Rücklagen der Compagnie gedeckt werden mussten.
Die Compagnie, die das riskante Unternehmen während dreier Kriege mit dem britischen
Empire (Erster Englisch-Niederländischer Seekrieg von 1652 bis 1654, Zweiter Englisch-
Niederländischer Seekrieg von 1665 bis 1667 und Dritter Englisch-Niederländischer Seekrieg
von 1672 bis 1674) den Ärmelkanal zu durchschiffen, auf sich genommen und nicht nur
überstanden, sondern sich derweil sogar zur größten Handelsunternehmung der Welt
entwickelt hatte, begann nun unter dem Vierten Krieg 17801784 deutlich zu leiden: Die
Retour-Flotten aus Asien konnten ihre europäischen Heimathäfen nicht mehr anlaufen,
entsprechend fanden keine Waren-Auktionen mehr statt. Zudem verlor die durch verlustreiche
Jahre finanziell nur noch dünn ausgestattete Compagnie nun auch ihre Kreditwürdigkeit. Das
Schicksal der VOC wurde aber erst mit dem Einmarsch der Franzosen in den Niederlanden
besiegelt.
83
Britische Ostindien-Kompanie - Die Gründungsjahre
Die Gesellschaft wurde als The Governor and Company of Merchants of London Trading into
the East Indies von einer Gruppe unternehmungslustiger und einflussreicher Geschäftsmänner
gegründet, die einen königlichen Freibrief mit einem exklusivem Recht (Monopol) zum
Handel mit Indien für eine Dauer von 15 Jahren erhielt. Die Kompanie hatte 125
Anteilseigner und ein Grundkapital von 72.000 Pfund. Anfänglich konnte sie jedoch die
niederländische Kontrolle über den Gewürzhandel kaum erschüttern. Auch gelang es ihr
zunächst nicht, einen dauerhaften Stützpunkt in Indien zu errichten. Schließlich erreichten
ihre Schiffe Indien und legten in Surat an. Dort wurde dann auch 1608 ein Handelsstützpunkt
errichtet. In den folgenden zwei Jahren konnte sie ihr erstes Handelskontor in Machilipatnam
an der Koromandelküste in der Bucht von Bengalen aufbauen. Die hohen Gewinne, die von
der Kompanie in Indien gemeldet wurden, veranlassten König James I., auch anderen
britischen Handelsgesellschaften Lizenzen zu erteilen. Doch 1609 erneuerte er den Freibrief
der Kompanie für unbestimmte Zeit, mit der Einschränkung, dass der Freibrief nach drei
aufeinanderfolgenden Jahren ohne Gewinne außer Kraft treten würde.
Niederlassungen in Indien
Ihre Händler waren häufig in Zusammenstöße mit ihren niederländischen Gegenspielern im
indischen Ozean verwickelt. Vielleicht sah man die Nutzlosigkeit von Handelskriegen in
fernen Gewässern ein, jedenfalls entschlossen sich die Briten, Möglichkeiten einer
dauerhaften Niederlassung auf dem indischen Festland zu erkunden. Man veranlasste die
britische Regierung, eine diplomatische Initiative zu beginnen. 1615 wurde Sir Thomas Roe
von James I. beauftragt, den Mogulkaiser Jahangir aufzusuchen, der 70 Prozent des
Subkontinents beherrschte. Das Ziel dieser Mission war es, ein Handelsabkommen
abzuschließen, das der britischen Ostindien-Kompanie exklusive Rechte geben würde, sich in
Surat und anderen Gegenden niederzulassen und Kontore zu gründen. Im Gegenzug bot die
Kompanie an, den Kaiser mit Waren und Luxusgütern aus Europa zu versorgen
Expansion
Mit derartiger Unterstützung gelang es der Kompanie bald, die Portugiesen zu übertreffen, die
Niederlassungen in Goa und Bombay gegründet hatten. Ihr gelang es, Niederlassungen in
Surat (Kontorgründung 1612), Madras (1639), Bombay (1668) und Kalkutta zu gründen. Im
Jahr 1647 hatte die Kompanie 23 Kontore und 90 Angestellte in Indien. Die Hauptkontore
wurden die Festungen Fort William in Bengalen, Fort St. George in Madras und Bombay
Castle. Im Jahr 1634 erweiterte der Mogulkaiser seine Gastfreundschaft für die englischen
Händler in der Region Bengalen (und im Jahr 1717 befreite einer seiner Nachfolger sie
vollständig von den Zöllen für Waren). Das Kerngeschäft der Kompanie waren nun
Baumwolle, Seide, Indigo-Farbstoff, Salpeter und Tee. Während der gesamten Zeit versuchte
sie, in das niederländische Gewürzmonopol in der Straße von Malakka vorzudringen. Im Jahr
1711 errichtete die Kompanie eine Handelsniederlassung in Kanton, China, um mit Tee Silber
einzutauschen. 1657 erneuerte Oliver Cromwell den Freibrief von 1609, und veranlasste
geringfügige Veränderungen in der Eigentümerstruktur der Kompanie.
Die Stellung der Kompanie wurde durch die Wiederherstellung der Monarchie in
Großbritannien erhöht. Durch eine Folge von 5 Gesetzeserlässen um das Jahr 1670 stattete
König Charles II. sie mit den Rechten aus, selbständig Territorien zu erwerben, Geld zu
prägen, Festungen und Truppen zu befehligen, Bündnisse einzugehen, Krieg zu erklären,
84
Frieden zu schließen und sowohl Zivil- als auch Strafgerichtsbarkeit in den erworbenen
Gebieten auszuüben. Die Kompanie, von Handelskonkurrenten, anderen imperialen Mächten
und zeitweilig feindlich gesinnten einheimischen Herrschern umgeben, hatte einen
wachsenden Bedarf an militärischem Schutz. Deshalb war die Freiheit, ihre militärischen
Angelegenheiten selbst zu regeln, ein willkommenes Geschenk, und die Kompanie stellte ab
1680 rasch ihre eigenen Streitkräfte auf, die sie hauptsächlich aus der einheimischen
Bevölkerung rekrutierte. Somit kann man darüber diskutieren, ob die Kompanie ab 1689 auf
dem indischen Festland einen Staat darstellte, da sie weitgehend souverän war. Sie verwaltete
die riesigen Gebiete von Bengalen, Madras und Bombay, zudem besaß sie vortreffliche und
ehrfurchtgebietende militärische Schlagkraft
Handelsmonopol
Der Wohlstand, den die Angestellten der Kompanie genossen, ermöglichte ihnen, in ihre
Heimat zurückzukehren und dort große Vermögen und Unternehmen zu erwerben, und
dadurch politische Macht zu erlangen. Daraus folgend entwickelte die Kompanie ihre eigene
Lobby im Parlament. Trotz allem geriet sie unter Druck ehrgeiziger Geschäftsleute und
früherer Partner der Kompanie (abschätzig von der Kompanie Gesprächspartner genannt), die
ebenfalls private Handelsfirmen in Indien etablieren wollten. Dies führte zur Verabschiedung
eines Deregulierungsgesetzes 1694. Dieses Gesetz erlaubte es jeder englischen Firma, mit
Indien zu handeln, sofern es nicht ausdrücklich durch ein Parlamentsgesetz verboten war.
Hierdurch wurde der Freibrief aufgehoben, der beinahe 100 Jahre in Kraft gewesen war.
Durch ein Gesetz von 1698 wurde eine neue "parallele" Ostindien-Kompanie (offiziell
English Company Trading to the East Indies genannt) ins Leben gerufen, die über eine
staatliche Bürgschaft von 2 Millionen Pfund verfügte. Doch bald erwarben die mächtigen
Anteilseigner der alten Kompanie für 315.000 Pfund Anteile an dem neuen Konzern und
beherrschten die Gesellschaft. Die beiden Gesellschaften konkurrierten eine Zeit lang sowohl
in England als auch in Indien um Marktanteile. Schnell wurde jedoch klar, dass die
ursprüngliche Gesellschaft kaum messbaren Wettbewerb spürte. Beide Gesellschaften
fusionierten im Jahr 1702 unter einem dreiseitigen Abkommen zwischen dem Staat und den
zwei Gesellschaften. Diesem Abkommen zufolge lieh die fusionierte Gesellschaft dem
Finanzministerium eine Summe von 3.200.000 Pfund und erhielt im Gegenzug für drei Jahre
exklusive Handelsrechte - danach sollte die Situation erneut begutachtet werden. Die
verschmolzene Gesellschaft wurde zur United Company of Merchants of England Trading to
the East Indies (Vereinigte Gesellschaft der Händler Englands, die mit Ostindien handeln).
In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich ein Hin-und-Her zwischen der Lobby der
Ostindien-Kompanie und dem Parlament. Die Kompanie versuchte, ihre Privilegien dauerhaft
zu etablieren, während das Parlament nicht freiwillig die Möglichkeit aufgeben wollte, die
Gewinne der Kompanie abzuschöpfen. Im Jahr 1712 erneuerte ein Gesetz den Status der
Kompanie, doch die Verbindlichkeiten wurden zurückgezahlt. Im Jahr 1720 kamen 15 % der
britischen Einfuhren aus Indien, und beinahe alle davon wurden über die Ostindien-Kompanie
abgewickelt. Dies verstärkte den Einfluss ihrer Lobby. Im Jahr 1730 wurde die Lizenz durch
ein neuerliches Gesetz bis 1766 verlängert.
Zu dieser Zeit wurden Großbritannien und Frankreich zu erbitterten Rivalen, und es kam zu
häufigen Gefechten zwischen ihnen um die Kontrolle ihrer kolonialen Erwerbungen. Im Jahr
1742 fürchtete die britische Regierung die finanziellen Auswirkungen eines Krieges und
stimmte der Ausweitung des Handelsmonopols der Ostindien-Kompanie mit Indien bis 1783
zu. Im Gegenzug erhielt sie einen weiteren Kredit von einer Million Pfund. Die Gefechte
85
mündeten in dem befürchteten Krieg, und zwischen 1756 und 1763 lenkte der Siebenjährige
Krieg die staatliche Aufmerksamkeit auf die Verstärkung und Verteidigung ihrer Territorien
in Europa und Nordamerika. Der Krieg fand auch auf dem indischen Subkontinent statt,
zwischen den Truppen der Ostindien-Kompanie und französischen Streitkräften. Um dieselbe
Zeit gewann Großbritannien durch die Ankunft der industriellen Revolution einen Vorsprung
vor den europäischen Rivalen. Die Nachfrage nach indischen Rohstoffen wurde durch den
Bedarf der Wirtschaft und zur Unterhaltung der Truppen in Kriegszeiten angeschoben. Als
Ausgangspunkt der industriellen Revolution erfuhr Großbritannien einen höheren
Lebensstandard, und dieser Zyklus aus Wohlstand, Nachfrage und Produktion hatte einen
tiefgreifenden Einfluss auf den Überseehandel. Die Ostindien-Kompanie wurde zum größten
einzelnen Teilnehmer im britischen Welthandel, und reservierte sich eine unangreifbare
Position in den Entscheidungsprozessen der Regierung.
Kolonialmonopol
Der Krieg endete mit einer Niederlage der französischen Streitkräfte und begrenzte die
französischen imperialen Ambitionen. Auch begrenzte die Niederlage den Einfluss der
industriellen Revolution in den französischen Gebieten. Robert Clive, der Generalgouverneur
von Indien, führte die Ostindien-Kompanie zu einem bemerkenswerten Sieg gegen Joseph
François Dupleix, den Kommandeur der Franzosen in Indien, und eroberte Fort St. George
von diesen zurück. Durch den Vertrag von Paris (1763) wurden die Franzosen gezwungen,
ihren Handel durch kleine Enklaven in Pondicherry, Mahé, Karaikal, Yanam und
Chandernagor ohne militärische Präsenz abzuwickeln. Obwohl diese kleinen Außenposten für
zwei Jahrhunderte in französischem Besitz blieben, wurden die französischen Ambitionen auf
indische Gebiete de facto begraben. Der Ostindien-Kompanie wurde dadurch ein größerer
potenzieller Wettbewerber erspart. Im Gegensatz dazu war die Ostindien-Kompanie nach
diesem kolossalen Sieg und mit dem Rückhalt ihrer disziplinierten und erfahrenen Armee in
der Lage, ihren Einfluss weiter auszudehnen.
Regulierung der Angelegenheiten der Ostindien-Kompanie
Finanzielle Schwierigkeiten
Obwohl die Ostindien-Kompanie bei der Unterwerfung widerspenstiger Staaten immer
brutaler und ehrgeiziger vorging, wurde es von Tag zu Tag offensichtlicher, dass die
Kompanie nicht in der Lage war, die riesigen neu erworbenen Gebiete zu verwalten. Die
Hungersnot von Bengalen, bei der ein Sechstel der einheimischen Bevölkerung ums Leben
kam, ließ zu Hause die Alarmglocken schrillen. Die Ausgaben für Militär und Verwaltung in
Bengalen stiegen wegen des Niedergangs der Produktivität steil an. Zur selben Zeit herrschte
in ganz Europa wirtschaftliche Stagnation und Depression, ausgelöst durch die Nachwehen
der industriellen Revolution. Großbritannien wurde mit einer Rebellion in Nordamerika
(einem der Hauptimporteure für Tee) konfrontiert, und Frankreich stand am Rande einer
Revolution. Die verzweifelten Direktoren der Ostindien-Kompanie versuchten durch einen
Appell an das Parlament, den Bankrott abzuwenden. Hierin baten sie um finanzielle
Unterstützung. Daraufhin wurde der Tea Act von 1773 erlassen, in dem der Kompanie
größere Autonomie bei der Abwicklung ihres Handels in Nordamerika eingeräumt wurde.
Durch die monopolistischen Aktivitäten wurde jedoch die Boston Tea Party ausgelöst. Dies
war eines der wichtigsten Ereignisse, die später zum amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
führten.
86
Regulierungsgesetz von 1773
Nachdem die Vereinigten Staaten die Unabhängigkeit von Großbritannien erlangt hatten,
wechselte der Blickpunkt der Briten auf die andere Seite des Globus nach Indien. Die für
Indien bestimmten Armeen als auch diejenigen der Ostindien-Kompanie wuchsen, und mit
ihnen auch die Betriebskosten. Die Kompanie wurde durch den Regulating Act for India 1773
gezwungen, sich einer Abfolge von Reformen der Verwaltung und der Wirtschaftlichkeit zu
unterziehen. Trotz hartnäckigen Widerstandes der Ostindien-Lobby im Parlament und durch
die Anteilseigner der Kompanie wurde das Gesetz verabschiedet. Es führte bedeutsame
Kontrollen durch die Regierung ein und ermöglichte es, Land formal unter die Kontrolle der
Krone zu stellen, danach jedoch auf zwei Jahre zur Pacht von 40.000 Pfund an die Ostindien-
Kompanie abzugeben. Unter diesen Bedingungen wurde der Gouverneur von Bengalen
Warren Hastings in den Rang eines Generalgouverneurs befördert. Ihm unterstand die
Verwaltung von ganz Britisch-Indien. Diese sahen vor, dass seine Nominierung in Zukunft
durch einen Viererrat geschehen sollte, der durch die Krone ernannt wurde. Ihm wurde die
Macht über Krieg und Frieden gegeben. Außerdem sollten britische Juristen nach Indien
gesandt werden, um die Anwendung britischen Rechts sicherzustellen. Der
Generalgouverneur und der Rat hatten damit vollständige legislative Kompetenzen. So wurde
Warren Hastings zum ersten Generalgouverneur von Indien. Der Ostindien-Kompanie wurde
es erlaubt, ihr Handelsmonopol zu behalten. Im Gegenzug musste sie alle zwei Jahre einen
Betrag an die Krone leisten und sich verpflichten, ein Minimum an Waren nach
Großbritannien zu exportieren. Auch die Verwaltungskosten mussten durch die Kompanie
aufgebracht werden. Diese Bedingungen, die zunächst von der Kompanie begrüßt wurden,
hatten jedoch ein negatives Nachspiel: der Kompanie waren jährliche Lasten auferlegt, und
ihre finanzielle Situation verschlechterte sich anhaltend.
Niedergang der Ostindien-Kompanie
In der Zwischenzeit fiel Hastings beim Viererrat in Ungnade. Der Rat kehrte nach
Großbritannien zurück und leitete ein Verfahren wegen Korruption gegen ihn ein, das
schließlich zu seiner Absetzung führte. Der Regulating Act wurde als Fehlschlag betrachtet,
da auf Anhieb klar wurde, dass die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen der Regierung
und der Kompanie in höchstem Maße ungewiss und Auslegungssache war. Die Regierung
fühlte sich auch verpflichtet, humanitäre Gesuche zu beachten, die sich um eine bessere
Behandlung der einheimischen Bevölkerung in britisch-besetzten Gebieten bemühten.
Edmund Burke, ein früherer Anteilseigner der Ostindien-Kompanie und Diplomat fühlte sich
veranlasst, die Situation durch das Einbringen einer India Bill 1783 zu entschärfen. Das
Gesetz wurde jedoch auf Grund intensiver Lobbyarbeit durch die Ostindien-Kompanie und
wegen des Vorwurfs der Vetternwirtschaft bei der Benennung von Räten verworfen. Trotz
allem war dieses Gesetz ein wichtiger Schritt hin zur Zurückdrängung der Ostindien-
Kompanie, und in dem Indien-Gesetz von 1784 wurde der Konflikt freundschaftlich
beigelegt. Hierin wurde die Kontrolle von Regierung und Handel zwischen der Krone und der
Kompanie sauber abgegrenzt. Nach diesem Wendepunkt funktionierte die Kompanie als
reguliertes Tochterunternehmen der Krone, und die Kompanie dehnte ihren Einfluss auf die
benachbarten Gebiete durch Zwang und Drohungen aus. In der Mitte des 19. Jahrhunderts
erstreckte sich die Herrschaft der Kompanie über weite Teile Indiens, Burmas, Singapur und
Hong Kong, und 20 % der Weltbevölkerung standen unter ihrer Kontrolle.
Die britische Einflusssphäre dehnte sich weiter aus; im Jahr 1845 wurde die dänische Kolonie
Tranquebar durch Großbritannien erworben. Die Kompanie hatte bei verschiedenen
87
Gelegenheiten ihren Einfluss in China, auf den Philippinen und auf Java ausgeweitet. Ihren
kritischen Mangel an Barmitteln zum Erwerb von Tee behob die Gesellschaft dabei durch den
Export von in Indien hergestelltem Opium nach China. Die Anstrengungen Chinas, diesen
Handel zu unterbinden, führten zum ersten Opiumkrieg mit Großbritannien.
Das Ende
Die Anstrengungen der Kompanie, Indien zu verwalten, dienten der britischen
Zivilverwaltung als Vorbild, besonders im 19. Jahrhundert. Nachdem die Kompanie 1833 ihr
Handelsmonopol verlor, wurde sie wieder zu einer reinen Handelsgesellschaft. Im Jahr 1858
verlor die Kompanie ihre Verwaltungsfunktion an die britische Regierung, nachdem ihre
indischen Soldaten 1857 meuterten.
Dies geschah mit dem Government of India Act 1858, den das britische Parlament am 2.
August 1858 unter dem Einfluss Palmerstons verabschiedete. Kernpunkte des Gesetzes
waren:
die Übernahme aller Territorien in Indien von der Ostindien-Kompanie, die zugleich
die ihr bisher übertragenen Macht- und Kontrollbefugnisse verlor.
die Regierung der Besitzungen im Namen der Königin Viktoria als Kronkolonie. Es
wurde ein Secretary of State for India an die Spitze der behördlichen Verwaltung
gestellt.
die Übernahme allen Vermögens der Gesellschaft und das Eintreten der Krone in alle
zuvor geschlossenen Verträge und Abmachungen.
Danach wurde Britisch-Indien zu einer formellen Kronkolonie. In den folgenden Jahren
wurden die Besitztümer der Kompanie durch die Krone verstaatlicht. Die Kompanie
verwaltete noch immer den Teehandel im Auftrag der Regierung, besonders nach St. Helena.
Durch den East India Stock Dividend Redemption Act wurde die Kompanie am 1. Januar 1874
aufgelöst. Die Times berichtete:
Sie erreichte ein Werk, das als solches in der Menschheitsgeschichte nie zuvor von
einem anderen Unternehmen versucht wurde, und das als solches wohl in Zukunft
auch nicht wiederholt werden wird.
88
De Beers / Cecil Rhodes
De Beers ist der größte Diamantenproduzent und -händler der Welt mit Sitz in London und
Johannesburg. Seinen Namen trägt das Unternehmen nach seiner ersten Mine in Kimberley
auf der Farm der Brüder Johannes Nicolaas und Diederik Arnoldus de Beer. Über 100 Jahre
lang war das südafrikanische Unternehmen, das von London aus gelenkt wird, ein Syndikat
mit einem Monopol auf den Diamantenhandel. Dieses Monopol wird mittlerweile durch
Händler aus dem asiatischen Raum stark bedrängt.
Heute verkauft De Beers nur Diamanten aus eigenen Minen, von denen die meisten in
Südafrika, Botsuana und Namibia liegen.
Diamantenrausch
Die Anfänge von De Beers liegen in Kimberley 100 km westlich von Bloemfontein im
südlichen Oranje Freistaat in der Republik Südafrika. Als 1866 auf dem Gelände der Farm der
Brüder de Beer Diamanten gefunden wurden, verbreitete sich das sofort, so dass
Diamantensucher aus allen Winkeln Südafrikas kamen und unkontrolliert zu graben
begannen. Die de Beers verkauften notgedrungen die Farm und verließen die Gegend. Die
Farm wurde umgehend in Schürffelder aufgeteilt, die an Diamantsucher versteigert wurden.
Die kamen nach anfänglichen Sensationsfunden bald an ihre technischen Grenzen, denn aus
geologischen Gründen muss mit zunehmender Tiefe immer mehr schweres Geröll in
zunehmender Breite geräumt werden, um an die Lagerstätten der Diamanten zu gelangen. Der
deshalb erforderliche Kapitalaufwand war von einzelnen Diamantschürfern nicht
aufzubringen. „The Big Hole“ in Kimberley zeugt noch heute von den enormen
Erdbewegungen, die für die endgültige Ausbeutung der Vorkommen bis zur Schließung der
Mine 1914 nötig waren.
Konsolidierung zum Unternehmen
Das wurde die Stunde des Cecil Rhodes, aber auch die von Barney Barnato und einigen
anderen. Sie kauften die Schürfrechte der Diamantensucher auf, die für diese nahezu wertlos
geworden waren. Im Jahr 1880 begann deren Kampf um die Diamantenfelder. Rhodes
versuchte es mit Koalitionen. Im April desselben Jahres vereinten er und Charles Rudd ihre
Anteile, um den neuen Konzern zu gründen. Barnato zog noch im selben Jahr gleich und
gründete mit seiner Familie die Barnato Diamond Mining Company, um ihren Anspruch in
der ertragreichen Kimberley-Mine zu stärken. Nach einer Reihe von Fusionen gelang es
Barnato 1887, eine dominante Position in der Kimberley-Mine zu erlangen. Das aber half ihm
nicht zur endgültigen Dominanz. Er war ein einfacher Mann aus dem Volke, der durch eigene
Diamantenfunde ein Vermögen gemacht hatte. Ihm fehlte die gesellschaftliche Anerkennung,
die Mitgliedschaften in den englischen Clubs, der Rückhalt am Hof und in den Banken des
britischen Empires. Das alles hatte jedoch Rhodes, so dass beide ihre Anteile an der Mine in
Kimberley aus wirtschaftlicher Opportunität zu De Beers fusionierten. Aus dem Rothschild-
Archiv geht hervor, dass Cecil Rhodes zwischen 1890 und 1914 Aktien bei Rothschild besaß.
De Beers Consolidated Mines Limited
De Beers Consolidated Mines Limited wurde am 12. März 1888 mit Cecil Rhodes als
Vorsitzendem gegründet. De Beers beinhaltete die gesamte De-Beers-Mine, drei Viertel der
Kimberley-Mine und kontrollierte Interessen in den Bultfontein- und Dutoitspan-Minen. Cecil
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Rhodes, Barney Barnato, F.S. Philipson-Stow und Alfred Beit waren nun die
Hauptanteilseigner und Leiter von De Beers. Im Jahr 1890, wurde das London Diamond
Syndicate gegründet, welches die gesamte Produktion von De Beers aufkaufte. Dieses
Syndikat war der Grundstein, auf dem Ernest Oppenheimer die Diamond Corporation erschuf,
die später die „Central Selling Organisation“ wurde. Ab August 1893 war De Beers an der
Johannesburger Börse gelistet.
1889 erwarb Rhodes die Barnato Diamond Mining Company für 5.338.650 Pfund zu diesem
Zeitpunkt der höchste Scheck der Geschichte. Damit befanden sich alle Diamantenminen
Südafrikas unter seiner Kontrolle. Seine angeblichen Letzten Worte „So much to do, so little
done“ sollen Queen Victoria persönlich eingefallen sein. Im selben Jahr kam Ernest
Oppenheimer als Agent der A. Dinkelsbuhler & Co. (Diamantenkauf) nach Kimberley. Durch
den Besitz Oppenheimers Consolidated Diamond Mines (CDM) in Südwestafrika (jetzt
Namibia) konnte 1924 die Anglo American Corporation Mitglied des London Diamond
Syndicate werden. Damit war die britische Kontrolle und somit der jährliche Gewinn für das
Empire gesichert.
Produktion und Marketing
Der Diamantenriese De Beers produzierte im Jahr 2004 Edelsteine mit einem Gesamtgewicht
von 13,7 Mio. Karat (etwa 2700 kg). 2003 hat das Unternehmen den Umsatz um sieben
Prozent auf den Rekordwert von 5,5 Mrd. US-Dollar gesteigert. Dabei erwirtschaftete De
Beers einen Gewinn von 676 Mio. US-Dollar.
In den 1940er Jahren verwendete das Unternehmen erstmals den Slogan: „A Diamond is
forever“ (dt.: „Ein Diamant ist unvergänglich“) in seiner Öffentlichkeitsarbeit. Zwischen 1980
und 1993 vervierfachte das Unternehmen sein Jahresbudget für Werbung, PR und
Imagekampagnen auf 234 Millionen Schweizer Franken. 2007 gab das Unternehmen für
Marketingmaßnahmen ca. 220 Mio. Dollar aus. Dabei wurde in der Vergangenheit
geschicktes Product Placement betrieben, ohne die Marke De Beers tatsächlich zu zeigen. Am
eindeutigsten in Erscheinung tritt dies im Titel des James Bond Films "Diamonds are forever"
(dt. "Diamantenfieber").
Weltweite Leadagentur des Konzerns ist seit mehreren Jahrzehnten J Walter Thompson
(JWT).
Aufgrund der monopolartigen Stellung von De Beers zur damaligen Zeit war Werbung für
Diamanten zu jener Zeit quasi gleichbedeutend mit Werbung für De Beers. Anglo American
hält 45 % an De Beers, weitere 45 % die Familie Oppenheimer. Nicky Oppenheimer ist
Vorsitzender des Aufsichtsrates. Des weiteren gehören der De Beers Centenary (Schweiz)
50 % der Debswana-(Botswana), 50 % der Nambdeb-(Namibia) und 75 % der Williamson-
Mine (Tansania) in Afrika. Seit 2001 ist De Beers keine Aktiengesellschaft mehr und aus den
Börsen von Johannesburg und London ausgelistet. Doch wer heute wem gehört, ist schwer
auszumachen. De Beers besitzt 40 % der Anteile von Anglo-American-Corporation (15 Mrd.
US-$ Jahresumsatz, hervorgegangen aus der British South Africa Company), und diese
ihrerseits einen großen Anteil an de Beers. Beide Firmen befinden sich unter der Kontrolle der
Familie Oppenheimer in Südafrika, die ihrerseits Anteile an beiden Firmen hält.
90
ROTHSCHILDS
Die Rothschilds, deren Stammreihe sich in Deutschland bis um 1500 urkundlich belegen lässt,
waren im 19. und 20. Jahrhundert eine Bankiersfamilie jüdischer Herkunft, deren Stammhaus
M. A. Rothschild & Söhne in Frankfurt war. Sie zählten im 19. Jahrhundert zu den
einflussreichsten Bankiers und wichtigsten Finanziers der europäischen Staaten. Noch heute
ist das Bankhaus durch seine Nachfolgeinstitute eine international bedeutende, hauptsächlich
im Investmentbanking tätige Bank. Während der größten Teile des Jahrhunderts zwischen
1815 und 1914 war die Familie Rothschild im Besitz der weltgrößten Bank. Bis 1860 war die
Firma N. M. Rothschild & Sons als eine Unternehmensgruppe mit fünf eigenständigen
Niederlassungen organisiert. Die Bezeichnung Haus Rothschild, das sowohl von den
Familienmitgliedern als auch ihren Zeitgenossen im 19. Jahrhundert verwendet wurde, weist
auf die enge Verbindung der Geschichte des Unternehmens mit der Familiengeschichte hin.
Laufend überarbeitete und erneuerte Gesellschaftsverträge regelten dabei die gemeinsame
Geschäftstätigkeit und die Aufteilung der daraus entstehenden Gewinne. Die verschiedenen
Unternehmen wurden bis in die 1960er Jahre als Familienunternehmen geführt. Die Teilhaber
des Familienunternehmens wurden ausschließlich aus den Reihen der männlichen Rothschilds
rekrutiert. Der Schwerpunkt der Tätigkeit des familieneigenen Bankhauses lag im 19.
Jahrhundert im internationalen Anleihengeschäft. Dazu kam der Handel mit Edelmetallen, die
Annahme und Diskontierung von Handelswechseln, Devisengeschäfte und die
Vermögensverwaltung für sehr vermögende Privatkunden. Die Rothschilds gehörten
außerdem zu den wesentlichen Geldgebern der entstehenden Bahngesellschaften.
Beginn der Finanzgeschäfte
Der geschäftlich ganz große Durchbruch erfolgte jedoch auf einem ganz anderen Feld. Im
Jahr 1789 gelang Mayer Amschel Rothschild erstmals ein bedeutender Einstieg in das
Bankgeschäft, als er mit Wilhelm, der seit 1785 als Landgraf Wilhelm IX. von Hessen-Kassel
in Kassel residierte, ein Wechseldiskontgeschäft abschließen konnte. Wilhelm IX. war einer
der reichsten Fürsten im Heiligen römischen Reich Deutscher Nation. Die Grundlage dieses
Vermögens legte Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel, der Vater Wilhelms IX., mit dem
Verkauf hessischer Soldaten für den Kampf der englischen Krone gegen die nach
Unabhängigkeit strebenden Nordamerikaner. Der Umfang der Finanzgeschäfte mit dem
Landgrafen wuchs zunächst aber nur langsam an. Erst mit der Beteiligung Rothschilds an dem
Verkauf einer Geldanleihe an den Landgrafen im Jahr 1800 begannen die Bankgeschäfte
erheblich im Umfang zu wachsen. Die Ernennung Mayer Amschel Rothschilds 1801 zum
Hoffaktor von Hessen-Kassel unterstrich dessen steigende Bedeutung für die Finanzgeschäfte
Wilhelms. 1804 konnte Rothschild erstmals alleine eine Staatsanleihe auflegen und
verkaufen. Es handelte sich dabei um eine Anleihe des dänischen Staats, die Rothschild zur
Gänze an den 1803 zum Kurfürsten aufgestiegenen Wilhelm vermitteln konnte.
In seinem Testament verfügte Mayer Amschel Rothschild, das Familienunternehmen als
Ganzes zu erhalten. Für seine Führung legte er ein strenges Reglement fest:
Alle Schlüsselpositionen sind mit Familienmitgliedern zu besetzen.
An Geschäften dürfen nur männliche Familienmitglieder teilnehmen.
Der älteste Sohn des ältesten Sohnes soll Familienoberhaupt sein, soweit die Mehrheit
der Familie nicht anders entscheidet.
Es soll keine juristische Bestandsaufnahme und keine Veröffentlichung des
Vermögens geben.
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Die Rothschild-Söhne stiegen binnen weniger Jahrzehnte zu den führenden Bankiers Europas
auf. Jeder von ihnen wurde geadelt. Sie finanzierten Staaten, Unternehmen, Eisenbahnen und
den Bau des Sueskanals. Die fünf Niederlassungen in Frankfurt, Wien, London, Paris und
Neapel operierten zwar unabhängig voneinander, waren jedoch durch einen alle fünf Jahre
überarbeiteten und erneuerten Vertrag miteinander verbunden. Geschäftliche Operationen
erfolgen meist in enger Zusammenarbeit. Die erzielten Gewinne wurden sowohl nach
Leistung und als auch nach familiären Verpflichtungen unter den Brüdern und ihren
Nachkommen aufgeteilt. Trotz immer wieder auftretenden Interessenkonflikten, erneuerten
die verschiedenen Familienzweige bis 1905 den Partnervertrag stets aufs Neue.
Das Haus Rothschild spielte vor allem eine große Rolle an der Londoner Börse, die sich seit
der Glorious Revolution von 1688 langsam, aber stetig zu einem der wesentlichen
europäischen Finanzplätze entwickelt hatte. Zwischen 1815 und 1859 war die Londoner
Filiale an der Emittierung von 14 verschiedenen Staatspapieren beteiligt. Das
Nominalvolumen der emittierten Wertpapiere entsprach 43 Millionen Britischen Pfund und
damit mehr als fünfzig Prozent aller Wertpapiere, die in London emittiert wurden. Britische
Staatspapiere spielten dabei eine große Rolle. Aber auch die Regierungen von Frankreich,
Preußen, Österreich, Neapel, Belgien und Brasilien nahmen die Dienste des Bankhauses in
Anspruch.[b 5] In der Regel kauften die Rothschilds die gesamte Tranche von der Regierung
auf. Sie trugen allerdings das Vermarktungsrisiko nicht, denn die emittierende Regierung
erhielt den Kaufbetrag nur dann in vollständiger Höhe, wenn das Papier vollständig platziert
werden konnte. Die Rothschilds waren auf Grund ihres engen Netzwerkes in der Lage, die
Papiere in ganz Europa abzusetzen. Im Unterschied zu einer großen Anzahl ihrer
Konkurrenten konnte das Bankhaus Rothschild regelmäßig durchsetzen, dass der
Nominalbetrag des Papieres auf Britischen Pfund basierte. Der Papierinhaber konnte seine
Forderung nicht nur in London einlösen, sondern erhielt Zinszahlungen auch in anderen
Ländern, in denen die Rothschilds Niederlassungen unterhielten. Dieser Wertpapierhandel
stellte das Kerngeschäft des Bankhauses dar. Sie waren darüber hinaus auch im
Währungshandel aktiv und investierten in Versicherungen, Minen und Eisenbahnen. Zum Ruf
des Bankhauses trug wesentlich bei, dass die Rothschilds sehr auf die Kreditwürdigkeit der
Emittenten achtete. Die Zahlungszusagen jedes Wertpapiers, das in den 1820er Jahren über
ihr Haus platziert wurde, wurde bis gegen Ende der 1820er Jahre erfüllt, obwohl es in der
Mitte der 1820er Jahren zu einer massiven Finanzkrise in Lateinamerika kam
Amschel Mayer Rothschild (17731855) wurde nach dem Tod seines Vaters neues
Familienoberhaupt und übernahm die Leitung des Frankfurter Bankhauses "M.A. Rothschild
& Söhne". Dieses war zugleich auch das Mutterhaus der Rothschildbanken in London, Paris,
Wien und Neapel. Als der vorsichtigste der fünf Söhne Mayer Amschel Rothschilds war er
stets um die Liquidität der Bank besorgt, ging Risiken möglichst aus dem Weg und
bevorzugte eher kleinere Geschäfte. Außerdem versuchte er die europaweit stark wachsenden
Geschäfte der Familie Rothschild abzubremsen, was wiederholt zu Streitigkeiten zwischen
den Brüdern führte. Amschel Mayer Rothschild konzentrierte sich auf die Fortsetzung der
Tätigkeit als Hoffaktor verschiedener deutscher Fürsten. Die von seinem Vater mit Hilfe von
Carl Friedrich Buderus aufgebauten Beziehung zum Hof von Hessen-Kassel spielten dabei
eine besonders wichtige Rolle. Daneben war Amschel Mayer Rothschild auch Schatzmeister
und Finanzier des Deutschen Bundestages in Frankfurt. Seine guten Beziehungen zu fast allen
deutschen Mittel- und Kleinstaaten halfen M.A. Rothschild & Söhne zwischen 1820 und 1830
das Bankhaus Gebrüder Bethmann als im deutschsprachigen Raum führenden Emittenten von
Staatsanleihen zu verdrängen. Trotz dieses Erfolges verlor das Mutterhaus in Frankfurt bereits
unter der Leitung Amschel Mayer Rothschilds im Vergleich mit den stark expandierenden
Rothschildbanken in London und Paris an Bedeutung. Dennoch blieben letztere offiziell nur
92
Filialen von M.A. Rothschild & Söhne. Solange Gutle Rothschild (* 23. August 1753; † 7.
Mai 1849), die Mutter der fünf Brüder Rothschild, noch lebte, blieb Frankfurt auch der
Hauptversammlungsort der stetig anwachsenden Familie Rothschild.
Salomon Rothschild (17741855) war der Begründer der österreichischen Linie. Erste
geschäftliche Erfolge erzielte er 1815, ab 1820 (Beteiligung an einer Anleihe des Bankhauses
Parish) wuchs er in die Rolle des größten Finanziers des metternichschen Regimes und des
Deutschen Bundes hinein. Salomon Meyer Rothschild, dem zu Beginn seiner Karriere noch
der Besitz von Grund und Boden verboten war, wurde 1822 zum Freiherrn geadelt; er wurde
in der Folge zu einem der größten Grundbesitzer des Landes. 1835 erhielt er die Konzession
für die Errichtung der Kaiser-Ferdinands-Nordbahn und baute im Zusammenhang auch die
Witkowitzer Eisenwerke auf. Die aus seinem Bankhaus 1855 entstandene Creditanstalt stand
bis in die 1930er Jahre unter rothschildschem Einfluss.
Nathan Mayer Rothschild (17771836) ging 1799 als Textilkaufmann nach Manchester. 1808
gründete er die Bank N.M. Rothschild & Sons in London, die noch heute erfolgreich arbeitet.
Er wurde dank seiner sorgfältig geplanten und durchgeführten Transaktionen zum
einflussreichsten Finanzier der britischen Regierung und begründete die große Rolle des
Hauses Rothschild, die es ab 1815 für mindestens fünfzig Jahre in der europäischen
Finanzwelt innehatte. Der ungewöhnlich schnelle Aufstieg des Hauses Rothschilds, an dem
Nathan Rothschild wesentlichen Anteil hatte, führte zu einer Reihe von Gerüchten über den
Finanzier. So kolportierte man bereits 1830, dass Nathan Rothschilds Erfolg auf einen
sagenhaften hebräischen Talisman zurückzuführen sei. Ebenso lang ist die nicht zutreffende
Geschichte im Umlauf, dass Nathan Rothschild mittels eines effizienten Informationsdienstes
bereits vor dem britischen Premierminister vom Ausgang der Schlacht bei Waterloo wusste.
Darauf habe er seine Aktien verkauft. Da andere Anleger aus dem Verhalten schlossen, er sei
im Besitz von Information über eine britische Niederlage, folgten sie ihm beim Verkaufen der
Aktien. Nachdem die Kurse der Wertpapiere in den Keller gesunken waren, habe Nathan
Rothschild die Papiere wieder aufgekauft und den vollen Kursanstieg mitgenommen, den die
Nachricht vom Sieg der Briten mit sich brachte. In dem unverhüllt antisemitischen deutschen
Nazi-Film Die Rothschilds aus dem Jahre 1940 besticht Nathan Rothschild sogar einen
französischen General, um die Niederlage der französischen Armee sicherzustellen.
Tatsächlich unterschied sich Nathan Rothschild in seinem Finanzgebaren nicht von dem
seiner Konkurrenten (siehe auch die detaillierte Darstellung im Abschnitt Der Aufstieg zur
europäischen Finanzinstitution), besaß aber offensichtlich ein sehr gutes Gespür für die
Funktionsweise der Finanzmärkte. Beim schnellen Aufstieg des Hauses Rothschilds spielte
außerdem die gute Vernetzung der europäischen Niederlassungen der fünf Rothschild-Brüder
eine erhebliche Rolle.
Kalman Rothschild (17881855) ging in Salomons Auftrag 1821 nach Neapel. Dort hatte er
die Finanzen der österreichischen Truppen zu überwachen. Er eröffnete die sizilianische
Rothschild-Dependance, welche jedoch nur bis 1863 existierte. Kalman nannte sich später
Carl Mayer von Rothschild.
Jakob Rothschild (17921868) war der jüngste der Brüder. Er ging 1812 nach Paris und
etablierte dort Rothschild Frères zu einer der ersten Bankadressen und nannte sich fortan
James de Rothschild. Als Berater von zwei französischen Königen wurde er der
einflussreichste Bankier des Landes. In den folgenden Kriegen unter Napoléon III. spielte er
eine wichtige Rolle bei der Finanzierung des Eisenbahnbaus und dem Bau von Bergwerken,
was Frankreich dabei half, den wirtschaftlichen Rückschlag nach dem verlorenen Deutsch-
Französischen Krieg 1870/1871 zu überwinden und zu einer Industriemacht zu werden. 1982
93
wurde die Bank zusammen mit anderen Banken durch die Regierung François Mitterrands
verstaatlicht. Das Nachfolgeinstitut Rothschild & Cie Banque ist eine Neugründung durch
David René de Rothschild, sie stellt heute den französischen Teil der Rothschild Bankgruppe.
Die Rothschildfamilie ist seit dem Beginn ihres großen Einflusses auf die europäische
Wirtschaftsgeschichte das Ziel von Karikaturen, polemischen Schriften, Hetzkampagnen und
Verschwörungstheorien, die sich häufig durch einen mehr oder weniger verdeckten
Antisemitismus kennzeichnen. Selbst berechtigte Kritik an ihrem Geschäftsgebaren hatte
häufig einen antisemitischen Unterton.
Als einer der Ersten kritisierte Honoré de Balzac die Rothschilds öffentlich. In seiner
Erzählung „Das Haus Nucingen“ (1838) karikiert er mit dem arroganten, rücksichtslosen und
groben Bankier Nucingen, der seinen Reichtum durch betrügerische Bankrotte erwirbt, James
de Rothschild. Möglicherweise geht auch die bis heute umlaufende Geschichte, die Familie
Rothschild habe ihren Reichtum durch eine Spekulation auf den Ausgang der Schlacht von
Waterloo erworben, auf Balzac zurück, da er sie in seiner Erzählung ebenfalls nennt. Georges
Dairnvaell brachte 1846 diese Geschichte in seinem Pamphlet „Die erbauliche und kuriose
Geschichte von Rothschild I., König der Juden“ erneut in Umlauf. Bereits im 19. Jahrhundert
wurde behauptet, Nathan Mayer Rothschild habe einen französischen General bestochen, um
den britischen Sieg sicherzustellen. Diese verfälschte Darstellung wird auch in dem
nationalsozialistischen Propagandafilm Die Rothschilds aus dem Jahre 1940 aufgegriffen, der
neben Jud Süß und dem Dokumentarfilm Der ewige Jude die deutsche Bevölkerung auf
härtere Maßnahmen gegen die Juden vorbereiten sollte. Eine weitere filmische Aufarbeitung
wurde sechs Jahre früher ohne antisemitische Tendenzen produziert (Die Rothschilds (The
House of Rothschild) von Alfred L. Werker mit George Arliss).
Bereits in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Einfluss der Rothschilds mit dem
eines regierenden Monarchen verglichen. Sie galten als Teil einer Geldaristokratie, die dank
ihrer Wirtschaftsmacht zum Erhalt bestehender Regierungen beitrug, sich keiner Nation
patriotisch verpflichtet fühlten und selbst den Sturz von Monarchen wie etwa den
französischen König Karl X., mit denen sie enge Beziehungen pflegten, schadlos überstanden.
Geld ist der Gott unserer Zeit und Rothschild ist sein Prophet“, schrieb Heinrich Heine im
März 1841. Alphonse Toussenel, ein französischer Journalist und Schriftsteller, verband in
dem 1846 erschienen Buch „Die Juden, Könige der Epoche: Eine Geschichte des
Finanzfeudalismus“ mit seiner Kritik an den Konditionen, zu denen James de Rothschild die
Konzession an der Bahnlinie von Paris nach Belgien erwerben konnte, mit einem Argument
gegen das Judentum an sich: Frankreich sei „an die Juden verkauft“ worden, und die
Eisenbahnlinien ständen direkt oder indirekt unter der Kontrolle von „Baron Rothschild, der
König der Finanzwelt, ein Jude, der von einem sehr christlichen König zum Baron gemacht
wurde.“ Sehr früh unterstellte man den Rothschilds die Fähigkeit, auf Grund ihrer finanziellen
Macht Kriege zu verhindern. 1828 schrieb Fürst Pückler-Muskau, ohne die Rothschilds
scheine keine Macht in Europa Krieg führen zu können. Vergleichbare Äußerungen findet
man auch bei Ludwig Börne, österreichischen Diplomaten und Antisemiten wie Alphonse
Toussenel, der dazu schrieb: Der Jude spekuliert auf den Frieden, das heißt auf die Hausse,
und das erklärt, warum der Frieden in Europa schon 15 Jahre währt. Die Bereitschaft und
die Fähigkeit, einen Krieg zu verhindern, wird aus heutiger Sicht positiv bewertet. Im 19.
Jahrhundert sah man im Krieg jedoch ein legitimes politisches Mittel und der den Rothschilds
aus Geschäftsinteresse unterstellte Pazifismus stieß auf Kritik. Während der Italienischen
Unabhängigkeitskriege schrieb Earl Shaftesbury, dass es merkwürdig, beängstigend,
erniedrigend sei, dass das Geschick dieser Nation der Spielball eines ungläubigen Judens ist.
Auf vergleichbare harsche Kritik stieß der Einsatz von August Belmont, dem Agenten der
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Rothschild in Nordamerika, für Friedensverhandlungen zwischen den Parteien des
Amerikanischen Bürgerkriegs.
Verschwörungstheorien, in denen der Familie Rothschild eine Rolle zugesprochen wird, gibt
es bis heute. In unterschiedlichen Versionen wird behauptet, die Rothschilds leiteten oder
beteiligten sich an einer entweder jüdischen, freimaurerischen, illuminatischen oder
außerirdischen Verschwörung, häufig mit den in diesem Umfeld üblichen Ähnlichkeiten oder
unkritischen Bezugnahmen auf die längst als Fälschung entlarvten Protokolle der Weisen von
Zion. Ebenfalls als Quelle für derartige Theorien werden die allgemein nicht als authentisch
angesehenen so genannten Rakowski-Protokolle genannt.
Das Bankhaus Rothschild heute
Ein zentrales Bankhaus bzw. ein Netzwerk von eng miteinander kooperierenden Banken im
gemeinsamen Besitz der Familie Rothschild gibt es heute nicht mehr. Stattdessen existieren
drei Finanzgruppen, die von unterschiedlichen Familienzweigen der Rothschilds kontrolliert
werden, und sich teilweise durch zahlreiche Schachtel- und Querbeteiligungen auszeichnen.
Zwischen den drei Finanzgruppen bestehen vereinzelt gegenseitige Minderheitsbeteiligungen.
Die größte dieser Gesellschaften stellt die „Paris-Orléans SA“ dar. Durch die Fusion der
Bankaktivitäten des britischen und französischen Zweiges der Familie Rothschild im Januar
2008 wurde dieses Unternehmen zur zentralen Holdinggesellschaft für die Geschäfte der
englischen und französischen Rothschilds in den vier Bereichen: Investment-Banking,
Corporate-Banking, Private-Banking (Vermögensverwaltung) und Private-Equity
(Unternehmensbeteiligungen). Das Unternehmen wurde 1838 gegründet und war ursprünglich
eine Eisenbahngesellschaft. Es ist an der Börse Euronext in Paris notiert (ISIN:
FR0000031684). Das Aktienkapital wird zu 58,1 % von der Familie Rothschild kontrolliert
(Stand Ende März 2008). Der Rest der Aktien ist über die Börse breit gestreut.
Eine zweite Finanzgruppe, die „Groupe LCF Rothschild“, wird von einem in der Schweiz
ansässigen Zweig der Rothschilds kontrolliert. Es wurde 1953 von Edmond Adolphe de
Rothschild gegründet und umfasst neben mehreren Banken auch Hotels, Immobilien,
Weingüter und einen Versicherungsmakler. Ein zentraler Bestandteil dieser Gruppe ist die in
Genf beheimatete „Banque Privée Edmond de Rothschild“. Sie ist an der Schweizer Börse
(„SIX Swiss Exchange“) notiert (ISIN: CH0001347498).
Als dritte Gesellschaft unter Kontrolle eines Zweigs der Rothschilds ist die „RIT Capital
Partners PLC“ zu nennen. Dieses Unternehmen wurde 1961 auf Initiative von Lord Jacob
Rothschild gegründet und wird seitdem auch von ihm geführt. Seit 1988 investiert RIT
Capital Partners auf internationaler Ebene vorwiegend in kleinere und mittlere, börsennotierte
und private Firmen. Es ist an der Londoner Börse notiert (ISIN: GB0007366395).
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JUGOSLAWISCHER DINAR
Der Jugoslawische Dinar war die offizielle Währung des Königreiches Jugoslawien, der
Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien und der Bundesrepublik Jugoslawien bis
1994, wobei er bis dato mehrmals Form und Wert änderte. Er war in 100 Para unterteilt.
Die jugoslawische Währung wurde wie der bis 1920 gültige Serbische Dinar nach der
römischen Silbermünze Denarius benannt. Am 1. Januar 1966 wurde der Dinar reformiert; es
wurden einfach zwei Nullen gestrichen, d. h. 100 „alte Dinar“ wurden 1 „Neuer Dinar“.
Kurioserweise haben ältere Leute bis zum Zerfall Jugoslawiens in "alten Dinar" gerechnet,
sprich die Nullen wieder angehängt. Der Dinar war in den 1960er und 1970er Jahren für ein
sozialistisches Land eine sehr stabile Währung. Er hatte einen Wechselkurs 7:1 mit der
deutschen Mark, gab aber in den 1980er Jahren, speziell nach dem Tod Titos stark nach.
Grund für die hohe Inflation war vor allem die schlechte Währungspolitik der jugoslawischen
Nationalbank, der Narodna Banka Jugoslavije.
Charakteristisch für die Dinar-Banknoten war, dass nicht wie bei anderen Währungen
Prominente die Geldscheine zierten, sondern anonyme Personen wie Arbeiter, Bäuerinnen
oder Sachen wie Schiffe und Denkmäler. Diese Tradition wurde erst mit der Einführung der
5.000-Dinar-Note gebrochen, diese zierte das Konterfei von Josip Broz Tito. Auf allen
Dinarmünzen wurde auf die Vorderseite der Geldwert geprägt, auf die Rückseite das
Staatswappen der SFR Jugoslawien, bestehend aus Korn-Ähren, Flammen, Stern und dem
Gründungsdatum des Staates, 29. November 1943, zum Gedenken an den Antifaschistischen
Rat zur Volksbefreiung Jugoslawiens. Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurde der Dinar nur im
Rumpfstaat, bestehend aus den Teilrepubliken Serbien und Montenegro, beibehalten. Die
wieder galoppierende Inflation wurde mehrmals mit Hilfe von Reformen zu bändigen
versucht.
am 1. Januar 1990: 10.000 Neue Dinar = 1 Konvertibler Dinar
am 1. Juli 1992: 10 (Konvertible) Dinar der Sozialistischen Föderativen Republik
Jugoslawien = 1 Dinar der Bundesrepublik Jugoslawien
am 1. Oktober 1993: 1.000.000 (alte) Dinar = 1 (neuer) Dinar
am 1. Januar 1994: 1.000.000.000 (alte) Dinar = 1 Neuer Dinar
am 22. Juli 1994: 12.000.000 (alte) Dinar = 1 Neuer Dinar
Daraus ergibt sich, dass ein neuer Dinar von 1994 1.200.000.000.000.000.000.000.000.000
(oder 1,2·1027 bzw. 1,2 Quadrilliarden) alten Dinar von vor 1990 entspricht.
Die ehemaligen Teilrepubliken Slowenien und Kroatien führten nach einer kurzen
Übergangszeit den Slowenischen Tolar bzw. die Kroatische Kuna (zuvor Kroatischer Dinar)
als Nachfolger des Dinar ein. 2003 wurde er in Serbien durch den Serbischen Dinar und in
Montenegro durch den Euro abgelöst.
Der Kurs der kroatischen Kuna wird, im Gegensatz zu anderen Währungen, nicht durch den
internationalen Finanzmarkt gebildet, sondern durch die kroatische Nationalbank festgelegt.
Da die Kuna sehr stark an den Wechselkurs des Euros angelehnt ist, kann die Währung als
äußerst stabil bezeichnet werden.
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Der Nationalbank wird von nationalen und internationalen Währungsexperten vorgeworfen,
künstlich den Kuna-Kurs hoch zu halten und somit der wirtschaftspolitischen Entwicklung
Kroatiens zu schaden. Es wurde jedoch erreicht, dass die Inflationsrate, im Gegensatz zu
früheren Jahren, niedrig gehalten werden konnte.
Die Kuna ist seit 1993 überall rücktauschbar (internationale Konvertibilität). Die äußere
Stabilität der Währung wurde dadurch begünstigt, dass die kroatischen Bürger und
Unternehmen es gewohnt waren, ihr Geld in ausländischer Währung zu halten, und somit
erhebliche Devisenreserven bestanden.
Österreichische Schule
Fritz Machlup, einer Schüler von Wiesers und von Mises’, nennt 1982 sechs Hauptlehren der
Österreichischen Schule, die um etwa 1930 das Herzstück der Österreichischen Neuerungen
bilden:[3]
Methodologischer Individualismus: Wirtschaftliche Sachverhalte müssen aus dem
Handeln von Individuen heraus erklärt werden (nicht zu verwechseln mit
ideologischem oder politischem Individualismus, den Gegensatz stellt der
methodologische Kollektivismus dar).
Methodologischer Subjektivismus: Wirtschaftswissenschaft basiert auf der
Untersuchung der Handlungen realer Individuen, deren subjektivem Wissen
(beziehungsweise Unwissen), ihrer subjektiven Bedürfnisse und ihrer subjektiven
Erwartungen.
Grenznutzenlehre: Alle ökonomischen Entscheidungen werden durch den
Grenznutzen bestimmt.
Nützlichkeit: Subjektive Wertungen (Nützlichkeit) und abnehmender Grenznutzen
bestimmen die Nachfrage und somit den Marktpreis.
Opportunitätskosten (auch Wiesersches Kostengesetz): Handlungen sind abhängig von
der Bewertung alternativer Handlungsmöglichkeiten.
Zeitstruktur von Konsum und Produktion: Die Entscheidung zu sparen oder zu
konsumieren entsteht durch die subjektive Zeitpräferenz.
Als innerhalb der Schule umstritten führt er die folgenden Lehren auf, die insbesondere durch
Ludwig von Mises ab den 1960ern in die USA ausstrahlten:
Vollständige Souveränität der Konsumenten: Die Konsumenten drücken ihre
Bedürfnisse über die Nachfrage aus. Nur der von Staatseingriffen unbehinderte Markt
sorgt durch Wettbewerb dafür, dass permanent (über das Preissystem als
Steuermechanismus) die Bedürfnisse der Konsumenten optimal befriedigt werden.
Politischer Individualismus: Nur vollständige ökonomische Freiheit sorgt dauerhaft
für politische und moralische Freiheit der Bürger. Ökonomische Beschränkungen
führen zur zunehmenden Ausbreitung und Beschränkung politischer und moralischer
Freiheit.
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Da die unbestrittenen Thesen der Schule bald von allen ökonomischen Schulen anerkannt
wurden, sieht Israel Kirzner die Liste als um zwei Punkte ergänzungsbedürftig im Hinblick
auf das Spätwerk von Mises’ und von Hayeks an:
Märkte und Wettbewerb als Lern- und Entdeckungsprozess
Individuelle Entscheidungen als Wahl zwischen individuell zu identifizierenden
Alternativen in grundsätzlich unbekanntem Kontext.
Die US-amerikanischen Neo-Austrians, die im wesentlichen durch von Mises und dessen
Schüler Murray Rothbard geprägt sind, definieren sich vor allem durch die Abgrenzung zu
den neoklassischen und (neo-)keynesianischen, als statisch bezeichneten,
Gleichgewichtsmodellen. Jesús Huerta de Soto, ein spanischer Vertreter der Neo-Austrians,
hebt als Merkmale dieser speziellen Richtung folgende Lehren hervor:
Ausformung einer universalen Theorie menschlichen Handelns (im Gegensatz zur rein
wirtschaftswissenschaftlichen Theorie der Rationalen Entscheidung).
Der wissenschöpfende, kreative Unternehmer als Wirtschaftssubjekt (im Gegensatz
zum neoklassischen homo oeconomicus).
Möglichkeit unternehmerischer Fehler (im Gegensatz zur neoklassischen Modell
vollständiger Information).
Strenge Unterscheidung zwischen objektivem (wissenschaftlichem) und subjektivem
(praktischem) Wissen.
Märkte als Entdeckungsprozess (im Gegensatz zum neoklassischen Modell der
vollständigen Konkurrenz).
Subjektive Kostentheorie (im Gegensatz zur neoklassischen objektiven Kostentheorie).
Verbale Logik (im Gegensatz zur neoklassischen mathematischen Formalisierung).
Aprioristisch-deduktive Methode (im Gegensatz zum empirischen Modell).
Unmöglichkeit quantitativer Vorhersagen, sondern Beschränkung auf pattern
predictions.
Vorhersage wirtschaftlicher Geschehnisse durch die unternehmerische Fähigkeiten
jedes Menschen (im Gegensatz zum Sozialingenieur).
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Mark (DDR)
Die Mark der DDR war eine Binnenwährung, das heißt im Außenhandel und internationalen
Reiseverkehr nicht konvertierbar. Einfuhr und Ausfuhr von Mark waren verboten und standen
unter Strafe. Im internationalen Zahlungsverkehr wurde mit Valuta-Verrechnungseinheiten
bzw. der Valuta-Mark gerechnet. Ausländisches Geld (Sorten) war im DDR-Einzelhandel als
Zahlungsmittel in der Regel nicht zugelassen. Ausgenommen waren die Intershops, in denen
nur mit harten Währungen (Devisen oder Westgeld) oder den zur sofortigen staatlichen
Abschöpfung der Devisen eingeführten sogenannten Forumschecks bezahlt werden konnte.
Für Urlaubsreisen nach Osteuropa konnten DDR-Bürger in begrenztem Umfang auch Mark in
andere Landeswährungen tauschen. Reisende aus dem westlichen Ausland mussten als
Mindestumtausch einen festgelegten Betrag in Mark der DDR wechseln. Diese Regelung
wurde im inoffiziellen Sprachgebrauch als „Zwangsumtausch“ bezeichnet.
Die Kaufkraft der Mark der DDR lässt sich nur sehr eingeschränkt mit der der Deutschen
Mark (DM) der Bundesrepublik Deutschland vergleichen: Für viele in der DDR
subventionierte oder preiskontrollierte Güter des täglichen Grundbedarfs wie
Grundnahrungsmittel, Wohnungen oder Bus und Bahn, aber auch Bücher hatte sie eine
deutlich höhere Kaufkraft als die Deutsche Mark der Bundesrepublik. Für Konsumgüter wie
Fernsehgeräte oder Autos war ihre Kaufkraft dagegen deutlich geringer. Auf dem freien
Markt wurde die Mark der DDR lange Zeit für etwa 0,2 Deutsche Mark gehandelt; auch dies
taugt aber nur sehr bedingt zur Einschätzung der Kaufkraft. Intern wurde mit Hilfe
sogenannter Richtungskoeffizienten eine Deutsche Mark 4,40 M gleichgesetzt, was z. B.
bedeutete, dass Exportbetrieben für eine DM Exporterlös M 4,40 gutgeschrieben wurden.
„Offizieller“ Kurs war jedoch stets 1:1 – allerdings war eine Konversion von M in DM nur
sehr begrenzt möglich (z. B. für genehmigte Westreisen von DDR-Bürgern ein bestimmter
Betrag).
Kaufkraft
Die Kaufkraft der DDR-Mark lässt sich am besten an den Preisen in der DDR abschätzen,
wenn man diese in Relation zu den durchschnittlichen Einkommen betrachtet. Nach den
Tabellen zur Rentenberechnung war ein durchschnittliches Monatseinkommen in der DDR
zum Beispiel:
1950 265,25 DM
1960 444,00 DM
1970 589,08 M
1980 787,33 M
1990 1290,33 M
Die Preise blieben bei vielen Produkten über Jahre stabil und wurden häufig nur durch
Veränderungen der abgepackten Mengen angepasst (runde Preise, dafür aber unrunde
Packungsmengen). Die Einführung neuer Produkte erlaubte allerdings auch die Einführung
neuer Preise. Indirekte Preiserhöhungen wurden gelegentlich durch Sortimentsverschiebungen
in den Mengen vorgenommen, so dass billigere Artikel in geringerer Zahl als teurere
produziert wurden. Weiterhin gab es Preiserhöhungen im Vergleich zu ähnlichen
Vorgängerprodukten, was mit einer „Gebrauchswerterhöhung“ begründet wurde. Bei
alkoholischen Getränken gab es seit den 1960er Jahren mindestens zwei offiziell
bekanntgegebene Preis- bzw. Alkoholsteuererhöhungen. Manchmal gab es für gewerbliche
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und private Abnehmer verschiedene Preislisten für die bezogenen Produkte, z. B. für
Baustoffe. Gelegentlich waren auch Bezugsscheine nötig, etwa der „Bleischein“ für den Kauf
von Autoakkumulatoren, den man nur für die Abgabe eines alten erhielt.
Die Preise für „Grundbedürfnisse“ (Grundnahrungsmittel, Mieten, Energie, Fahrkarten,
Zeitungen) waren auf Vorkriegsniveau eingefroren. Viele Preise wurden über Jahrzehnte
konstant gehalten, da sie staatlich subventioniert wurden. Das schlug sich andererseits in
relativ geringen Nettolöhnen nieder, die sich für Normalbürger (1988) etwa zwischen 400 und
1300 Mark bei einem Mittelwert um etwa 800 M bewegten. Die normalen Renten betrugen
etwa 300 bis 600 M (1988).
Preisbeispiele aus der DDR
Hauptartikel: Einzelhandelsverkaufspreis
0,05 M ein einfaches Brötchen
0,08 M eine Kilowattstunde Elektroenergie
0,10 M bis 0,15 M eine Tageszeitung
0,20 M Porto für einen Brief bis 20 g im Inland und in das sozialistische Ausland
0,34 M eine Flasche Vollmilch (0,5 l, 2,2 % Fettgehalt)
0,35 M Porto für einen Brief bis 20 g in das „nichtsozialistische Ausland“
0,42 M eine Flasche Club-Cola (0,33 l)
0,48 M eine Flasche Vollbier (0,33 l)
0,80 M eine Schlager-Süßtafel
0,78 M 1,5 kg Roggenmischbrot
1,00 M ein Leckermäulchen
1,50 M ein Liter Benzin 88 Oktan (Normal)
1,55 M 1 kg Zucker
2,40 M 250 g Butter
3,20 M eine Schachtel (20 Stück) Filterzigaretten der üblichen Marken (F6, Semper
oder Cabinet)
3,75 M eine Flasche Schlagsahne (0,25 l)
14,50 M eine Flasche „Goldbrand“ (0,7 l, 32 % Alkohol)
16,10 M eine LP mit Popmusik (Amiga)
19,00 M eine Fahrkarte der Deutschen Reichsbahn über 200 Kilometer im D-Zug
25,00 M Monatsmiete für 40--Altbauwohnung mit Ofenheizung
66,00 M ein Hin- und Rückflug BerlinPrag mit der Interflug
70,00 M ein Kilo Kaffee (acht Packungen gemahlener Filterkaffee „Mocca Fix“ à 125
g)
70,00 M Monatsmiete für eine 60--Neubauwohnung inkl. aller Nebenkosten
123 M Schultaschenrechner SR1 (1984, subventionierter Preis für Schüler, regulär 800
Mark)
400 M digitale Armbanduhr Anfang der 1980er Jahre
über 1.000 M Sony-Walkman (um 1985)
1.900 M Moped Simson S51 Elektronik
2.300 M beste Kleinbildspiegelreflexkamera Praktica B200 mit Standardobjektiv (um
1985)
2.700 M Motorrad MZ TS 150 deluxe
2.990 M Waschvollautomat (1988, VA 861 von Monsator)
4.500 bis 6.000 M Farbfernseher (Chromat, 1982 bzw. Colortron, 1987)
über 8.900 M ein Trabant (Standardausführung)
100
ca. 23.000 M Wartburg 353, Nachfolger Wartburg 1.3 mehr als 30.000 M
Mauerfall und Währungsunion
Nach dem Mauerfall bildeten sich Ende 1989 im freien, wenn auch weiterhin illegalen
Geldwechsel Marktkurse, die kurzzeitig bei 1:10 lagen, sich aber schnell auf ein Verhältnis
1:5 einpendelten. Erst als sich die Währungsunion abzeichnete, stabilisierten sich die Kurse
wieder. Offizieller Umtauschkurs bis zur Währungsunion war dann 1:3. Zu diesem Kurs
konnte in Filialen der Staatsbank der DDR bis zum 30. Juni 1990 in beide Richtungen
unbegrenzt getauscht werden. Noten beider Währungen durften von nun an die deutsch-
deutsche Grenze ungehindert passieren. Im ersten Halbjahr 1990 konnte man in der DDR
westliche Güter, z. B. Bananen auf Märkten, problemlos für Ost- oder Westmark (fester Kurs:
3:1) kaufen.
Der Umtauschkurs bei der Einführung der D-Mark in der DDR betrug 1:2. Für Privatpersonen
galt die Sonderregelung, dass bestimmte Beträge 1:1 getauscht werden konnten. Dies war
abhängig vom Alter: 2000 M für 14-Jährige und jüngere; 4000 M für alle bis zum
60. Lebensjahr; 6000 M für alle älteren Bürger. Stichtag war dabei der Tag der
Währungsunion.
Die Umstellung der Löhne und laufenden Kosten wie Miete, Strom etc. geschah 1:1. Bei allen
Gütern, bei denen nun die staatliche Subventionierung wegfiel, kam es zu deutlichen
Preiserhöhungen.
Mit der Währungsunion am 1. Juli 1990 wurde die Mark der DDR (M) von der Deutschen
Mark (DM) als gesetzliches Zahlungsmittel in der DDR abgelöst. Die DDR-Münzen bis 50
Pfennig waren in einer Übergangszeit auf dem Territorium der DDR weiter gültig, da die
Bundesbank anfangs nicht genug Hartgeld zur Verfügung stellen konnte. Dies führte in den
Wochen vor der Währungsunion zu einer Hortung von Kleingeld.
Der Mefo-Wechsel (benannt nach: Metallurgische Forschungsgesellschaft mbH) war ein 1934
von Hjalmar Schacht entworfenes Kreditierungsmittel für Reichsausgaben. Vorbild war der
Öffa-Wechsel“, ein ähnlicher Wechsel auf Arbeitsbeschaffung öffentlicher
Gebietskörperschaften ab 1932.
Das Reich finanzierte die Staatsausgaben für die Aufrüstung, indem es nicht in Banknoten
bezahlte, sondern Wechsel annahm, die von der Rüstungsindustrie ausgestellt wurden.
Allerdings akzeptierte nicht das Reich selbst die Wechsel, sondern eine eigens zu diesem
Zweck gegründete Scheinfirma namens Metallurgische Forschungsgesellschaft mbH. Auf
diese Weise wurde eine Gefährdung der Währungsstabilität vermieden, da man weder neue
Banknoten drucken noch offen Schulden aufnehmen musste.
Gleichzeitig diente die Mefo dazu, die Finanzierung der Aufrüstungsmaßnahmen „auf Pump“
zu verschleiern und das Ausland über den wahren Umfang der Aufrüstung zu täuschen. Sie
galten nicht als Staatswechsel, sondern als Handelswechsel und mussten im Reichshaushalt
und im Reichsschuldbuch nicht ausgewiesen werden. Weil es sich bei den Gesellschaftern der
Metallurgischen Forschungsgesellschaft mbH um angesehene Vertreter der deutschen
Industrie handelte, konnte die Reichsbank nach dem Reichsbankgesetz die Wechsel der
101
Rüstungsindustrie zum Zwecke der Refinanzierung der Metallurgischen
Forschungsgesellschaft mbH diskontieren.
Die durch das Reichsbankgesetz vorgesehene Begrenzung der Staatsverschuldung wurde
durch die Mefo-Wechsel umgangen. Erst lange nach dem Ausgabestopp wurden sie als Mefo-
Wechsel bekannt.
Bezogener
Die Person, welche aus dem Mefo-Wechsel angewiesen wurde (Bezogener), war die
Metallurgische Forschungsgesellschaft m. b. H. Die von der Wehrwirtschaft ausgestellten
Wechsel nahm diese GmbH an. Damit finanzierte sie scheinbar einen Teil der
Rüstungsbeschaffungen der Wehrmacht. Das Stammkapital für die Metallurgische
Forschungsgesellschaft zeichneten im Mai 1933 vier große namhafte deutsche Unternehmen,
nämlich Siemens, Gutehoffnungshütte, Krupp und Rheinmetall in Höhe von einer Million
Reichsmark. Das Reich stellte kein Stammkapital, um als Gesellschafter nicht in Erscheinung
zu treten. Die Mefo mbH war von Anfang an als Scheinunternehmen konzipiert worden,
damit die Wechselverbindlichkeiten im Reichshaushalt und im Reichsschuldbuch nicht
ausgewiesen werden mussten. Die Firma dieser Unternehmung war ein Deckname.
Tatsächlich sollte und konnte die Metallurgische Forschungsgesellschaft nicht für die
Rüstungsausgaben des Reiches haften; die GmbH wurde vielmehr durch eine Diskontierung
der Wechsel durch die Reichsbank refinanziert. Die Geschäftsführung wurde durch einen
Vertreter des Reichswehrministeriums und einem Vertreter der Reichsbank gestellt. Die
Reichsbank stellte das übrige Personal für die verwaltungsmäßige Abwicklung der
Wechselgeschäfte.
Aussteller
Alle Unternehmen, die im Auftrag des Staates Aufgaben ausführten, insbesondere
Rüstungsgüter produzierten, stellten nun Mefo-Wechsel aus. Einerseits wurden durch die
Annahme der Mefo-Wechsel ihre Forderungen gegenüber dem Reich getilgt. Andererseits
konnten die Lieferanten die Mefo-Wechsel als ein Zahlungsmittel einsetzen, mit deren
Indossierung sie ihrerseits Verbindlichkeiten gegenüber anderen Unternehmen an
erfüllungshalber bedienten.
Remittenten
Die Personen, auf welche die Anweisung aus dem Wechsel lautete (Remittenten), waren die
Gläubiger der Aussteller. Die Mefo-Wechsel konnten wie gewöhnliche Wechsel nicht auf
Sicht eingelöst werden, sondern waren an einem bestimmten Stichtag zahlbar. Die Laufzeit
der Wechsel betrug anfangs sechs Monate und wurde immer wieder verlängert, so dass die
Wechsel letztendlich fünf Jahre im Umlauf waren. Statt auf die Fälligkeit zu warten, konnten
die Remittenten den Wechsel diskontieren, also an eine Bank verkaufen.
Wirtschaftlich waren die Mefo-Wechsel nichts anderes als ein Kredit der Wehrwirtschaft an
das Reich. Dieser Weg der Finanzierung wurde so beschritten, da das Reichsbankgesetz
größere Darlehenssummen, die über 400 Millionen RM hinausgingen, nicht zuließ.
102
Diskontierung
Die Reichsbank erklärte sich bereit, diese Wechsel jederzeit zu rediskontieren. Sinn und
Zweck der „Mefo-Wechsel“ war es jedoch, dem Staat ein Kreditmittel in die Hand zu geben.
Würde die Wehrwirtschaft ihre Wechsel nun sofort diskontieren, müsste der Staat doch die
erforderlichen Mengen an Banknoten auszahlen, so dass eine galoppierende
Bargeldvermehrung begönne. Um einer sofortigen Diskontierung vorzubeugen, wurden die
Wechsel mit einem Jahreszins von 4 % ausgestattet. Dadurch wurden die
Rüstungsproduzenten motiviert, die Wechsel nicht vor Verfall beim Reich einzulösen. Sie
verwandten die Wechsel vielmehr als beliebtes Zahlungsmittel, das obendrein auch noch
einen Zinsertrag brachte.
Wechselbürge
Die Metallurgische Forschungsgesellschaft mbH hatte mit einem Stammkapital von 1 Million
RM nur eine dünne Kapitaldecke; wegen ihrer Rechtsform als Kapitalgesellschaft war eine
direkte Haftung von Siemens, Krupp, Rheinmetall und der Gutenhoffnungshütte
ausgeschlossen. Die zur Refinanzierung der Mefo-GmbH erforderlichen
Diskontierungsgeschäfte der Reichsbank waren aber nicht garantiert. Deshalb brauchten die
Aussteller der Wechsel eine Sicherheit. Das Reich stand daher für die Erfüllung der
Wechselverbindlichkeiten der Mefo-GmbH ein, unter Verzicht auf die Einrede der
Vorausklage (selbstschuldnerische Wechselbürgschaft).
Umfang
Insgesamt wurden von 1934 bis zum 31. März 1938 Mefo-Wechsel in Höhe von zwölf Mrd.
Reichsmark ausgegeben. Sie finanzierten ca. 45 % der bis dahin aufgelaufenen
Rüstungsausgaben (bis Ende 1939 waren es ca. 20 %). Von diesen zwölf Milliarden RM
wurden jedoch acht Milliarden vom Markt aufgenommen. Sie wurden also nicht bei der
Reichsbank eingelöst. Schachts Absicht, eine merkbare Inflation zu verhindern, ging somit
auf.
Ab April 1938 wurden die Mefo-Wechsel durch kurzfristige Reichs-Schatzanweisungen
ersetzt. Die zur Einlösung kommenden Mefo-Wechsel konnten, neben der Barauszahlung,
wiederum in andere kurzfristige Wechsel eingetauscht werden. In der Zeit vom 31. März 1938
bis 31. März 1939 explodierte die Ausgabe dieser kurzfristigen Schatzanweisungen. So
wurden in nur einem Jahr 4,2 Milliarden RM davon ausgegeben.
Reichsbankdirektorium und Reichsfinanzministerium handelten Ende 1938 einen
Tilgungsplan für die im Jahre 1939 fälligen Mefo-Wechsel aus. Dieser sah vor, dass 1939
bereits 3,2 Mrd. RM an Wechseln zurückgezahlt werden sollten. Des Weiteren sollten jedes
Jahr eine Milliarde RM (inkl. Zinsen) aus dem Reichshaushalt beglichen werden. Die 11,9
Milliarden RM an Mefo-Wechsel sollten somit nach 17 Jahren getilgt sein.
Schacht selbst war es, der die Ausgabe neuer Mefo-Wechsel untersagte und sich somit bei
Hitler unbeliebt machte. Aus Protest trat er und auch andere Mitglieder des
Reichsbankdirektoriums am 20. Januar 1939 von seinem Posten als Reichsbankpräsident
zurück.
Ausgegebene Mefo-Wechsel seit 1934 (nach Schacht):
103
1934 2,14 Milliarden RM
1935 2,72 Milliarden RM
1936 4,45 Milliarden RM
1937 2,69 Milliarden RM (bis 31. März 1938)
90 % der Mefo-Wechsel waren im Besitz der Geschäftsbanken. Nur 10 % waren noch in der
gewerblichen Wirtschaft. Im einzelnen waren noch im Umlauf:
1938 11,9 Milliarden RM
1939 11,4 Milliarden RM
1940 10,8 Milliarden RM
1941 10,1 Milliarden RM
1942 9,5 Milliarden RM
1943 8,8 Milliarden RM
1944 8,1 Milliarden RM
Der Hauptgrund, warum die Banken sehr am Besitz der Mefo-Wechsel interessiert waren,
liegt an den gesetzlichen Bestimmungen des bilanziellen Ausweises der Sonderwechsel. Sie
durften unter dem Bilanzposten „Handelswechsel“ gebucht werden. Somit konnten die Mefo-
Wechsel auch vor ausländischen Aktionären „versteckt“ werden. Ein weiterer Vorteil der
Mefo-Wechsel war, dass sie weder im Reichshaushalt noch in den Büchern der
Reichsschuldenverwaltung verzeichnet wurden. Die Geheimhaltung blieb somit gewahrt.
Mit dem Ausgabestopp für Mefo-Wechsel begann die Ausgabe der so genannten Sola-
Wechsel der Golddiskontbank ab 1937 bis 1945. Sie hatten praktisch die gleiche Funktion
und Ausstattung wie die Mefo-Wechsel.
Goldlager
Das Finanzministerium errichtete 1936 das an Fort Knox angrenzende Bullion Depository als
Lager für einen Teil seiner Goldreserven. Es ist ein schwer gesichertes zweistöckiges
Gebäude. Für den Bau wurden 465 Kubikmeter Granit, 3.200 Kubikmeter Beton, 750 Tonnen
Betonstahl und 670 Tonnen Baustahl verbraucht. Die Baukosten betrugen 560.000 US-Dollar,
was nach heutigem Wert etwa 7,5 Mio US-Dollar entspricht.
Nach und nach wurde ein Großteil der US-Goldreserven dorthin verfrachtet, wozu Transporte
in rund 500 Eisenbahnwagen nötig waren.Das Lager war notwendig geworden, als ein
sicherer Unterbringungsort für die in den 1930er Jahren verstaatlichten privaten Goldbestände
benötigt wurde. Durch die Presidential Executive Order 6102 von 1933 wurde der private
Besitz von Goldmünzen und Goldbarren verboten. Das Gold musste gegen Entschädigung in
US-Dollar an das Finanzministerium abgeführt werden. Mit der Aufkündigung des Bretton-
Woods-Systems im Jahr 1973 endete diese Regelung.
Heute sind 147,3 Millionen Feinunzen (ca. 4.580 t) Gold eingelagert, mit einem aktuellen
Wert von ca. 210 Milliarden US-Dollar (ca. 150 Milliarden Euro) (Stand: 02. März 2011).
Während des Zweiten Weltkrieges wurden im Fort Knox auch Goldvorräte einiger
europäischer Länder sowie eine Abschrift der Magna Carta aufbewahrt. Es wurde lange Zeit
vermutet, dass auch die britischen Kronjuwelen während des Krieges verwahrt wurden, was
sich jedoch als Gerücht herausgestellt hat. Es gilt als nachgewiesen, dass die ungarischen
104
Kronjuwelen 30 Jahre lang hier in einer einfachen Holzkiste aufbewahrt wurden. Ein
ungarischer Soldat übergab sie nach Kriegsende an amerikanische Soldaten, da befürchtet
wurde, die Sowjetunion könnte sie beschlagnahmen. Ebenfalls wurde die amerikanische
Verfassung von 1941 bis 1944 in Fort Knox aufbewahrt.
Im Gegensatz zu den weltweit größten Goldreserven, die in der Federal Reserve Bank of New
York eingelagert sind und zu einem Großteil aus Gold bestehen, das im Eigentum
verschiedener ausländischer Staatsbanken (u.a. der Deutschen Bundesbank) und
internationaler Organisationen (v.a. des IWF) ist, lagert in Fort Knox ausschließlich Gold, das
sich im Eigentum der USA befindet.
Größte regionale Federal Reserve Bank
Seit der Gründung des Federal Reserve Systems wird die durch das Board of Governors des
Federal Reserve System in Washington beschlossene US-Geldpolitik durch die Federal
Reserve Bank of New York in Manhattans Finanz Distrikt umgesetzt. Die New York Federal
Reserve ist die bedeutendste und nach ihrem Vermögen die größte der zwölf regionalen FED-
Banken. In New York, der Finanzmetropole der USA, ist die New York Fed für die
Durchführung der Offenmarktgeschäfte verantwortlich, den Kauf und Verkauf der vom
Bureau of the Public Debt emittierten U.S. Treasury Securities. Im Jahr 2003 hat Fedwire, das
von der Fed zur Durchführung von Geldzahlungen zwischen der Fed und Geschäftsbanken
betriebene Interbank-Überweisungssystem, 1,8 Billionen US-Dollar pro Tag bewegt, von
denen 1,1 Billionen US-Dollar ihren Ursprung im eigenen Bezirk, dem 2. Financial-District
hatten. Zusätzlich wurden täglich Wertpapiertransaktionen im Wert von 1,3 Billionen USD
durchgeführt, von denen 1,2 Billionen US-Dollar aus dem eigenen Financial -District
stammten. Die New York FED ist auch für die Durchführung der vorgegebenen
Wechselkurspolitik verantwortlich. In Devisengeschäften kauft und verkauft sie Dollars für
das United States Treasury Department. Der Präsident der New York Fed ist als einziger der
Präsidenten der zwölf Regional-Feds mit einem ständigen Sitz im Federal Open Market
Committee vertreten und fungiert dort traditionell als der Vize-Präsident des Komitees. Der
derzeitige Präsident der New York Fed ist William C. Dudley.
Die New York Fed nahm am 16. November 1914 unter der Leitung von Benjamin Strong Jr.,
der vorher Präsident der Bankers Trust Company war, ihren Geschäftsbetrieb auf. Er leitete
die Bank bis zu seinem Tod im Jahr 1928. Da die Bank in den Anfangsjahren schnell wuchs,
war bald ein neues größeres Gebäude notwendig.
Bankgebäude 33 Liberty Street
Der berühmte Tresor der Federal Reserve Bank of New York liegt 26 Meter unter dem
Meeresspiegel auf den Felsen Manhattans. Im Jahr 1927 enthielt der Tresor 10 Prozent der
weltweiten, offiziellen Goldreserven. Heute befindet sich hier nach eigenen Angaben die
größte Gold-Lagerstätte der Welt. Dort lagert mit etwa 5.000 Tonnen Barrengold mehr Gold
als im Golddepot in Fort Knox, im Oktober 2010 waren diese Reserven etwa 172 Mrd. Euro
wert. Anders als in Fort Knox gehört das in New York gelagerte Gold größtenteils
ausländischen Staaten, Zentralbanken und Internationalen Organisationen. Insgesamt 60
verschiedene Staaten haben Teile ihrer Goldreserven hier eingelagert, wobei den USA selbst
nach eigenen Angaben nur etwa 6% gehören. Als Zeichen des guten Willens gegenüber
anderen Staaten bewacht und verwaltet die Federal Reserve Bank das Edelmetall
unentgeltlich. Es werden darüber hinaus kostenlose öffentliche Führungen angeboten
105
Bankers Trust
Die Bankers Trust Company wurde im Jahr 1903 in New York als
Vermögensverwaltungsgesellschaft (Trust Company) unter der Führung von J.P. Morgan von
mehreren Banken, die diese Tätigkeit aufgrund gesetzlicher Restriktionen selbst nicht
wahrnehmen konnten, gegründet.
Im Zuge einer wechselvollen Geschichte war die Gesellschaft bis Mitte der 1990er Jahre zur
achtgrößten Bank der USA angewachsen und hatte ihren Schwerpunkt im Investmentbanking,
als sie 1998 durch die Deutsche Bank übernommen und in die Deutsche Bank Gruppe
integriert wurde. Die Gesellschaft selbst wurde als Spezialinstitut für die
Vermögensverwaltung (Private Banking) unter dem Namen Deutsche Bank Trust Company
Americas fortgeführt.
In Australien wurden die Investment-Aktivitäten von Bankers Trust ausgegliedert
(Management Buyout) und drei Jahre später an die australische Westpac verkauft. Seitdem ist
dieser Bereich als Investmentsparte der australischen Bank unter dem Namen BT Financial
Group im Markt tätig.
Geschichte
Die Gesellschaft wurde am 24. März 1903 eingetragen. Das Anfangskapital betrug 1,5 Mio.
Dollar. Führender Gesellschafter war J.P. Morgan. Erster Präsident war der ehemalige
Stahlmanager Edmund C. Converse, der zugleich Präsident der Liberty National Bank war.
Die Bank eröffnete ihr Geschäft am 30. März in der Liberty Street mit acht Mitarbeitern, zog
aber aufgrund eines sehr erfolgreichen Geschäftsstartes schon nach vier Monaten an die Wall
Street. Neben der Vermögensverwaltung hatte die Gesellschaft schnell auch erfolg mit der
Ausgabe von Travellerschecks für die American Bankers Association ab 1907.
Ein Wachstumsschub ergab sich aus der Übernahme von Mercantile Trust Company (1911)
und Manhattan Trust Company (1912). Nach diesen Akquisitionen erreichte das verwaltete
Vermögen 150 Mio. Dollar und das Eigenkapital 20. Mio. Dollar. Die Gesellschaft zog in das
neu errichtete Bankers Trust Building, belegte dort aber nur drei Etagen.
Durch die Gründung des Federal Reserve Systems wurden ab 1914 auch die Geschäftsbanken
zur Vermögensverwaltung zugelassen. Aufgrund des Verlustes ihres Wettbewerbsvorteils
wurde die Tätigkeit von Bankers Trust ihrerseits auch auf das Geschäftsfeld des
Bankgeschäfts ausgedehnt. Wegen der schwachen Position im Privatkundengeschäft strebte
man in den 1920er Jahren erfolgreich danach, den Bereich des Investmentbanking
auszubauen. Schwerpunkte waren die Emission und der Handel von Anleihen und Aktien. Mit
Büros in Paris (1920) und London (1922) wurde auch eine internationale Position aufgebaut.
Nach dem zweiten Weltkrieg kam es durch mehrere Akquisitionen zu weiteren
Geschäftsausweitungen, die auch das Privatkundengeschäft umfassten. Im Jahr 1959
scheiterte der Versuch, Manufacturers Trust Company zu übernehmen, an der Genehmigung
der Aufsichtsbehörden. Zur Ausweitung des Geschäfts erwarb man dann in den 1960er Jahren
mehrere kleinere Geschäftsbanken sowie Spezialinstitute für Factoring, Leasing und das
Hypothekengeschäft. Durch die Rezession infolge der Ölkrise Anfang der 1970er Jahre war
die Bank insbesondere im Immobilienbereich erheblich betroffen. Ende der 1970er Jahre galt
sie als die ertragsschwächste unter den amerikanischen Großbanken.
106
Dies änderte sich, als man sich entschied, den Schwerpunkt wieder stärker auf das
Investmentbanking zu legen.Träger der neuen Strategie war Charles S. Sanford, seit Mitte der
1980er Jahre der neue CEO der Gesellschaft. Dieser hatte bereits 1975 Aufmerksamkeit
erregt, als er der Stadt New York wegen Überschuldung keine neuen Kredite ohne Sanierung
der Finanzen mehr geben wollte. Mit der neuen Ausrichtung wurde das Retail Banking
verkauft. Stattdessen verstärkte man das Transaction Banking, das zu einer der Grundlagen
des Turnaround wurde. Vor allem entwickelte man unter Sanford ein System zur Bewertung
von Risiken und der davon abhängigen Renditeanforderungen an Anlagen mit höheren Risken
(RAROC risk-adjusted return on capital). Die Methode der risikogewichteten
Eigenkapitalunterlegung von Anlagen ist in der Folge in der ganzen Branche übernommen
worden. So hat auch die Deutsche Bank in den Jahren 1995/96 ihr Risikomanagement auf
RAROC umgestellt. Mit dieser Steuerung ihrer Anlagen war es Bankers Trust möglich, schon
früh in das innovative Derivate-Geschäft einzusteigen. Das Kreditbuch sank hingegen
deutlich ab. Anfang der 1990er Jahre galt Bankers Trust wieder als erfolgreiche und
ertragsstarke Investmentbank. Neben den Derivaten war sie auch bekannt für die Auflegung
von Junk Bonds und Emissionen im Neuen Markt.
Übernahme durch die Deutsche Bank
Die neue Leistungsfähigkeit von Bankers Trust war bereits 1994 von Hilmar Kopper
gewürdigt worden. Im Bestreben die mit Morgan Grenfell in London erreichte Position im
Investmentbanking auszubauen war man auf der Suche nach einem geeigneten Partner in den
USA, wo die Deutsche Bank im Wettbewerb gegen die großen amerikanischen Institute zu
schwach war.
Bei Bankers Trust war Sanford 1996 planmäßig ausgeschieden und durch Frank Newman
ersetzt worden. Die zweite Hälfte der 1990er Jahre waren für die Bank von Höhen und Tiefen
gekennzeichnet. 1994 erhielt man einen Award als Bank of the Year im Bereich Derivate. Im
gleichen Jahr war man mit mehreren bedeutenden Kunden in Streit geraten. Die Prozesse mit
Gibson Greetings und Procter & Gamble konnten nur mit teuren Vergleichen aus der Welt
geschafft werden. 1995 gab es erhebliche Probleme mit Krediten in Lateinamerika. Newman
setzte dennoch abweichend von Sanford Strategie auf eine Ausweitung des Kreditportfolios in
Emerging Markets und die Bank wurde in der Folge von den Finanzkrisen in Russland und
Asien erheblich getroffen. Trotz der erfolgreichen Übernahme der bekannten Merchantbank
Alex. Brown kam es 1998 zu mehreren Übernahmeangeboten.
Gegenüber amerikanischen Wettbewerben war die Deutsche Bank als Übernehmer wegen der
verhältnismäßig geringen Überschneidungen für das Management von Bankers Trust
attraktiv. Bei Übernahme hatte Bankers Trust rund 20.000 Mitarbeiter, davon 12.000 in den
USA. Die Deutsche Bank brachte es zu diesem Zeitpunkt auf ca. 4.000 Mitarbeiter in den
USA (gesamt: über 70.000). Größere Überschneidungen gab es außerdem in London und
Australien.
Nach einer Due Diligence-Phase im November 1998 wurde die beabsichtigte Übernahme am
24. November 1998 veröffentlicht. Das Angebot lautete auf 93 Dollar pro share (Aktie). Die
Aktie von Bankers Trust hatte im Vorjahr einen Höchststand von 133 Dollar und war infolge
der Asienkrise auf unter 70 Dollar eingebrochen. Im November war schon auf eine
Übernahme spekuliert worden und der Kurs lag am Vortag der Veröffentlichung bei 77,50
Dollar. Am Tag der Ankündigung sprang er auf 84,50 Dollar. Der deutliche Abstand zum
107
Übernahmekurs war ein Zeichen, dass noch mit erheblichen Problemen bei der Genehmigung
gerechnet wurde.
Der Kurs der Deutschen Bank sank zugleich um 5 %, ein Zeichen für die Skepsis, mit der die
Fusion und der Kaufpreis aufgenommen wurden. Für die Deutsche Bank bedeutete die
Übernahme eine erhebliche Verschiebung ihres Schwerpunktes. Die Öffentlichkeit
befürchtete eine ähnlich schwierige und langwierige Integrationsphase, wie es sie bei der
Übernahme von Morgan Grenfell (1989) schon einmal gegeben hatte. Vor allem wurde auf
die kulturellen Unterschiede hingewiesen. Das Urteil von Rolf-E. Breuer, dem
Vorstandssprecher der Deutschen Bank, fiel ganz anders aus:
„Wir sind auf dem Weg zu einem globalen Finanzdienstleister durch diese Akquisition
ein gutes Stück vorangekommen. Noch nie hat sich die Deutsche Bank oder
irgendeine nicht-amerikanische Bank in den Vereinigten Staaten in einer
vergleichbaren Lage befunden. Zum ersten Mal vereinigen sich die Kraft und das
Netzwerk einer europäischen Universalbank mit den besonderen Fähigkeiten und
Erfahrungen eines großen, breit aufgestellten Instituts in den USA. Es gibt für diese
Transaktion keinen Präzedenzfall. Wir müssen einen neuen Maßstab setzen.“
Die Genehmigung durch die Aufsichtsgremien beider Banken erfolgte am 30. November
1998. Nach Genehmigung durch die Aufsichtsbehörden und Zustimmung der
Hauptversammlungen konnte die Deutsche Bank am 4. Juni 1999 (Closing Day) diese
Transaktion im Gesamtwert von 9,8 Mrd. Dollar (15 Mrd. DM) planmäßig abschließen. In der
Zeit bis zum Closing Day war die Integration bereits vorbereitet worden. Bemerkenswert ist
die Zusammensetzung des obersten Integrationsteams. Geleitet wurde es von Josef
Ackermann, der erst seit 1996 zur Deutschen Bank gekommen war. Während die
amerikanische Seite durch Frank Newman und zwei weitere Manager von Bankers Trust
vertreten wurde, standen auf Seite der Deutschen Bank mit Edson Mitchell und Michael
Philipps zwei Londoner Investmenbanker, die ebenfalls erst seit kurzem für die Bank tätig
waren. Dies wohl vor allem, weil mit den Maßnahmen zur Hebung von Synergien ein
Personalabbau von mehr als 4.000 Personen verbunden war, der ganz überwiegend die
Standorte London und New York betraf. Bereits Ende 1999 waren die wesentlichen Schritte
zur Eingliederung von Bankers Trust vollzogen.
Gesellschaftsrechtlich besteht Bankers Trust weiter in der Deutsche Bank Trust Company
Americas und ist Ende 2008 mit ca. 1500 Mitarbeitern in der Vermögensverwaltung (Private
Banking) tätig. Sie hatte eine Bilanzsumme von 50 Mrd. Dollar und die Summe des
verwalteten Vermögens belief sich auf 150 Mrd. Dollar.
Die Knickerbocker Trust Company war eine Bank in den Vereinigten Staaten, die von
1884 bis 1912 existierte.
Sie wurde von Frederick G. Eldridge, einem Freund und Mitschüler von John Pierpont
Morgan gegründet. Die Knickerbocker Trust Company gehörte zur ihrer Zeit zu den Banken
mit dem höchsten Einlagen und war maßgeblich für den Ausbruch der Panik von 1907
verantwortlich.
108
Krise 1907 und weitere Geschichte
Am 10. Oktober 1907 traf sich Charles T. Barney, der Direktor des Unternehmens, mit
Charles W. Morse, Fritz Augustus Heinze und Otto Heinze im Haus von Barney in der Fifth
Avenue. Morse plante, zusammen mit den Heinzes die Aktien der United Copper Company
zu übernehmen und erklärte, dass er dafür 1,5-3 Millionen Dollar für erforderlich halte. Die
Knickerbocker Trust Company bewilligte ihm den Kredit dafür. Diese Übernahme scheiterte
und Barney wurde nahegelegt, als Direktor zurückzutreten. Am 21. Oktober 1907 verkündete
die National Bank of Commerce sie würde Wechsel der Knickerbocker Trust Company nicht
mehr annehmen, was die Anleger der Knickerbocker Trust Company dazu motivierte ihre
Einlagen abheben zu wollen. Barney suchte John Pierpont Morgan auf, doch dieser weigerte
sich ihn zu empfangen. Barney erschoss sich am 14. November 1907. Das Banksystem erfuhr
einen Vertrauensverlust und der Dow Jones Industrial Average sank von Januar bis November
1907 um 48 Prozent. Um Vertrauen zu schaffen, schuf das US-Parlament 1913 per Gesetz das
Federal Reserve System.
Einige Wochen nach der erzwungenen Schließung zahlte die Knickerbocker Trust Company
alle Anleger einschließlich Zinsen aus. 1912 wurden ihre Verbindlichkeiten durch die
Columbia Trust Company erworben und die Columbia-Knickerbocker Trust Company
gebildet. Dieses Unternehmen wurde 1923 durch die Irving Trust Corporation übernommen,
die 1989 von der Bank of New York übernommen wurde.
Die Panik von 1907 (engl.: Panic of 1907, auch als 1907 Bankers' Panic bekannt) war eine
Finanzkrise in den USA im Jahr 1907. Die Kurse an der New York Stock Exchange fielen
dabei um fast die Hälfte von ihrem Höchststand 1906. Dies löste eine Panik aus, da sich das
Land ohnehin in einer Rezession befand, und führte zu zahlreichen Bank Runs. Die Krise
breitete sich schnell über das ganze Land aus und hatte den Bankrott zahlreicher kleinerer
Banken und Unternehmen zur Folge. Verursacht wurden die Bank Runs durch die geringe
Liquidität einer ganzen Reihe von New Yorker Banken und den Vertrauensverlust auf Seiten
der Sparer. Einige Anhänger der Österreichischen Schule vertreten auch die Ansicht, die
Krise sei auf die vom Finanzministerium in den beiden vorigen Jahren ausgelöste Inflation
zurückzuführen.
Die Finanzkrise wurde im Oktober 1907 durch den gescheiterten Versuch ausgelöst, die
Aktien der United Copper Company zu cornern. Die Banken, die diesen Versuch durch die
Vergabe von Krediten finanziert hatten, sahen sich nun einem Ansturm von Sparern entgegen,
die ihre Einlagen massenweise abzogen. Der Ansturm weitete sich auf nahestehende Banken
aus und führte eine Woche später zum Zusammenbruch der Knickerbocker Trust Company,
der drittgrößten Treuhandgesellschaft New Yorks. Deren Zahlungsunfähigkeit wiederum
alarmierte Regionalbanken, die nun ihre Reserven aus New Yorker Banken abzogen, und
zahlreiche Menschen im ganzen Land begannen bei ihren jeweiligen Regionalbanken ihre
Guthaben abzuheben. Zu dieser Zeit gab es in den Vereinigten Staaten noch keine
Zentralbank, die dem Markt weitere Liquidität hätte zuführen können, sodass die Panik ohne
das Eingreifen des Bankiers J. P. Morgan möglicherweise noch wesentlich größere Ausmaße
angenommen hätte. Um den Markt zu stützen, brachte Morgan große Summen seines eigenen
Vermögens ein und überzeugte andere New Yorker Bankiers, es ihm gleichzutun.
Die scheinbar bereits abgewendete Krise verschärfte sich Anfang November noch einmal, als
ein großes New Yorker Brokerhaus massiv Kredite aufnehmen musste. Als Sicherheiten
nutzte es Aktien der Tennessee Coal, Iron and Railroad Company (TC&I) und brachte damit
109
den Börsenkurs des Unternehmens unter Druck. Morgan überzeugte den für seinen Kampf
gegen Trusts bekannten US-Präsidenten Theodore Roosevelt vom Ernst der Lage und bekam
die Genehmigung, die TC&I mit seiner US Steel Corporation in einer Nacht-und-Nebel-
Aktion zu übernehmen. Im US-Senat setzte der Finanzexperte Nelson W. Aldrich eine
Kommission namens „National Monetary Commission“ ein, um die Entstehung der Krise zu
untersuchen und Verbesserungsvorschläge für das Finanzsystem zu machen. Dies führte
schließlich zur Gründung der privatwirtschaftlichen US-Notenbank Fed im Jahr 1913.
Der Begriff Cornering eines Marktes bezeichnet das Aufkaufen einer Ware oder eines
Wertpapiers um den Preis bestimmen zu können. Unter Umständen kann dies eine Form der
Marktmanipulation darstellen und wäre dann in Deutschland gemäß § 20 a (1) Ziffer 2 WpHG
verboten. Diese verbietet "Geschäfte vorzunehmen oder Kauf- oder Verkaufsaufträge zu
erteilen, die geeignet sind, falsche oder irreführende Signale für das Angebot, die Nachfrage
oder den Börsen- oder Marktpreis von Finanzinstrumenten zu geben oder ein künstliches
Preisniveau herbeizuführen".
Voraussetzung für den möglichen Erfolg des "cornerns" ist ein relativ enger Markt, erhebliche
Finanzmittel und eine Warengruppe mit geringen Möglichkeiten der Substitution durch
andere Produkte. In der Geschichte sind eine Reihe von Versuchen des "cornerns" überliefert,
von denen die meisten scheiterten.
Der wohl bekannteste Versuch einen Markt zu cornern war die Silberspekulation der
Gebrüder Hunt. Seit Mitte der 1970er Jahre kauften die Hunts und ihre Partner circa 150
Millionen Unzen (ca. 5000 Tonnen) physisches Silber sowie ca. 200 Millionen Unzen Silber
an der Warenterminbörse COMEX in New York. Der Silberpreis wurde hierdurch von 2 auf
50 Dollar je Unze getrieben, bis die Spekulation 1980 zusammenbrach. Der Preis
normalisierte sich kurzfristig und die Gebrüder Hunt gingen Bankrott.
Bankenkrise
Die deutsche Bankenkrise kennzeichnete den Beginn des zweiten Teils der Wirtschaftskrise,
den Beginn der „Hyperdeflation“. Sie hatte zwei Ursachen. Durch gegenseitige Konkurrenz,
durch feindliche Übernahmen kleinerer Banken und auf Grund spekulativer Wertpapier- und
Warengeschäfte hatten die großen Banken 1925 wieder das Geschäftsvolumen von 1914
erlangt. Sie waren zwar auf Expansion ausgerichtet, aber durch niedere Eigenkapitalquoten
und geringe liquide Mittel schlecht dafür gerüstet. Hätten sie ihr Eigenkapital aufgestockt
(durch geringere Dividendenzahlungen und/oder das Herausgeben weiterer Aktien), wäre die
Differenz beider Größen zu der Summe der herausgereichten Kredite nicht so groß gewesen.
Hinzu kam die Instabilität des internationalen Kreditmarktes. Als wichtigstes Kennzeichen
hierfür muss man den einseitigen Geld- und Kapitalstrom nennen. Von 1925 bis 1929 sind
ausländische Kredite von insgesamt 21 Milliarden (RM) nach Deutschland geflossen, denen
in gleichem Zeitraum nur 7,7 Milliarden RM deutsche Anlagen im Ausland
gegenüberstanden. Ein Großteil der aufgenommenen Kredite war obendrein kurzfristiger
Natur, das heißt, sie mussten binnen drei Monaten zurückgezahlt werden. Bis 1929 wurden
sie aber regelmäßig verlängert; die Banken liehen diese kurzfristigen Gelder mitunter mit
langen Laufzeiten aus. Somit war die Situation der Banken bereits vor der
Weltwirtschaftskrise kritisch: Sollten die ausländischen Gläubiger ihr Vertrauen in die
Zahlungsfähigkeit der Banken verlieren und die kurzfristigen Kredite einmal nicht verlängern,
drohte sofort ein empfindlicher Devisenmangel bis hin zur Illiquidität.
110
Im Ausland führte die Krise ebenfalls zur Verknappung der Liquidität der Banken. Im
November 1930 gerieten die Banken in den USA und in Frankreich, wo sich die
Wirtschaftskrise ansonsten noch gar nicht bemerkbar gemacht hatte, in eine Krise und zogen
große Summen kurzfristiger Gelder aus Deutschland ab. Hier erfasste die Krise zunächst
hauptsächlich kleinere Banken, so dass das Ausmaß zunächst nicht so transparent war.
Im Frühjahr 1931 geriet nun die Österreichische Creditanstalt in Schwierigkeiten, die sich bei
der Übernahme der Bodenkreditanstalt übernommen hatte. Zeitgenossen vermuteten, dahinter
stünde die französische Regierung, die so den Plan einer deutsch-österreichischen Zollunion
hätte torpedieren wollen. Obwohl solche Manipulationen tatsächlich in der französischen
Regierung diskutiert wurden, konnte nicht nachgewiesen werden, dass sie verantwortlich war
für den Krach der Creditanstalt (sie erklärte am 11. Mai 1931 ihre Zahlungsunfähigkeit; Das
bedeutete nicht nur für Österreich, sondern für ganz Mitteleuropa den Beginn einer
Finanzkrise.
Man befürchtete nun, dass diese Entwicklung auf Deutschland übergreifen würde. In dieser
gefährlichen Lage erklärte Reichskanzler Brüning selbst im Juni 1931 aus innenpolitischen
Gründen er hoffte nämlich auf die Unterstützung der Rechten und der Nationalsozialisten
im Reichstag für ein neues Paket von Sparmaßnahmen die Reparationen öffentlich für
„unerträglich“. Das schien auf eine bevorstehende Zahlungsunfähigkeit des Reiches zu deuten
und untergrub das Vertrauen der ausländischen Kreditgeber nachhaltig. Devisen im Wert von
mehreren Milliarden RM wurden abgezogen, und nachdem im Juli 1931 eine der Berliner
Großbanken illiquide geworden war, kam auch noch ein massenhafter Ansturm der
Bevölkerung auf die Banken hinzu. Diese mussten am 13. Juli 1931 ihre Zahlungen
einstellen. Die Kreditorenbeträge sanken im Juni/Juli um 21,4 %. Um die Bankenkrise zu
überwinden, wurden die Banken für mehrere Tage geschlossen und der Kontrolle der
Regierung unterstellt. Auch die Börse blieb monatelang geschlossen Kredite und
Neuinvestitionen waren so monatelang unmöglich.
Zudem war einen Monat zuvor das Hoover-Moratorium, das zur Wiederherstellung des
Vertrauens alle politischen Schulden für ein Jahr stornierte, psychologisch verpufft, weil
französische Vorbehalte wochenlange, schwierigste Verhandlungen nötig gemacht hatten. Da
Reichsbankpräsident Hans Luther den Abfluss von Devisen ins Ausland mit allen Mitteln
stoppen wollte, erhöhte er den Diskontsatz auf 15 % und bewirkte dadurch eine extreme
inländische Kreditverteuerung und -verknappung. Der Banknotenumlauf betrug 1929 noch 5
Milliarden RM; Luthers Maßnahmen trugen dazu bei, dass er sich um 30 % auf 3,5 Milliarden
RM im Jahre 1932 verringerte.
Der Internationale Währungsfonds (IWF; engl. International Monetary Fund, IMF;
auch bekannt als Weltwährungsfonds) ist eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen.
Er ist eine Schwesterorganisation der Weltbank-Gruppe und hat seinen Sitz in Washington,
D.C., USA. Zu seinen Aufgaben gehören: Förderung der internationalen Zusammenarbeit in
der Währungspolitik, Ausweitung des Welthandels, Stabilisierung von Wechselkursen,
Kreditvergabe, Überwachung der Geldpolitik, Technische Hilfe.
Der IWF wurde am 22. Juli 1944 durch eine internationale Übereinkunft gegründet und nahm
im Mai 1946 erste Arbeiten auf. Seine eigentliche operative Tätigkeit begann ab dem 1. März
1947. Sie erfolgte aufgrund der Beschlüsse der Konferenz in Bretton Woods, einer Kleinstadt
im US-Bundesstaat New Hampshire. Diese für den Wiederaufbau des Weltwirtschaftssystems
entscheidenden Verhandlungen dauerten vom 1. Juli 1944 bis zum 22. Juli 1944.
111
Der IWF wird daher zusammen mit der Weltbank-Gruppe als Bretton-Woods-Institution
bezeichnet. Der IWF hat zurzeit 187 Mitgliedstaaten, deren Stimmrecht sich an ihrem
Kapitalanteil orientiert. Die Bundesrepublik Deutschland trat 1952 dem IWF bei. Die
Mitgliedstaaten mit den größten Stimmanteilen sind: USA 16,74 %, Japan 6,01 %,
Deutschland 5,87 %, Frankreich 4,85 %, Vereinigtes Königreich 4,85 % und China 3,65 %.
Da die Beschlüsse im IWF mit einer Mehrheit von 85 % getroffen werden müssen, verfügen
jeweils die USA und die gemeinsamen EU-Staaten de facto über eine Sperrminorität.
Anteile und Stimmrechte der Mitgliedstaaten Anteile und Stimmrechte der Mitgliedstaaten
sowie Gouverneursrat:
IWF-
Mitgliedstaat
Kapitalanteil:
SZRs in
Millionen
Kapitalanteil:
in Prozent
geschäftsf.
Direktor
stv.
geschäftsf.
Direktor
Stimmen:
Anzahl
Stimmen:
in
Prozent
Vereinigte
Staaten
37149,3
15,82
Timothy F.
Geithner
Ben
Bernanke
371743
16,74
Japan
13312,8
6,12
Yoshihiko
Noda
Masaaki
Shirakawa
133378
6,01
Deutschland
13008,2
5,98
Axel A.
Weber
Wolfgang
Schäuble
130332
5,87
Vereinigtes
Königreich
10738,5
4,94
George
Osborne
Mervyn
King
107635
4,85
Frankreich
10738,5
4,94
Christine
Lagarde
Christian
Noyer
107635
4,85
China
8090,1
4,42
Zhou
Xiaochuan
Yi Gang
81151
3,65
Italien
7055,5
3,24
Giulio
Tremonti
Mario
Draghi
70805
3,19
Saudi-
Arabien
6985,5
3,21
Ibrahim A.
Al-Assaf
Hamad Al-
Sayari
70105
3,16
Kanada
6369,2
2,93
Jim Flaherty
Mark Carney
63942
2,88
Russland
5945,4
2,73
Aleksei
Kudrin
Sergey
Ignatyev
59704
2,69
Niederlande
5162,4
2,37
Nout
Wellink
L.B.J. van
Geest
51874
2,34
Belgien
4605,2
2,12
Guy
Quaden
Jean-Pierre
Arnoldi
46302
2,08
Indien
4158,2
2,91
Pranab
Mukherjee
Duvvuri
Subbarao
41832
1,88
Schweiz
3458,5
1,59
Jean-Pierre
Roth
Eveline
Widmer-
Schlumpf
34835
1,57
Australien
3236,4
1,49
Wayne
Swan
Ken Henry
32614
1,47
Mexiko
3152,8
1,45
Agustín
Carstens
Guillermo
Ortiz
31778
1,43
Spanien
3048,9
1,40
Elena
Salgado
Miguel
Fernández
Ordóñez
30739
1,38
Brasilien
3036,1
1,40
Guido
Mantega
Henrique
Meirelles
30611
1,38
112
Südkorea
2927,3
1,35
Okyu Kwon
Seong Tae
Lee
29523
1,33
Venezuela
2659,1
1,22
Gastón
Parra
Luzardo
Rodrigo
Cabeza
Morales
26841
1,21
übrige 166
Staaten
62593,8
28,79
667438
30,05
Aufgaben und Ziele
Wenn ein Mitglied in Zahlungsschwierigkeiten gerät, kann es beim IWF Hilfe beanspruchen
(lender of last resort). Die Rechnungslegungseinheit des IWF ist das Sonderziehungsrecht
(SZR).
Der IWF vergibt unter bestimmten Auflagen befristete Kredite an Staaten, die unter
wirtschaftlichen Problemen leiden, z. B. Argentinien, Irland (2010) , Brasilien, Rumänien
(2008) oder Griechenland (2010).
Bedingungen für die Gewährung von Krediten sind zum Beispiel: Kürzung der
Staatsausgaben, niedrige Inflation, Steigerung des Exports sowie Liberalisierung des
Bankenwesens.
Die den Staaten auferlegten Bedingungen in Form von Strukturanpassungsprogrammen (SAP)
können zum Beispiel Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen wie Sparkassen,
Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Telekommunikation usw. sowie Entlassung von
bestimmten Gruppen von Mitarbeitern vorsehen.
Darüber hinaus unterstützt der IWF Entwicklungsländer in Afrika, Asien und Südamerika bei
der Erarbeitung von Wachstums- und Wohlstandkonzepten und fördert diese durch direkte
Geldhilfen der gebenden Mitgliedstaaten. Ebenso wie die Kreditvergabe ist auch die
Entwicklungszusammenarbeit oft an Bedingungen der Good Governance (Korruptionsabbau,
Demokratie, …) und der Liberalisierung gekoppelt.
Ziele
Förderung der internationalen Zusammenarbeit in der Währungspolitik
Ausweitung des Welthandels
Stabilisierung internationaler Finanzmärkte
Vergabe kurzfristiger Kredite zum Ausgleich von Zahlungsdefiziten
Überwachung der Geldpolitik
Sicherung des laufenden internationalen Zahlungsverkehrs vor staatlichen
Beschränkungen des freien Devisenverkehrs
Technische Hilfe
Beteiligung an Maßnahmen des Währungsunion-Finanzstabilitätsgesetzes
Mittel zur Zielerreichung
Jeder Mitgliedstaat bekommt eine so genannte Quote zugewiesen. Nach dieser Quote richten
sich:
113
die Einzahlungsverpflichtungen (in Gold, Devisen und Landeswährung)
die Ziehungsrechte (Inanspruchnahme eines Kredites)
das Stimmrecht eines Landes im IWF
Umfang der Kreditvergabe
Wenn ein Land in Zahlungsschwierigkeiten kommt, kann es finanzielle Hilfe vom IWF
beanspruchen (Inanspruchnahme eines Kredites). Es kann auf Antrag beim IWF die Währung
eines anderen Landes gegen Gold oder Landeswährung kaufen. Dies bezeichnet man als
Ziehung. Die Inanspruchnahme eines Kredites ist an bestimmte Bedingungen gekoppelt, die
das jeweilige Land zu erfüllen hat. Diese werden als Strukturanpassungsprogramme (SAP)
bezeichnet.
Ein SAP könnte z. B. so aussehen:
Kürzung von Staatsausgaben
Ziel einer niedrigen Inflation und einer Steigerung des Exports
Liberalisierung des Bankenwesens
Privatisierung von öffentlichen Einrichtungen (Sparkassen, Elektrizitätswerken,
Wasserwerken, Telekommunikation)
Es gibt seit 1969 sogenannte Sonderziehungsrechte (SZR). Ein Mitgliedsstaat hat das Recht,
sich unter Einschaltung des IWF Devisen zu kaufen. Für die Devisen darf der Mitgliedstaat
mit SZR zahlen. Bei den SZR handelt es sich um eine Art Weltgeld im Zahlungsverkehr der
Zentralbanken.
SZR werden in bestimmter Höhe zugeteilt.
Für die SZR müssen Zinsen an den Fonds bezahlt werden.
SZR erweitern die internationale Liquidität beträchtlich.
Bei jeder Erhöhung der SZR wird geprüft, ob weltweit ein inflationsneutraler Bedarf
besteht.
Beispiel: Wenn z. B. die Türkei (Schwellenland) sich an den IWF wendet, weil sie zum
Ausgleich der passiven Leistungsbilanz Devisen benötigt, dann bestimmt der IWF ein Land
beispielsweise die USA mit hohen Devisenreserven. Die USA verkauft daraufhin der Türkei
Devisen gegen SZR.
Konditionalität
Ursprünglich war der IWF so ausgelegt, dass die Mitgliedstaaten bei Vorhandensein
entsprechender Voraussetzungen (z. B. Zahlungsbilanzprobleme) automatisch das Recht
hatten, IWF-Kredite zu erhalten. Nach dem Koreakrieg kollabierten die Preise für Rohstoffe
jedoch, was Zahlungsbilanzkrisen in einzelnen Mitgliedstaaten auslöste. Zu dieser Zeit wurde
die Konditionalität eingeführt, d. h. die entsprechenden Staaten hatten nicht mehr das Recht
auf IWF-Kredite, vielmehr wurden die Kredite abhängig gemacht von der Erfüllung
bestimmter Bedingungen, damals z. B. die Elimination von Devisenkontrollen und die
Liberalisierung von Handelsbeschränkungen. Auch die Unterteilung des Kreditbezugs in
einzelne Phasen wurde erstmals eingeführt, mit Krediten an Chile im Jahre 1956 und an Haiti
im Jahre 1958. Jede einzelne Phase wurde von der Erfüllung von Bedingungen abhängig
gemacht, die während der vorherigen Phase erfüllt werden mussten. Solche Bedingungen
114
wurden in der jeweiligen Absichtserklärung („letter of intent“), die praktisch Vertragsnatur
hatten, vorher festgelegt.
Konditionalität war eine Initiative der USA, die zunächst von anderen Staaten abgelehnt
wurde. Diese Staaten standen auf der Position, dass das Recht auf IWF-Kredite automatisch
den betroffenen Regierungen zustehe, ganz in dem Geiste der „Articles of Agreement“, dem
Gründungsdokument des IWF.
Der Exekutivdirektor der USA legte sein Veto ein, wenn IWF-Kredit-Anträge nicht dieser
Idee der Konditionalität entsprachen. Dies führte dazu, dass sich IWF-Kredit-Antragsteller
nicht mehr an den IWF, sondern zuerst an die USA wandten. Damit war die Konditionalität in
die IWF-Praxis eingeführt.
Kreditnehmer
Bis zum Jahr 1977 waren Entwicklungsländer wie Industrieländer relativ gleichermaßen
Kreditnehmer des IWF, beispielsweise war Großbritannien einer der größten Kreditnehmer.
Bis dahin wurde die Konditionalität gegenüber Großbritannien nicht angewandt
(Großbritannien war einer der Gründungsstaaten des IWF). Das änderte sich jedoch nach der
mehrfachen Abwertung des Sterlings, zum ersten Mal sollte der IWF dem Staat
Großbritannien wesentliche Bedingungen wie Verringerung von Sozialleistungen und
Abschaffung von Importkontrollen auferlegen, als er 1977 einen Antrag wegen eines Stand-
By-Kredites stellte. Das führte dazu, dass ab diesem Zeitpunkt der IWF als die „letzte Instanz,
an die man sich wegen Krediten wenden sollte“ angesehen wurde, da diese Einmischung in
nationale (Wirtschafts-)Politik durch andere Regierungen (insbesondere der USA, die in Form
von Finanzminister William Simon meinte, dass Länder wie Großbritannien einen
„internationalen Verhaltenskodex“ mit ihrer Wirtschaftspolitik brechen würden) als sehr
unpopulär angesehen wird. Seit diesem Zeitpunkt stellte kein Industrieland mehr einen Antrag
auf IWF-Kredite. Erst 2010 beantragten Griechenland und Irland einen IWF-Kredit.
Nach Ansicht des Geografie-Professors Richard Peet wandelte sich der IWF erst damit von
einer Form der Zusammenarbeit in Hinblick auf Wechselkurse und internationale Zahlungen,
die hauptsächlich zwischen den Industrieländern stattfand, zu einer Form der Kontrolle der
Wirtschaftspolitik der „Dritten Welt“ durch die „Erste Welt“. Dieser Ansicht widersprechen
viele Fachleute (zum Teil massiv), denn der IWF sei ein Spiegelbild seiner Mitglieder und
ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse.
Reform 2010
Die Stimmanteile der 187 Mitgliedstaaten werden 2011 zugunsten der aufstrebenden
Schwellenländer umverteilt werden. Sie „ist eine der tiefgreifendsten Reformen in der
Geschichte des IWF.“ „An Einfluss gewinnen die stark wachsenden Volkswirtschaften wie
China und Asien.“
Kritik
Der Träger des Nobelpreises für Wirtschaftswissenschaften und ehemaliger Chefökonom der
Weltbank Joseph E. Stiglitz kritisiert in seinem Buch Die Schatten der Globalisierung den
IWF für die seiner Meinung nach "blinde" Verfolgung des Washington Consensus und das
Vorgehen der Organisation während der Überführung der osteuropäischen
115
Zentralverwaltungswirtschaften in marktwirtschaftliche Systeme. William Easterly wirft dem
IWF fehlende Legitimation und Rechenschaftspflichten vor. Ursächlich sei der durch das
Bretton-Woods-Abkommen nicht abgesicherte Aufgabenzuwachs im Zeitablauf. Easterly
vertritt zudem die These, dass die Strukturanpassungs- und Transformationspolitik des
Internationalen Währungsfonds den betroffenen Volkswirtschaften eher geschadet als genutzt
habe.
UdSSR
Die UdSSR hatte die Zentralverwaltungswirtschaft eingeführt. Die Produktion von Gütern
wurde nach einem strengen Plan überwacht. Am 25. Januar 1949 wurde gemeinsam mit den
meisten Satellitenstaaten des Ostblocks der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe als
wirtschaftlicher Zusammenschluss der sozialistischen Staaten Osteuropas gegründet.
Siehe auch: Gosplan und Fünfjahrplan
Währung
Die offizielle Währung der Sowjetunion war der Rubel, der in 100 Kopeken unterteilt wird.
Im Jahre 1922 verursachte Wladimir Lenin dem Parteiprogramm entsprechend eine
Hyperinflation. Somit verfolgte er das Ziel in der kommunistischen Lehre das Geld
schrittweise abzuschaffen oder zumindest dessen Bedeutung einzuschränken, was mit einem
Dekret nicht möglich wäre. So entwertete er seinen Zielen entsprechend alles umlaufende
Finanzkapital. Nach mehreren Jahren voller militärischer Konflikte, wirtschaftlichen Krisen
und Problemen war der Geldverkehr nur auf die nationale Ebene beschränkt. Das bedeutet,
dass keine einzige Kopeke das Land mit der Ausnahme von Republikflucht und
Schwarzmarkt verlassen konnte.
Formen des Eigentums
In der Sowjetunion gab es zwei grundlegende Formen des Eigentums; Individuelles Eigentum
und Kollektives Eigentum (gemeinsames Eigentum, in der Praxis genossenschaftliches oder
staatliches Eigentum). Diese unterschieden sich stark in ihrem Inhalt und dem rechtlichen
Status. Gemäß kommunistischer Theorien konnte Kapital (Produktionsmittel), neben einigen
unwesentlichen Ausnahmen, nicht individuell besessen werden. Nach dem Ende der
kurzzeitigen Lockerung mit der Neuen Ökonomischen Politik, russisch: НЭП – Новая
экономическая политика; NEP – Nowaja ekonomitscheskaja politika, durch Lenin wurde
jegliches industrielle Eigentum sowie Bauland gemeines Eigentum des Volkes respektive
Eigentum des Staates. Individuelles Eigentum konnte nur Persönliches Eigentum sein, das
heißt Kapital (Produktionsmittel) war automatisch staatliches oder genossenschaftliches
Eigentum.
116
Landwirtschaft
Die landwirtschaftlich nutzbare Großregion in der Sowjetunion zwischen Sankt Petersburg,
Odessa beziehungsweise Rostow am Don im Westen und Krasnojarsk im Osten wurde auch
Agrardreieck genannt.
Die Landwirtschaftlichen Betriebe wurden u. a. differenziert in
Sowchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe des Staates und
Kolchosen, also landwirtschaftliche Großbetriebe, die genossenschaftlich organisiert
waren und dessen Bewirtschaftung durch das sozialistische Kollektiv der Mitglieder
erfolgte.
GOLDMAN SACHS
18691930
Goldman Sachs wurde 1869 vom deutschen Auswanderer Marcus Goldman gegründet. Er
begann mit einem Ein-Zimmer-Büro in New York, Pine Street. Im Jahr 1882 bekam die Bank
den Namen M. Goldman Sachs, als Samuel Sachs in die Firma seines Schwiegervaters
Marcus Goldman eintrat. Im Jahre 1885 nahm Goldman seinen Sohn Henry und seinen
Schwiegersohn Ludwig Dreyfuss in das Unternehmen auf und der Firmenname wurde auf
Goldman Sachs & Co. geändert Das Unternehmen machte sich einen Namen in seiner
Vorreiterrolle bei der Nutzung von Commercial Papers für Unternehmen und wurde im Jahr
1896 eingeladen, der New York Stock Exchange beizutreten.
Im frühen 20. Jahrhundert war Goldman ein führendes Unternehmen zur Entwicklung des
Initial Public Offering-Marktes. Es gelang einer der größten damaligen Börsengänge, das der
Sears, Roebuck and Company im Jahre 1906. Am 4. Dezember 1928 wurde die „Goldman
Sachs Trading Corp.“ ein geschlossener Investmentfonds, dessen Geschäftsmodell
Ähnlichkeiten eines Schneeballsystems aufwies, gegründet. Der Investmentfonds scheiterte
während des Börsencrashes im Jahre 1929 und die Unternehmensreputation war für einige
Jahre stark beschädigt.
19301980
Im Jahr 1930 übernahm Sidney Weinberg die Rolle des Senior-Partners und verschob
Goldman Sachs Fokus weg vom Wertpapierhandel zum Investment Banking. Weinberg
verhalf die Reputation des Unternehmens wieder zu steigern und den angeschlagenen Ruf
loszuwerden. Unter Weinberg war Goldman Sachs Lead Advisor für den Börsengang der
Ford Motor Company im Jahre 1956 einer der damals größten Börsengänge. Unter der
Leitung Weinbergs begann Goldman Sachs auch eine eigene Researchabteilung, sowie das
Brokergeschäft für Anleihen der US-amerikanischen Gemeinden und Kommunen.
Gus Levy trat dem Unternehmen in den 1950er Jahren als Effektenhändler bei. Dieser
Zeitpunkt markierte auch einen Trend bei Goldman Sachs, ab dem es zu internen
Machtkämpfen zwischen dem Investment Banking und dem Wertpapierhandel kam. Während
117
der 1950er und 1960er Jahre also ein Machtkampf zwischen Weinberg und Levy. 1969
übernahm Levy die Leitung von Weinberg, der in den Ruhestand ging, als Senior-Partner und
baute Goldman Sachs Handelssparte weiter aus. Unter Levys Führung etablierte sich die
Philosophie des "langfristig gierig" („long-term greedy“) was bedeutete, dass, solange Geld
auf lange Sicht verdient werde, kurzfristige Verluste nicht besorgniserregend zu sein
brauchen. Während Levys Zeit als Senior-Partner reinvestierten die meisten Partner große
Teile ihrer Gewinne in das Unternehmen, so dass der Fokus stets auf der Zukunft lag.
Eine weitere schwere Krise traf das Unternehmen im Jahre 1970, als die Penn Central
Transportation Company Konkurs mit über 80 Millionen US-Dollar in ausstehenden
Commercial Paper ein Großteil davon ausgestellt von Goldman Sachs anmeldete. Die
Konkursmasse war klein und der Schaden für Goldman Sachs groß und die daraus
resultierenden Klagen bedrohten das Unternehmen ernsthaft zu gefährden. In Folge des
Konkurses der Penn Central Transportation Company wurden Bonitätsratings für Emittenten
von Commercial Paper eingeführt.
Nach diesem Debakel begann Goldman Sachs in den 1970er Jahren weltweit zu expandieren.
Unter der Leitung von Senior-Partner Stanley R. Miller, eröffnete Goldman Sachs seine erste
internationale Niederlassung in London im Jahr 1970 und schuf eine "Private Wealth"-
Abteilung zusammen mit einer Fixed Income Abteilung im Jahre 1972. Darüber hinaus nahm
Goldman Sachs eine Vorreiterrolle bei der "White Knight"-Strategie im Jahr 1974 während
seiner Versuche Electric Storage Battery gegen ein feindliches Übernahmeangebot von
International Nickel und Goldman Sachs Rivale Morgan Stanley zu verteidigen. John
Weinberg, der Sohn von Sidney Weinberg, und John C. Whitehead übernahmen als Co-
Senior-Partner im Jahr 1976 die Geschäftsführung. Eine ihrer Initiativen war die Errichtung
der vierzehn Geschäftsprinzipien („Business Principles“), die noch bis heute Bestand haben.
1980-1999
Am 16. November 1981 übernahm Goldmans Sachs die J. Aron & Company, ein
Rohstoffhandelsunternehmen, welches mit der Fixed Income Abteilung zusammengeführt
wurde und zur Fixed Income, Currencies und Commodities. J. Aron & Company
Unternehmensschwerpunkt war der Kaffee- und Goldmarkt. Im Jahre 1985 war Goldman
Sachs Underwriter des Börsenganges des Real Estate Investment Trust, dem unter anderem
auch das Rockefeller Center gehörte. Im Zuge des Zusammenbruch der Sowjetunion
beteiligte sich Goldman Sachs auch bei der Privatisierung von ehemaligen
Staatsunternehmen.
Im Jahr 1986 wurde das Unternehmen „Goldman Sachs Asset Management“ gegründet,
welches bis heute die Mehrheit der Investmentfonds und Hedge-Fonds verwaltet. Im selben
Jahr war Goldman Sachs Underwriter für den Börsengang von Microsoft, Berater von General
Electric bei der Übernahme der Radio Corporation of America und schloss sich der London
Stock Exchange sowie der Tokyo Stock Exchange an.
Robert Rubin und Stephen Friedman übernahm die Co-Senior-Partnerschaft im Jahr 1990 und
versprachen auf die Globalisierung des Unternehmens und die Stärkung der Merger &
Acquisition and Handelsgeschäftsfelder zu konzentrieren. Während ihrer Geschäftsführerzeit
führte die Firma den papierlosen Handel an der New York Stock Exchange und war Lead
Manager für die erste globale Schuldverschreibung eines US-amerikanischen Unternehmens.
Zu dieser Zeit wurde auch der Goldman Sachs Commodity Index (GSCI) entwickelt und im
118
Jahre 1994 eine Niederlassung in Peking gegründet. 1994 übernahm Jon Corzine nach dem
Weggang von Rubin und Friedman die Leitung des Unternehmens.
LEHMAN BROTHERS
Lehman Brothers wurde 1850 in Montgomery, Alabama, von den zwischen 1844 und 1850
aus Rimpar bei Würzburg emigrierten jüdischen Brüdern Hayum (Henry), Mendel
(Emmanuel) und Maier (Mayer) Lehman, Söhnen des fränkischen Viehhändlers Abraham
Löw Lehmann, gegründet. Vor der Gründung von Lehman Brothers eröffnete Henry Lehman
1844 in Alabama einen Gemischtwarenhandel. Sein Bruder Emanuel trat 1848 in das
Geschäft ein. Die Geschäftstätigkeit wurde dann schon bald auf den Handel mit Baumwolle
verlagert, aus dem heraus sich die Bankentätigkeit entwickelte.
Nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg wurde die Geschäftstätigkeit nach New York
verlagert.
1977 fusionierte Lehman Brothers mit Kuhn, Loeb & Co. und firmierte kurzzeitig als Lehman
Brothers Kuhn Loeb & Co. 1984 wurde Lehman Brothers von American Express aufgekauft
und mit Shearson sowie 1988 mit E.F. Hutton & Co. fusioniert. 1993 verkaufte American
Express die so entstandene Firma an die Travelers Group. Die Travelers Group trennte sich
vom Investmentbanking, das 1994 unter dem Namen Lehman Brothers wieder zu einer
eigenständigen Firma wurde und an die Börse ging. In den letzten Jahren konnte das nun
selbständige Unternehmen auch im Vergleich mit den Wettbewerbern seine Marktposition
festigen.
Im Mai 2007 kaufte Lehman Brothers zusammen mit dem Immobilieninvestor Tishman
Speyer den zweitgrößten börsennotierten Wohnungseigentümer der USA, Archstone-Smith.
Der Preis für den Konzern betrug 22 Milliarden US-Dollar.
Insolvenz
Im Zuge der Subprime-Krise musste die Bank zunächst 3,3 Milliarden US-Dollar
abschreiben. Im April 2008 hatte das Institut eine Kapitalerhöhung von 4 Milliarden US-
Dollar durchgeführt, eine weitere in der Höhe von 5 Milliarden US-Dollar folgte im Juni
2008.
Die angeschlagene US-Bank hatte am 10. September 2008 verlauten lassen, dass sie Verluste
in Höhe von 3,9 Milliarden US-Dollar für das dritte Quartal 2008 erwartet. Richard Fuld,
damaliger Vorstandschef von Lehman Brothers, kündigte den Verkauf eines Mehrheitsanteils
an der Investmentsparte, die Ausgliederung von Gewerbeimmobilien und weiteren illiquiden
Vermögenswerten an. Als weitere Maßnahme sollte ebenfalls die Dividende auf 0,05 US-
Dollar pro Aktie verringert werden. Die Verkaufsbemühungen waren jedoch wenige Tage
später gescheitert und es musste am 15. September 2008 für die Lehman Brothers die
Insolvenz gemäß Chapter 11 beantragt werden. Nachdem die amerikanische Regierung drei
große Banken (Bear Stearns, Fannie Mae und Freddie Mac) mit Milliarden Dollar gestützt
hatte, war der politische Druck, weitere Banken nicht aufzufangen, so groß geworden, dass
der damalige amerikanische Finanzminister und Gegenspieler Fulds Henry Paulson nach
der Absage der englischen Barclays-Bank, sich an Lehman zu beteiligen, keine weitere
Unterstützung bereitstellte, was entgegen dem bisherigen Grundsatz too big to fail zur
Insolvenz von Lehman Brothers führte. Wenige Tage nach der Insolvenz waren nur noch 170
119
Mitarbeiter für Lehman Brothers tätig, 24.988 waren unter dem Insolvenzverwalter Bryan
Marsal in wenigen Tagen gekündigt worden. Der Schaden, der durch diese plötzliche
Insolvenz hervorgerufen wurde, wird auf 50 bis 75 Milliarden US-Dollar geschätzt.
Am 17. September 2008 gab die britische Universalbank Barclays bekannt, dass sie große
Teile des US-Geschäfts von Lehman Brothers, einschließlich der gesamten Infrastruktur mit
9.000 Mitarbeitern und den Hauptsitz in New York, aus der Insolvenzmasse heraus
übernehmen werde. Japans größtes Brokerhaus, Nomura Holdings, kaufte am 22. September
das Asiengeschäft sowie die Investmentbanksparte von Lehman Brothers in Europa und im
Nahen Osten.
In Folge der Insolvenz soll Lehman Brothers einen Schuldenberg von über 200 Milliarden
US-Dollar hinterlassen.
Nach der Insolvenz ergeben sich folgende Lehman Brothers Sparten:
Lehman Brothers North AmericaBarclays Capital
Lehman Brothers Hong Kong → KPMG China
als Liquidator für acht Tochtergesellschaften (u. a. LB Asia Holdings Limited, LB
Asia Limited)
Lehman Brothers Asia Pacific → Nomura
Lehman Brothers International Europe → Management durch
PricewaterhouseCoopers
Lehman Brothers Holdings Inc. → Insolvenz nach Chapter 11
Neuberger Berman → eigenständige Investmentgesellschaft
FANNIE MAE
Fannie Mae (ursprünglich Federal National Mortgage Association, FNMA) ist ein staatlich
gefördertes Unternehmen, welches 1938 im Rahmen des New Deal als staatseigene Bank
gegründet und 1968 privatisiert wurde. Bei der Privatisierung wurde der ursprünglich aus
einer Verballhornung des Kürzels FNMA entstandene Name Fannie Mae als offizieller Name
des Unternehmens übernommen.
Sie ist eine reine Hypothekenbank und das weltweit größte Institut in dieser Sparte. Die
Hypotheken werden durch den US-amerikanischen Staat weder garantiert noch refinanziert.
Als staatsnahes Unternehmen erhält Fannie Mae allerdings erstklassige Bonitätsbewertungen
von den Ratingagenturen und kann sich so zu einem günstigeren Zins refinanzieren als andere
Banken.
Zusammen mit Freddie Mac, der zweitgrößten, ebenfalls staatlich geförderten
Hypothekenbank der USA, hat sie zur Finanzierung der Hypotheken Anleihen im Wert von
2.400 Mrd. Dollar ausgegeben, wodurch sie zu den größten Schuldnern weltweit gehört.
Aufgrund des Immobilienbooms, der in den USA nun schon seit Mitte der neunziger Jahre
anhielt, sahen die Finanzmärkte zunehmend die Gefahr, dass bei einem Rückgang der
Immobilienpreise Fannie Mae in ernsthafte Probleme geraten könnte, was angesichts der
Höhe der Schulden zu weltweiten Turbulenzen auf den Finanzmärkten führen könnte und
mittlerweile auch eingetreten ist.
120
Im Juli 2008 bezeichnete der Chef der Fed in St. Louis, Wiliam Poole, Fannie Mae erstmals
als „faktisch zahlungsunfähig“ und forderte die Politik auf, nach Rettungsmöglichkeiten zu
suchen. Am 13. Juli 2008 kündigte die US-Regierung an, Fannie Mae und Freddie Mac mit
Krediten und Aktienkäufen in Milliardenhöhe zu stützen, um einen Bankrott zu verhindern.
Bald darauf, am 7. September 2008, übernahm die zuständige Aufsichtsbehörde Federal
Housing Finance Agency (FHFA) die Kontrolle über Fannie Mae und löste den bisherigen
CEO Daniel Mudd ab. Im Geschäftsjahr 2008 machte Fannie Mae 58,7 Milliarden Dollar
Verlust. Im 3.Quartal 2009 machte Fannie Mae einen Verlust von 19 Mrd. Dollar und
beantragte weitere 15 Mrd. Dollar Staatsbeihilfen. Bisher hatte die Immobilienbank bereits
knapp 61 Mrd. Dollar Staatsbeihilfen erhalten.
FREDDIE MAC
Freddie Mac (Federal Home Loan Mortgage Corporation) ist eine börsennotierte US-
amerikanische Hypothekenbank mit Firmensitz in McLean, Virginia. Freddie Mac kauft
Hypothekenkredite von Banken, fasst diese Kredite zusammen und bringt sie als Mortgage
Backed Securities auf den Kapitalmarkt. Der heutige Name des Unternehmens leitet sich als
Quasi-Akronym aus der Abkürzung seines ursprünglichen Namens Federal Home Loan
Mortgage Corporation (FHLMC) ab.
Freddie Mac ist eine Government sponsored enterprise und wird vom Office of Federal
Housing Enterprise Oversight (OFHEO) beaufsichtigt. Derzeit ist das Unternehmen die
zweitgrößte Hypothekenbank der Vereinigten Staaten.
Freddie Mac wurde 1968 vom Kongress der Vereinigten Staaten als Federal Home Loan
Mortgage Corporation gegründet, um dem zur selben Zeit privatisierten Wettbewerber Fannie
Mae und den FHL-Banken Konkurrenz zu machen und so ein Monopol zu verhindern.
Ein Bilanzierungsskandal führte 2003 zu Umbesetzungen in den Führungsetagen der Bank. In
den Jahren 2000 bis 2002 waren die Gewinne des Unternehmens um mehrere Milliarden US-
Dollar zu niedrig ausgewiesen worden.
2008 geriet das Unternehmen ebenso wie der Konkurrent Fannie Mae aufgrund der
Immobilienkrise in den Vereinigten Staaten in finanzielle Schwierigkeiten. Am 13. Juli 2008
kündigte die US-Regierung an, Freddie Mac und Fannie Mae mit Krediten und Aktienkäufen
in Milliardenhöhe zu stützen, um einen Bankrott der beiden Bankhäuser zu verhindern. US-
Senat und US-Repräsentantenhaus haben dies am 23. Juli in den Grundsätzen genehmigt. Am
7. September 2008 übernahm die zuständige Aufsichtsbehörde Federal Housing Finance
Agency (FHFA) die Kontrolle über Freddie Mac. Bis zum 1. Juli 2009 hat Freddie Mac
insgesamt staatliche Hilfsgelder in Höhe von 51,7 Milliarden Dollar bezogen.
121
JP MORGAN
Morgan war der Sohn des Bankiers und Finanziers Junius Spencer Morgan (18131890) und
dessen Frau Juliet Pierpont (18161884), Tochter eines Anwalts und Lehrers. Er begann 1856
sein Studium an der Georg-August-Universität in Göttingen und war seit 1857 im
Bankgewerbe tätig. Seit 1860 arbeitete er bei Drexel, Morgan & Co in New York City. Für
den Sezessionskrieg wurde er nach der Zahlung einer 300-Dollar-Gebühr nicht eingezogen.
Seit 1871 war er selbstständig durch die Gründung eines nach ihm selbst benannten, ab 1895
als J. P. Morgan & Co firmierenden Bankhauses, das vor allem marode Eisenbahnlinien
erwarb und sanierte. 1901 gründete Morgan dann durch mehrere Fusionen den Stahltrust
United States Steel Corp., die damals größte Aktiengesellschaft der Welt. Neben den
Einnahmen aus dem Wertpapierverkauf mehrte Morgan sein Vermögen auch, indem er für die
Fusionen 150 Millionen Dollar als Verhandlungsgebühr für sich beanspruchte. Um den Trust
zu stützen, wurde 1902 noch ein auch englische Linien akquirierender Schifffahrtstrust, die
International Mercantile Marine Company (IMMC), unter Beteiligung deutscher Reedereien
begründet. 1903 investierte er in die junge Automobilindustrie, als er zwei Drittel des
Aktienkapitals der Maxwell-Briscoe Motor Company beisteuerte. Die Firma wurde
drittgrößter Hersteller in den USA und später die Basis für die Chrysler Corporation. Morgan
legte nach eigenen Aussage und Angabe von Zeitzeugen bei seinen Geschäften großen Wert
auf Stabilität und Vorhersagbarkeit der Bedingungen. Mehrmals griff er dazu auch in die
Staatsfinanzen ein. 1895 und 1907 kaufte er als Anführer von Investorengruppen größere
Mengen an Staatsanleihen und rettete die USA dadurch vor dem Staatsbankrott. Zugleich
konnte er die Staatsanleihen gewinnbringend weiterverkaufen. 1912 wurde ein Prozess gegen
ihn wegen fragwürdiger Finanzgeschäfte geführt. Zwar wurde er freigesprochen, doch
gelangte im Zuge der Verhandlungen der gesamte Umfang seines inzwischen gigantischen
Firmenimperiums an die Öffentlichkeit. Bis zu seinem Tod weitete Morgan seine
Geschäftsaktivitäten über die Branchen Eisenbahn, Bankenwesen, Schifffahrt hinaus auch auf
die Telekommunikations- und Elektroindustrie aus. So kontrollierte Morgans Unternehmen
1901 z.B. die Hälfte des Streckennetzes der Eisenbahn und zwei Drittel der Stahlproduktion
in den USA.
J. P. Morgan selbst litt unter einer von Rosazea entstellten Nase und galt als daher recht
scheuer Mensch. Er lebte in New York in einer Villa an der Madison Avenue 219 im Bezirk
Murray Hill. In der mit schwarzem Mahagoni ausgekleideten Black Library des Hauses
wurden einige der wichtigsten Entscheidungen des frühen 20. Jahrhunderts für New York wie
die USA getroffen. Die J. P. Morgan & Co war immer im Investmentbanking tätig und
finanzierte diverse Zusammenschlüsse von Unternehmen, unter anderem der General Electric
Comp., und beteiligte sich an diversen Eisenbahnlinien in den USA. 1899 wurden die ersten
europäischen Anleihen am US-Markt eingeführt. Das Bankhaus selbst fusionierte 2000 mit
der Chase Manhattan Bank.
John Pierpont Morgan ist der Neffe von James Lord Pierpont, dem Komponisten des
Weihnachtslieds Jingle Bells. Sein Sohn John Pierpont Morgan junior führte sein
Firmenimperium weiter.Es wird behauptet, er habe Gerüchte über den Bankrott einer großen
New Yorker Bank verbreitet und somit die Panik von 1907 ausgelöst, die dann auch andere
Banken betraf. Nelson W. Aldrich, der enge Verbindungen zur Bankenwirtschaft hatte und
später in die Rockefeller-Familie einheiratete, leitete eine Kommission, die aufgrund dieser
Panik einberufen wurde. Er schlug in dieser Kommission die Einführung einer Zentralbank
vor, um eine solche Panik künftig vermeiden zu können. Laut G. Edward Griffin wurde der
Gesetzentwurf für die Einführung der Zentralbank (Federal Reserve System) 1910 auf Jekyll
Island, dem Ferienanwesen von Morgan, von Vertretern mehrerer Banken unter strenger
122
Geheimhaltung erstellt und anschließend an Aldrich übergeben. Nach Griffin war Morgan
zwar antisemitisch eingestellt, andererseits aber auch ein Agent der Rothschilds.
ISLAMIC BANKING
Regeln, die das Islamic Banking umzusetzen versucht, sind das
allgemeine Zinsverbot (Riba)
Verbot der Spekulation (Gharar) und das
Verbot des Glücksspiels (Maysir, Quimar)
Weiterhin sind soziale und ethische Ausschlusskriterien (Haram) zu beachten. Hierzu zählen
insbesondere das Verbot der Investition in
Alkoholherstellung und -vertrieb,
Prostitution,
Pornografie sowie
die Verarbeitung von Schweinefleisch und der Handel damit.
Die wichtigsten Begriffe
fiqh: islamische Rechtswissenschaft; die menschliche Erkenntnis des göttlichen Rechts
(Scharia).
gharar: »Spekulation«; ebenso verboten wie der Wucher.
idschara: wörtl. »Miete«, verwendet für Leasing.
mudaraba: Beteiligungsfinanzierung ähnlich einer stillen Gesellschaft (»Mezzanine«).
murabaha: Handelsfinanzierung (»mark-up sale«).
musharaka: Beteiligungsfinanzierung durch Beteiligung auf Zeit (»Venture Capital«).
riba: »Wucher« oder »Zins«, je nach Interpretation, das wichtigste Verbot im Islamic
Banking.
Scharia: wörtl. »Weg zur Tränke«, das göttliche islamische Recht.
Scharia Board: religiöser Beirat der Bank, der über die Einhaltung der islamischen
Vorschriften wacht und die Produkte zertifiziert.
Takaful: islamische (genossenschaftliche) Versicherung.
Zinsverbot
Für das Bankgeschäft ist das Zinsverbot (Sure 2, Vers 278 u.a.;  riba, in engerer Auslegung
Wucher“) von besonderer Wichtigkeit, was schon früh zu Umgehungsgeschäften geführt hat:
Statt dem Käufer einen Kredit zu gewähren, kauft die Bank die Ware direkt beim Verkäufer
und verkauft sie zu einem höheren Preis an den Käufer, der seinen Kaufpreis in Raten
abbezahlt. Da die Ware letztlich den Besitz nicht gewechselt hat (aber
Eigentumsverhältnisse), jedoch Geld ausgezahlt wurde, ist das Resultat ökonomisch
vergleichbar mit einem verzinsten Kredit. Die Bank nimmt hier lediglich die gleichen Rechte
wie Händler wahr, zu kaufen und wieder zu verkaufen. Der Zins eines Kreditgeschäftes wird
hier nach islamischer Rechtsauffassung zur Gewinnmarge. Da Handel im Islam ausdrücklich
erlaubt und erwünscht, Zins jedoch verboten ist, ist die Transaktion legitim. Rechtskniffe
( hīla; pl.  hiyal) dieser Art finden sich in der islamischen Rechtspraxis häufig; sie
sind eines der inhärenten Mittel der Schari'a, sich Gegebenheiten legitim anzupassen.
123
Instrumente
Beteiligungsfinanzierung
Bei einer Beteiligungsfinanzierung (Musharaka) bringen Bank und Kunde Kapital ein und
vereinbaren eine Teilung von Gewinn und Verlust. Dieses Modell entspricht einer
Bereitstellung von Private Equity oder einem Joint Venture.
Islamische Anleihen
Instrumente sind z.B. Islamische Anleihen („Sukuk“).
Schari'a-konforme Investmentfonds
Als Benchmark für islamische Investmentfonds dient oft der "Dow Jones Islamic Market
Index" mit seinen Unterindices. Er wird seit 1999 ermittelt und umfasst Aktien, die nach
Auffassung des "DJIM Shari`ah Supervisory Board" in Übereinstimmung mit islamischem
Recht erworben werden dürfen.
Ende 2006 wurde auch durch Standard & Poor's die Einführung einer Familie islamischer
Aktienindices angekündigt. Neben dem "S&P 500 Sharia" für den amerikanischen
Aktienmarkt werden auch ein europäischer "S&P Europe 500 Sharia" und ein japanischer
"S&P Japan 500 Sharia" islamischer Index ermittelt. Ein weiterer viel beachteter Index ist der
FTSE Islamic Index.
Zum Jahresende 2006 hat die Liechtensteinische Landesbank (LLB) einen eigenen „Top 20
Middle East Total Return Index“ eingeführt. Unternehmen, die etwas mit Alkohol,
Schweinefleisch, Tabak, "sittlich anstößigen" Teilen der Unterhaltungsindustrie, mit
Glücksspiel oder Waffen zu tun haben, werden nicht aufgenommen und gegebenenfalls
ausgeschlossen. Scharia-konforme Unternehmen dürfen nur in Grenzen verschuldet sein.
Oberstes Ziel Koran-konformen Business muss es sein, dass das Kapital in der
Volkswirtschaft zirkuliert und Erspartes oder Gewinne reinvestiert werden.
Eines der führenden Beratungsunternehmen rund um das Thema "Schari'a konforme
Investmentfonds" ist Failaka Advisors. Jährlich werden mit dem Failaka Islamic Fund
Awards die besten Investmentfonds ausgezeichnet. Der seit 1996 erscheinende jährliche
Failaka Islamic Funds Report gilt mittlerweile als eine wichtige Messgröße in diesem
Spezialbereich der Investmentfonds.
Das islamische Recht, die Schari'a, verbietet nach verbreiteteter Interpretation die Erhebung
und Auszahlung von Zinsen. Muslimen ist es laut Koran (Sure zwei, Vers 275) weder erlaubt,
Zinsen zu verlangen, noch zu zahlen (Riba). Demnach kann ein Moslem keine verzinsten
Kredite oder Hypotheken in Anspruch nehmen. Islamische Banken können somit keine
verzinsten Kredite vergeben.
Die Scharia erlaubt jedoch die Verteilung von Gewinnen. So kaufen islamische Banken für
den Emittenten beispielsweise Güter ein und geben sie später mit Gewinn an ihn weiter. Der
Emittent erhält so keinen festen Zinssatz, sondern wird über sein Guthaben Teilhaber der
Bank. Die Bank selbst tritt als Zwischenhändler auf und hält sich damit an das islamische
Recht.
124
Beispiel
Sachsen-Anhalt hat im Jahr 2004 als erster europäischer Emittent einen Sukuk über 100 Mio.
EUR, fällig 2009, ausgegeben. In diesem Anleihekonstrukt wurden schuldrechtlich die
Nutzungsrechte am Immobilienvermögen von Sachsen-Anhalt an eine niederländische
Stiftung übertragen. Sachsen-Anhalt erhielt dafür eine einmalige Zahlung. Die
niederländische Stiftung vermietet das Vermögen gegen jährliche Mietraten an Sachsen-
Anhalt zurück, das somit den Zinszahlungen einer normalen Anleihe entspricht. Alle
Forderungen der niederländischen Stiftung gegen Sachsen-Anhalt sind ungesicherte und
bedingungslose Verbindlichkeiten des Bundeslandes. Am Ende der Laufzeit erwirbt Sachsen-
Anhalt die Nutzungsrechte durch einmalige Rückzahlung der Summe aus dem Jahr 2004
zurück. Diese wird an den islamischen Investor weitergeleitet. Auf Umwegen hatte man damit
eine festverzinsliche Anleihe.
Arten von Sukuk
Sukuk al-murabaha
Murabaha ist ein Kauf- und Rückkaufvertrag, bei dem ein Kunde einen Sachgegenstand von
der islamischen Bank erwerben möchte. Zu Beginn des Kaufs wird zwischen der Bank und
dem Kunden ein Rückkaufpreis festgelegt. Wertsteigerungs- und Risikozuschlag sind in
diesem Preis enthalten.
Sukuk al-idschara
Idschara ist ein Leihvertrag oder Leihkaufvertrag. Die Bank ist der Eigentümer eines
Vermögensgegenstandes und trägt damit alle Risiken, die mit dem Eigentum
zusammenhängen. Die Bank verleiht den Vermögensgegenstand zum Gebrauch und zur
Nutzung zu einem bestimmten Pachtsatz und für eine bestimmte Zeit an den Kunden. Bei
einem Leihkaufvertrag besteht der Unterschied darin, dass der Kunde die laufenden
Pachtzahlungen als Abzahlung des Vermögensgegenstandes nach vorher festgelegtem Wert
und festgelegter Nutzungsdauer verrechnen kann.
Sukuk al-muscharaka
Muscharaka ist ein Gewinn- und Verlustvertrag. Nach den geleisteten Kapitaleinlagen
erwerben die islamische Bank und der Kunde gemeinsam das Eigentum. Ein Projekt wird
demnach gemeinsam finanziert.
Sukuk al-mudaraba
Mudaraba ist eine Art der Gewinnverteilung. Eine Partei bringt für das Eigentum das Kapital
auf, die andere übernimmt die Arbeit und die Geschäftsführung. Kapitalgeber ist wieder die
Bank.
The Alchemy of Finance. 1988
o Die Alchemie der Finanzen. Wie man die Gedanken des Marktes liest.
Börsenbuch-Verlag, Kulmbach 1994, ISBN 3-922669-07-7
125
1790 bis 1800 NYSE
Die Wall Street 1789
Unterzeichnung des Buttonwood Agreement 1792
1790 emittierte die US-Regierung Staatsanleihen für rund 80 Millionen US-Dollar, um die
Schulden aus dem Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1775-1783) zu finanzieren. Der
öffentliche Handel mit diesen Kriegsanleihen war der Beginn des US-amerikanischen
Marktes für Wertpapiere. Am 10. März 1792 ging der Bodenspekulant William Duer (1743
1799) bankrott und brachte damit die Bank of New York (heute Bank of New York Mellon),
die älteste Bank in den USA, in Bedrängnis. Sie war 1784 von Alexander Hamilton (1757-
1804) und William Duer gegründet worden. Hamilton kaufte die Papiere der Bank zurück um
den Kurs zu stabilisieren. Er rettete damit das Geldinstitut vor der Insolvenz. Der
Anteilsschein war 1792 das erste Unternehmen, das an der Wall Street gehandelt wurde.
Den Grundstein für die New Yorker Aktienbörse legten 24 Broker, die am 17. Mai 1792 in
der Wall Street Nummer 68 das Buttonwood Agreement unterzeichneten. Darin verpflichteten
sich die Händler, den Kunden mindestens ein viertel Prozent Kommission für den Kauf und
Verkauf von Wertpapieren zu berechnen und sich gegenseitig beim Handeln mit Aktien und
Anleihen den Vorzug zu geben. Der Handel sollte in US-Dollar stattfinden, den das US-
amerikanische Münzgesetz am 2. April 1792 zur offiziellen Währungseinheit erklärte. Der
Name des Abkommens leitet sich vom Buttonwood-Baum ab, unter dem die Unterzeichnung
der Vereinbarung stattfand.
Der Aktienhandel wuchs in den folgenden Jahren schnell. 1792 wurden gerade einmal fünf
Wertpapiere in New York gehandelt: die Aktien von zwei Banken und drei Staatsanleihen, die
im Jahre 1790 ausgegeben worden waren. Bereits 1793 trafen sich die Broker im
nahegelegenen „Tontine Coffee House“ zum täglichen Handel. Der Markt funktionierte so,
dass an zwei Sitzungen am Vor- und Nachmittag die verschiedenen Wertpapiere ausgerufen
wurden und die Händler dann ihre Gebote dafür abgaben.
1801 bis 1850
Am 8. März 1817 wurde zum ersten Mal ein Börsenreglement festgelegt und eine formelle
Organisation gegründet: das New York Stock & Exchange Board (NYS & EB), das sich in
der Wall Street einquartierte. Im selben Jahr sind auch die Prozeduren für den Handel neu
festgelegt worden. Es entstand ein sogenannter Call Market. Die von der Börse in
Philadelphia abgedruckten Regeln bestimmten die Satzung. Nach drei Testjahren sind diese
jedoch überarbeitet worden, und am 21. Februar 1820 wurde eine neue Satzung beschlossen.
Am 16. und 17. Dezember 1835 zerstörte ein Großbrand die Wall Street
Im Jahre 1830 ist erstmals eine Eisenbahngesellschaft gelistet worden: Mohawk & Hudson.
Weitere Gesellschaften folgten bald, und so wurden Eisenbahnaktien zur ersten Sorte von
Boom-Aktien, die das Handelsgeschehen für den Rest des Jahrhunderts prägten.
Der 16. März 1830 ging als der Tag mit dem geringsten Umsatz in die Annalen von Wall
Street ein. 31 Stück von 80 Millionen damals gelisteter Aktien wurden an dem Tag gehandelt.
126
Doch es gab auch Tage wie den 14. und 17. März 1821 und den 8. Januar 1829, wo trotz
geöffneter Börse laut dem Journal of Commerce überhaupt kein Handel stattfand, und den 19.
September 1828, wo ein einziges Stück einer sechsprozentigen Staatsanleihe umgesetzt
wurde.
Am 16. und 17. Dezember 1835 zerstörte ein Großbrand über 700 Gebäude in New York, und
auch die Wall Street blieb nicht verschont. Es fanden sich jedoch schnell andere Orte, an
denen der Handel fortgesetzt werden konnte. Ein Jahr später wurde der Aktienhandel in den
Straßen von New York verboten. Bis dahin war es durchaus üblich, auf der Straße Aktien
angeboten zu bekommen.
Die Panik von 1837 hatte ihre Ursache in einem spekulativen Fieber. Die Blase zerbarst am
10. Mai 1837 in New York, als alle Banken die Konvertibilität von Papiergeld in Gold und
Silber einstellten. Auslöser der Krise war unter anderem die Wirtschaftspolitik von US-
Präsident Andrew Jackson, darunter das „Specie Circular“ (Währungsrundschreiben), das nur
Gold oder Silber als Zahlungsmittel bei Landverkäufen der US-Regierung zuließ. Es
schränkte den Druck von Papiergeld der einzelnen staatlichen Banken ein und führte zu einer
Währungsknappheit, die zum Ausbruch der Panik beitrug. Es folgten sechs Jahre
wirtschaftlicher Depression, die dauerhafte Zahlungsunfähigkeit vieler Banken und
rekordhafte Arbeitslosigkeit.
Durch die Einführung des Telegrafen 1844 konnten erstmals Händler und Investoren
außerhalb von New York am Handel teilnehmen.
1851 bis 1900
Ansturm auf die Fourth National Bank in New York 1873
Einen Börsenkrach erlebte New York am 24. August 1857, als der Zusammenbruch der Ohio
Life Insurance & Trust Company eine Massenhysterie und Panikverkäufe auslöste. Die
folgende Wirtschaftskrise von 1857 breitete sich in hoher Geschwindigkeit über die gesamte
Welt aus. Ihren heutigen Namen „New York Stock Exchange“ (NYSE) erhielt die Börse am
29. Januar 1863.
Mit der Fertigstellung des ersten permanent betriebenen Transatlantischen Telefonkabels
1866 beschleunigte sich die Kommunikation zwischen New York und London. Am 15.
November 1867 wurden zum ersten Mal Börsenticker im Handel eingeführt. Die Erfindung
durch Edward A. Calahan revolutionierte die Nachrichtenübermittlung an der Börse.
Investoren besaßen nun die Möglichkeit, von überall Tagespreise einzuholen. Am 8. Mai
1869 kam es zum Zusammenschluss der NYSE mit dem Open Board of Brokers.
Am 24. September 1869 bewirkten Goldspekulationen an der NYSE den ersten „Schwarzen
Freitag“. Versuche der Spekulanten James Fisk und Jay Gould den Goldmarkt unter ihre
Kontrolle zu bringen scheiterten und führten zum Zusammenbruch des Marktes. Seit dem 20.
September 1869 hatten Fisk und Gould die Goldvorräte der Stadt New York so weit unter ihre
Kontrolle gebracht, dass sie den Preis stark steigen lassen konnten. Die Goldnachfrage wurde
am 24. September durch die Freigabe von Goldreserven der Regierung für den freien Handel
gestoppt. Eine kurzfristige Finanzkrise in den USA war die Folge.
127
Die „Panik von 1873“ führte am schwarzen Freitag, den 19. September des Jahres, zu einem
schweren Finanzzusammenbruch, der eine anschließende Panik auslöste. Ursache war die
Bankrotterklärung der Bank „Jay Cooke & Company“. Dieser Entwicklung war eine
Spekulation mit Eisenbahngesellschaften und Landgrundstücken vorausgegangen. Um die
Verkäufe zu stoppen, wurde zum ersten Mal in der Geschichte der NYSE der Börsenhandel
für zehn Tage vom 20. bis zum 29. September 1873 eingestellt.
Panik an der Wall Street am Morgen des 14. Mai 1884
Die Bankenkrise von 1884 begann mit der Insolvenz der „Marine National Bank“ am 6. Mai
des Jahres. Mit beinahe 17 Millionen US-Dollar Passiva standen dem Geldinstitut kaum
nennenswerte Aktiva gegenüber. Am 13. Mai wurde bekannt, dass der Präsident der „Second
National Bank“ Wertpapiere im Wert von drei Millionen US-Dollar unterschlagen hatte, am
folgenden Tag ging die „Metropolitan Bank“ in Konkurs. Zwischen dem 12. und 14. Mai kam
es an der NYSE zu massiven Kursverlusten. Eine Beruhigung trat erst ein, als die „Associated
Banks“ am Nachmittag des 14. Mai 1884 sechsprozentige Darlehensscheine ausgab, und dem
Geldmarkt kurz darauf größere Summen an Kapital zuflossen, die der hohe Zinssatz angelockt
hatte, während die niedrigen Kurse Anleger zu größeren Käufen von Effekten veranlassten.
Investoren verloren während der Bankenkrise vom Mai 1884 schnell den Überblick und
Charles Dow reagierte auf die Ereignisse am Markt. Am 3. Juli 1884 veröffentlichte er den
ersten US-amerikanischen Aktienindex, den Dow Jones Average, im von der Dow Jones &
Company herausgegebenen Customers´ Afternoon Letter. Er bestand zunächst aus elf Werten.
Dieser Index sollte den Investoren eine verständliche und repräsentative Zusammensetzung
des Geschehens an der Börse bieten. 1885 wurde ein Index daraus, der auf 14 Aktien basierte.
Bezeichnend für die damalige Zeit war, dass zwölf Werte davon Eisenbahnaktien und nur
zwei Industrieaktien waren.
Theaterplakat von 1895, das die Panik von 1893 darstellt
Die „Panik von 1893“ begann am 20. Februar des Jahres, als die Philadelphia and Reading
Railroad in Zwangsverwaltung überführt wurde. Am 4. März schrumpften die Goldreserven
der USA auf den historischen Tiefststand von 100 Millionen Dollar. Die Investoren waren in
Sorge vor einer baldigen Abwertung des Dollars. Nach dem Konkurs zahlreicher
Unternehmen fand die Angst am 5. Mai, dem „Industrial Black Friday“, in massiven
Aktienverkäufen ihren Höhepunkt. Im Juni 1893 brach der Silberpreis zusammen und viele
Silberminen mussten ihre Produktion einstellen. Bis Ende des Jahres waren 15.000
Unternehmen bankrott, darunter 642 Banken und 74 Eisenbahngesellschaften. Eine
vierjährige Depression folgte der Panik von 1893. Hauptursachen waren die 1890
beschlossene Erhöhung der Importzölle für bestimmte Rohstoffe im „McKinley Tariff Act“,
benannt nach dem späteren US-Präsidenten William McKinley und der „Sherman Silver
Purchase Act“ von 1890, der den Ankauf von Silber durch das US-Finanzministerium gegen
in Gold einlösbare Schatzanweisungen regelte.
Am 26. Mai 1896 wurde von Charles Dow der Dow Jones Industrial Average, auch kurz
Dow-Jones-Index genannt, kreiert. Er umfasste anfangs lediglich zwölf Aktien und blieb bis
heute der Leitindex der NYSE. Sein Allzeittief markierte der Index nur zweieinhalb Monate
später, als er am 8. August 1896 auf 28,48 Punkte fiel.[3] Am 7. Oktober 1896 wurde der
ursprüngliche Dow Jones Average um die Industrieunternehmen bereinigt und in Dow Jones
Railroad Average (seit 1970 Dow Jones Transportation Average) umbenannt.
128
1901 bis 1950
1903 zog die NYSE in ein Gebäude in der Wall Street Nummer 11. Der Eingang befindet sich
in 18 Broad Street, einer Querstraße. Dies ist bis heute der Standort der New York Stock
Exchange.
1907 erlebte die Wall Street eine schwere Bankenkrise. Am 14. März 1907 verlor der Dow-
Jones-Index 8,29 Prozent, als die Aktien der Eisenbahngesellschaft Union Pacific Railroad,
die zum großen Teil als Sicherheit für Finanzierungswechsel verwendet wurden, um 50
Punkte sanken. Am 21. Oktober 1907 verweigerte die National Bank of Commerce die
Einlösung von Wechseln der Knickerbocker Trust Company, der damals drittgrößten Bank
New Yorks. Einen Tag später löste ein Massenansturm auf die Knickerbocker Trust Company
eine allgemeine Panik an der Wall Street aus. Die Banken forderten ihre Kredite zurück, die
Aktienkurse an der Börse brachen ein. Für eine Beruhigung sorgte der Unternehmer und
Bankier John Pierpont Morgan, der sich mit weiteren Bankiers zusammenschloss und
Liquidität bereitstellte. Dennoch notierte der Dow-Jones-Index Ende 1907 um 37,73 Prozent
niedriger als zum Jahresanfang. Die Probleme bei der Kreditbeschaffung während der
Finanzkrise von 1907 führten am 23. Dezember 1913 zur Gründung der US-Notenbank.
Aufgrund des Ersten Weltkrieges war die Börse 1914 für viereinhalb Monate geschlossen. Als
die New York Stock Exchange am 12. Dezember 1914 wiedereröffnete, schloss der Index bei
74,56 Punkten und damit um 4,4 Prozent über dem Schlussstand von 71,42 Punkten am 30.
Juli des Jahres. In einigen Publikationen wird der 12. Dezember 1914 mit 24,39 Prozent als
der Tag mit dem größten prozentualen Rückgang der Geschichte bezeichnet. In Wirklichkeit
handelte es sich um eine Änderung in der Zusammensetzung des Index und nicht um einen
tatsächlichen Rückgang. Am 4. Oktober 1916 veröffentlichte das Wall Street Journal erstmals
einen Dow-Jones-Index mit 20 Aktien. Dieser wurde bis 12. Dezember 1914 auf einen
Schlussstand von 54,62 Punkten zurückberechnet und lag an diesem Tag um 26,7 Prozent
unter dem Schlussstand für den Index mit zwölf Aktienwerten.
Bei einer Bombenexplosion am 16. September 1920 außerhalb des Gebäudes der Börse
starben 38 Menschen, mehr als 400 wurden verletzt.
Am 1. Oktober 1928 wurde die Anzahl der Aktienwerte im Dow-Jones-Index auf 30 erhöht
und die Berechnung erfolgte fortan über einen bestimmten Divisor, der auch Aktiensplits
berücksichtigt. Die Indexhöhe befand sich im Einklang mit dem vorherigen Index, der aus 20
Aktienwerten bestand. Eine Anpassung war somit nicht notwendig.
Börsencrash 1929 Menschenmassen an der Wall Street
Den folgenreichsten Börsenkrach erlebte die Welt am 24. Oktober 1929. Dieser Tag ist als
Black Thursday („Schwarzer Donnerstag“) bekannt. In Europa kennt man den Tag wegen der
Zeitverschiebung als „Schwarzen Freitag“, da es hier bereits nach Mitternacht war. Nachdem
schon in den Vorwochen ein deutlicher Rückgang des zuvor Jahre lang stark steigenden Dow-
Jones-Index verzeichnet worden war, brach an diesem Tag Panik unter den Anlegern aus. Die
Börsenkurse stürzten stark ein, viele Anleger waren nach Börsenschluss hoch verschuldet.
Dieser Börsenkrach gilt als Auslöser der Weltwirtschaftskrise. Auch wenn nur dieser eine Tag
sprichwörtlich wurde, zog sich der eigentliche Kurssturz über Tage hin und der folgende
Bärenmarkt erreichte erst am 8. Juli 1932 seinen endgültigen Tiefpunkt. An diesem Tag lag
129
der Dow-Jones-Index um 89,19 Prozent unter seinem Höchststand vom 3. September 1929.
Aufgrund dieser Ereignisse kam es am 6. Juni 1934 zur Einsetzung der United States
Securities and Exchange Commission (SEC), der Börsenaufsicht.
Den besten Handelstag verzeichnete die NYSE am 15. März 1933, als der der Dow-Jones-
Index um 15,34 Prozent stieg. Hierbei ist zu beachten, das es der erste Handelstag seit 3. März
1933 war. Grund für die Handelsunterbrechung waren mehrere Bankfeiertage (National
Banking Holidays), die wegen der Amtseinführung von Franklin D. Roosevelt als 32. US-
Präsident erlassen wurden.
Einen Tiefpunkt ihrer Geschichte erlebte die New York Stock Exchange 1938 durch die
Verurteilung und Inhaftierung des früheren Präsidenten (19301935) und Mitglied des
Verwaltungsrates der Börse (19191938) Richard Whitney, der zahlreiche Kunden um Geld
betrogen hatte. Am 10. März 1938 brach sein Unternehmen Richard Whitney & Co.
zusammen, als durch eine Untersuchung das ganze Ausmaß seines jahrelangen
Missmanagements an die Öffentlichkeit kam. Als er Bankrott erklärte, hatte er ungefähr 6,5
Millionen US-Dollar Schulden. Wegen missbräuchlicher Verwendung fremder Mittel wurde
er angeklagt, bekannte sich schuldig und wurde zu fünf bis zehn Jahren Haft verurteilt, von
denen er drei Jahre und vier Monate im Gefängnis Sing Sing verbüßte.
1951 bis 2000
Am 31. Dezember 1965 ist der NYSE Composite eingeführt worden, der alle an der New
York Stock Exchange gelisteten Unternehmen enthält.
Am 24. August 1967 leitete der Polit- und Sozialaktivist Abbie Hoffman, Mitgründer der
Youth International Party („Yippies“), eine Gruppe durch das Gebäude der New York Stock
Exchange, um unter anderem gegen den Kapitalismus zu demonstrieren. Sie warfen von der
Galerie Hände voller US-Dollar-Scheine auf die sich darunter befindenden Börsenhändler.
Diese bemühten sich, so viele Scheine wie möglich in ihren Besitz zu bringen. Hoffmans
Protest hob metaphorisch hervor, was die Makler seiner Meinung nach laufend taten. Die
NYSE installierte daraufhin Barrieren, um diese Art des Protestes in Zukunft zu verhindern.
Im Jahre 1979 wurde eine Tochtergesellschaft gegründet: die New York Futures Exchange
(NYFE). Hier werden Termingeschäfte abgewickelt. Der erste Tag, an dem über 100
Millionen Aktien gehandelt wurden (132.681.120) war der 18. August 1982.
Die Börse 1999
Den schlechtesten Handelstag erlebte die NYSE am „schwarzen Montag“, den 19. Oktober
1987, als der Dow Jones Industrial Average innerhalb von wenigen Stunden 22,6 Prozent
einbüßte (508 Punkte). Da dem Börsencrash keine einschneidenden Ereignisse vorausgingen,
wird vermutet, dass mehrere Gründe zum „schwarzen Montag“ führten. Dazu gehören unter
anderem die hohe Inflation, das steigende Handelsdefizit der USA, eine zunehmende
Unsicherheit auf den Währungsmärkten und ein Vertrauensverlust in die US-amerikanische
Währung. Als weitere Ursache gilt die Computertechnik der damaligen Zeit. Durch das große
Handelsvolumen an diesem Tag kam es zur Anzeige falscher Preissignale, was zu massiven
Aktienverkäufen führte.
130
Um eine Wiederholung der Ereignisse von 1987 auszuschließen, wurde von der
Börsenaufsicht SEC beschlossen, die NYSE nach einem Rückgang der Kurse von über 350
Punkten für eine halbe Stunde und von mehr als 550 Punkten für eine Stunde zu schließen.
Die Regelung zur Aussetzung des Handels bei einer außergewöhnlichen Volatilität „Rule
80B“ (Trading Halts due to extraordinary Market Volatility) trat am 19. Oktober 1988 in
Kraft. Am 27. Oktober 1997 wurde der Handel an der Börse nach einem Rückgang der Kurse
um 554,26 Punkten zum ersten Mal in der Geschichte unterbrochen. Am 15. April 1998 trat
eine geänderte Fassung der „Rule 80B“ in Kraft.
Seit 28. August 2000 werden die Aktien am NYSE in Dezimalzahlen bewertet. Bis dahin war
es üblich den Preis einer Aktie in Brüchen anzugeben.
Seit 2001
Wirtschaftsminister Donald Louis Evans läutet die Eröffnungsglocke zur Sitzung am 23.
April 2003
Der Bulle ein Stück weit weg von der New York Stock Exchange
Aufgrund der Terroranschläge in New York war die Börse zwischen dem 11. und 14.
September 2001 für vier Handelstage geschlossen, da der gesamte Finanzdistrikt evakuiert
wurde. Durch die Anschläge verloren fast alle Unternehmen, Händler und Banken in
Manhattan Mitarbeiter oder Geschäftsfreunde. Nach Wiedereröffnung am Montag, den 17.
September 2001, brachen die Kurse um 7,13 Prozent ein.
2003 startete die NYSE eine Kooperation mit der NASDAQ, die bis dahin der größte
Konkurrent war. Das Handelsvolumen betrug im Durchschnitt etwa 45 Milliarden US-Dollar
pro Tag.
Im April 2005 kündigte die NYSE die Übernahme der elektronischen Handelsplattform
Archipelago Exchange (ArcaEx) mit Sitz in Chicago an und stellte in der Folgezeit die Börse
elektronisch um. Die ArcaEx begann 2002 mit dem Börsenhandel und übernahm im Januar
2005 die Pacific Exchange (PCX), eine 1882 als San Francisco Stock and Bond Exchange
gegründete Börse. Am 7. März 2006 war der Kauf abgeschlossen und die Archipelago
Exchange wurde in NYSE Arca umbenannt.
Am 8. März 2006 ging die NYSE selbst nach 214 Jahren an die Börse.
Durch den Zusammenschluss der NYSE Group und Euronext zur NYSE Euronext entstand
am 4. April 2007 die erste transatlantische Börse in der Weltgeschichte. Das neue
Unternehmen hatte eine Marktkapitalisierung von rund 30 Milliarden US-Dollar.
131
Die Wall Street 2003
Am 1. Dezember 2007 wurde Duncan Niederauer Geschäftsführer der NYSE Euronext. John
Thain, der seit 1. Januar 2004 Chef der NYSE war, übernahm am gleichen Tag den Posten des
Geschäftsführers bei Merrill Lynch. Niederauer, ein Deutsch-Amerikaner, und Thain hatten
zunächst bei Goldman Sachs gearbeitet, wo der spätere US-Finanzminister Hank Paulson ihr
Chef war.
Am 17. Januar 2008 kündigte die NYSE Euronext die Übernahme der American Stock
Exchange (AMEX) an. Die 1842 als New York Curb Exchange gegründete AMEX mit Sitz in
New York ist auf den Handel mit Optionen und börsennotierten Fonds spezialisiert. Am 1.
Oktober 2008 war der Kauf abgeschlossen und die AMEX wurde in NYSE Alternext U.S.
umbenannt. Fünf Monate später, am 6. März 2009, bekam die Börse den Namen NYSE Amex.
Während der internationalen Finanzkrise fiel der Dow-Jones-Index zwischen 9. Oktober 2007
(14.164,53 Punkte) und 9. März 2009 (6.547,05 Punkte) um 53,8 Prozent. Am 13. Oktober
2008 erzielte er mit einem Plus von 11,08 Prozent den größten prozentualen Tagesgewinn seit
21. September 1932. Zwei Tage später, am 15. Oktober 2008, markierte der Index mit einem
Minus von 7,87 Prozent den größten prozentualen Tagesverlust seit 26. Oktober 1987.
Am 6. Mai 2010 führten Panikverkäufe zu dem, nach Punkten gemessen, massivsten Einbruch
des Dow-Jones-Index in der Geschichte der Börse. Innerhalb einer Viertelstunde fiel der
Index auf einen Stand von 9.869,62 Punkten, was einem Tagesverlust von 998,50 Zählern
oder 9,19 Prozent entsprach. Der Dow Jones beendete den Handel bei 10.520,32 Punkten und
damit mit einem Minus von 3,20 Prozent. Am 30. September 2010 kamen die Commodity
Futures Trading Commission und die United States Securities and Exchange Commission in
einem gemeinsamen Bericht zu dem Ergebnis, dass es beim so genannten Flash Crash zu
einer Liquiditätskrise gekommen sei, als ein einzelner Händler im Rahmen von
Absicherungsgeschäften 75.000 E-Mini-Kontrakte im Wert von 4,1 Milliarden Dollar
computergesteuert nur abhängig vom aktuellen Handelsvolumen verkauft habe.
Meilensteine
Die Tabelle zeigt die Meilensteine täglich gehandelter Aktien (Einfachzählung) an der New
York Stock Exchange (einschließlich NYSE Arca und NYSE Amex).
Erster Tag über
Handelsvolumen
Datum
1 Million
1.095.159
15. Dezember 1886
5 Millionen
5.252.425
12. Juni 1928
10 Millionen
12.894.650
24. Oktober 1929
50 Millionen
52.278.180
14. April 1978
100 Millionen
132.681.120
18. August 1982
500 Millionen
604.330.410
19. Oktober 1987
1 Milliarde
1.201.346.607
28. Oktober 1997
2 Milliarden
2.129.445.637
4. Januar 2001
3 Milliarden
3.115.805.723
24. Juni 2005
4 Milliarden
4.121.107.134
27. Februar 2007
132
5 Milliarden
5.194.963.971
22. Juni 2007
6 Milliarden
6.555.871.957
18. September 2008
7 Milliarden
7.341.505.961
10. Oktober 2008
Hintergründe
Mit einer Marktkapitalisierung von über 10 Billionen HK$ (1,3 Billionen US$) rangiert die
Börse an achter Stelle der in der Welt gelisteten Börsen bezüglich der Marktkapitalisierung[1].
Hong Kong Exchanges and Clearing Limited (HKEx, , auch 香港交易所
oder 港交所) ist Eigentümer von Hong Kong Limited, Hong Kong Futures Exchange Limited
und Hong Kong Securities Clearing Company Limited. Der Handelsplatz erfreut sich auch bei
chinesischen Unternehmen wie der Hunan Nonferrous, dem größten Zinkproduzenten der
Volksrepublik, aufgrund seines etablierten Zugangs zum Kapitalmarkt großer Beliebtheit.
Die Börse Hongkong ist eine der drei chinesischen Börsen. Des weiteren bestehen die Börse
Shanghai und die Börse Shenzen.
Öffnungszeiten der Börse: 10:00 12:30 und 14:30 16:00 Uhr Ortszeit
(Winterzeit: 03:00 05:30 und 07:30 09:00 Uhr MEZ)
(Sommerzeit: 04:00 06:30 und 08:30 10:00 Uhr MESZ)
Der Geburtsort des Wertpapierhandels in China liegt in Shanghai, wobei die Wurzeln bis in
das Jahr 1860 zurückverfolgt werden können. 1891 wurde der so genannte „Shanghaier
Aktienhändler Verband” gegründet, welcher als Ursprung des chinesischen Aktienhandels
angesehen wird. In den 1930er Jahren später hat sich der Finanzplatz Shanghai als das größte
Finanzzentrum im Fernen Osten etabliert. Zu diesem Zeitpunkt war es für chinesische und
ausländische Investoren noch möglich Aktien, Staatsanleihen und Derivate zu handeln. Der
Höhenflug der Shanghaier Börse wurde jäh durch die Machtübernahme Mao Zedongs
unterbrochen, der jeglichen Aktienhandel untersagte. Erst unter der Führung von Deng
Xiaoping konnte die Arbeit an der Börse wieder aufgenommen werden. 1981 wurde der
Handel mit Staatsanleihen und 1984 der Handel mit Aktien und Unternehmensanleihen
wieder aufgenommen. Die Handelsplätze waren hauptsächlich Shanghai und ein paar weitere
chinesische Städte. Am 26. November 1990 feierte die Shanghai Stock Exchange (SSE) ihr
Debüt an den internationalen Finanzmärkten.
Börse
Die SSE ist eine nicht gewinnorientierte Organisation und unterliegt der „China Securities
Regulatory Commission” (CSRC).
Nach nur wenigen Jahren hat sich der Finanzplatz in Schanghai zur führenden Börse in
„Mainland China” entwickelt. In Schanghai sind die meisten Unternehmen und Aktien
gelistet, die SSE hat die größte Marktkapitalisierung, ist führend in Aktienumsätzen, im
Börsenwert und bei den Umsätzen in Staatsanleihen etc.
133
Das Jahr 2007 endete sehr erfolgreich für die Börse in Schanghai mit über 71,3 Mill.
Investoren, 860 gelisteten Unternehmen und einer Marktkapitalisierung von über 26,98
Billionen RMB. Im gleichen Jahr wurden über 661,6 Mrd. RMB durch Neuemmissionen
beschafft. Eine große Anzahl an Unternehmen aus verschiedenen Schlüsselindustrien, wie
dem Baugewerbe und den High-Tech Sektoren haben sich selbst nicht nur Kapital beschafft,
sondern konnten ebenfalls Ihren Ruf und das operative Geschäft durch die Listung an der SSE
deutlich verbessern.
Der SSE Composite Index erreichte am 26. Februar 2007 zum ersten Mal über 3.000 Punkte.
Am folgenden Tag fiel er um 8,84 Prozent auf 2.771,79 Punkte. Am 23. August 2007
überschritt der Index zum ersten Mal die Marke von 5000.
Die rasante Entwicklung des Shanghai Composite Index seit 2006 ist für viele Börsenkenner
bereits das Signal einer Überhitzung. Die „Blase” ist z. T. durch viele private Anleger
getrieben, welche selbst kleinste Beträge (auch häufig kreditfinanziert) investieren in der
Hoffnung, noch rechtzeitig beim großen Geschäft eingestiegen zu sein. In den Straßen der
Städte sieht man die Menge vor den Kurstafeln der Banken gebannt verharren.
Realwirtschaftlich ist nur ein kleinerer Teil des Kursaufriebs gerechtfertigt, aber die
Marktenge vieler Papiere erzeugt den Auftrieb. Staatliche Stellen warnen die Kleinanleger vor
Leichtsinn, bisher ohne Wirkung.
Am 16. Oktober 2007 erreichte der Composite Index 6.092 Punkte und damit den höchsten
Stand in seiner Geschichte. Bis Mitte Juni 2008 fiel der Index seitdem um mehr als 50% auf
unter 3.000 Punkte, bis Mitte September 2008 auf unter 2000 Punkte.
Die Börsenwerte der chinesischen Unternehmen sind allerdings nur mit Vorbehalt zu lesen, da
sich die Aktien überwiegend in heimischer Hand befinden und die Börse in Shanghai, auf
deren Kursbasis die chinesischen Börsenwerte errechnet werden, ausländischen Investoren
weitgehend versperrt ist. Ausländer handeln gegenwärtig chinesische Aktien überwiegend an
der Börse in Hongkong.
Shanghai Stock Exchange Top Ten
(nach Marktkapitalisierung: Stand: 2007)
1. Industrial and Commercial Bank of China (1.397,86 Milliarden)
2. China Life Insurance (904,78 Milliarden)
3. Bank of China (887,31 Milliarden)
4. Sinopec (692,22 Milliarden)
5. China Merchants Bank (201,09 Milliarden)
6. Shanghai International Port (164,56 Milliarden)
7. Baosteel (161,81 Milliarden)
8. Daqin Railway (114,71 Milliarden)
9. CITIC Securities (107,99 Milliarden)
10. Shanghai Pudong Development Bank (104,30 Milliarden)
Geschichte
Die Börse wurde am 15. Mai 1878 in Tokio gegründet und 1943 mit anderen kleineren
Börsen des Landes zur einzigen Börse Japans zusammengeschlossen. Am 30. April 1999
134
wurde der gesamte Parketthandel zugunsten des elektronischen Börsenhandels
(Computerbörse) aufgegeben.
Im November 2005 war es an der Tokioter Börse wegen eines Programmfehlers stundenlang
nicht möglich, Handel zu betreiben.
Im Januar 2010 gab die Tokioter Börse den Start eines neuen schnellen Handelssystems mit
dem Namen Arrowhead bekannt, das eine Latenzzeit von 5 Millisekunden haben soll.
Hintergründe
An der Tokioter Börse werden Aktien von über 2200 japanischen und 31 ausländischen
Unternehmen gehandelt. Börsenindex der Tokioter Börse ist der Nikkei 225, initiiert von der
Nihon Keizai Shimbun (kurz: Nikkei), der heutzutage in der Version mit 225 Werten zum
Standard gehört. In den Jahren der Stagnation nach dem Ende der Bubble-Economy 1990
wurde der umfangreichere TOPIX (Tokyo Price Index) mit 1645 Werten ungleich
aussagekräftiger, da der damalige Nikkei 300 zu einem großen Teil Aktien von Firmen
notierte, deren Aktien von anderen Holdings hauptsächlich zu strategischen
Beteiligungszwecken statt zu Anlagezwecken gehortet wurden und praktisch nicht am Markt
verfügbar sind. In den ersten Jahren des 21. Jahrhunderts ist der Topix nicht über die Werte
aus der Anfangszeit der Bubble Economy (1985-86) hinausgekommen und verharrt somit
abgesehen vom Hoch Ende der 80er-Jahre seit 20 Jahren auf etwa dem gleichen Niveau
(Tabelle im japanischen Artikel). Gründe sind unter anderem der weitgehende
Vertrauensverlust und die Zurückhaltung bei Privatanlegern, wofür zahlreiche
Finanzskandale, unlautere Geschäftspraktiken und wiederholtes grobes Missmanagment in
den meisten großen Finanzinstituten verantwortlich sind.
Handel
Die Tokioter Börse ist geöffnet montags bis freitags von 9:00 Uhr bis 11:00 Uhr und
12:30 Uhr bis 15:00 Uhr Ortszeit (entspricht 1:00 Uhr bis 3:00 Uhr und 4:30 Uhr bis 7:00 Uhr
MEZ, bei Sommerzeit jeweils eine Stunde später, weil Japan keine Sommerzeitumstellung
vornimmt).
Gründung der Euronext
Die Euronext wurde am 22. September 2000 als Holdinggesellschaft niederländischen Rechts
durch die Fusion der Börsen von Amsterdam, Brüssel und Paris gegründet. Anfang 2002
expandierte die Euronext durch den Zusammenschluss mit der portugiesischen Börse „Bolsa
de Valores de Lisboa e Porto“ (BVLP) und die Übernahme der Londoner Terminbörse
„London International Financial Futures and Option Exchange“ (LIFFE). Danach war die
Euronext die größte grenzüberschreitende Börse Europas. Der Aktienindex Euronext 100
umfasst die 100 stärksten Werte dieser Börsen.
Fusion mit der NYSE zur NYSE Euronext
Im Februar 2006 schlug die Deutsche Börse eine „Fusion unter Partnern“ mit der
Vierländerbörse Euronext vor, ohne dabei die Offerte mit Details zu versehen. Nachdem sich
der Aufsichtsrat von Euronext für einen Zusammenschluss mit der New York Stock Exchange
(NYSE) ausgesprochen hatte, da das Angebot attraktiver sei als das der Deutschen Börse,
135
legte die Deutsche Börse im Mai 2006 erstmals ein konkretes Kaufangebot für Euronext vor,
das das der NYSE übertraf. Man bot 76,60 Euro je Euronext-Aktie oder rund 8,6 Milliarden
Euro in bar und in Anteilen der neuen Gesellschaft. Euronext wies die Offerte jedoch zurück.
Am 2. Juni 2006 einigten sich Euronext und die NYSE auf eine Fusion. Euronext-Aktionäre
erhielten nach Zustimmung der Aktionäre der beiden Börsen und der Aufsichtsbehörden für
jede Euronextaktie 0,98 Aktien der NYSE und zusätzlich 21,32 Euro in bar. Der
Zusammenschluss wurde am 19. Dezember 2006 auf einer außerordentlichen
Hauptversammlung der Euronext endgültig beschlossen. Durch die Fusion am 4. April 2007
entstand der erste transatlantische Börsenbetreiber in der Geschichte. Das neue Unternehmen
hat eine Marktkapitalisierung von rund 30 Milliarden US-Dollar. Der Aktienindex Next 150
umfasst die 150 stärksten Werte dieser Börsen.
Übernahme der American Stock Exchange
Am 17. Januar 2008 kündigte die NYSE Euronext die Übernahme der American Stock
Exchange (AMEX) an. Die Aktionäre erhielten in den folgenden Monaten Aktien im Wert
von 260 Millionen Dollar (178 Millionen Euro). Die 1911 gegründete AMEX mit Sitz in New
York ist auf den Handel mit Optionen und börsennotierten Fonds spezialisiert. Die AMEX
hatte 2007 eine Kooperation oder einen Zusammenschluss mit verschiedenen Börsen geprüft.
Als ein möglicher Partner oder Käufer war auch die Deutsche Börse im Gespräch gewesen.
Am 1. Oktober 2008 war der Kauf abgeschlossen und die AMEX wurde in NYSE Alternext
U.S. umbenannt. Fünf Monate später, am 6. März 2009, bekam die Börse den Namen NYSE
Amex.
Fusion mit der Deutschen Börse
Am 9. Februar 2011 gaben die Deutsche Börse und die NYSE Euronext bekannt, dass man
sich in "fortgeschrittenen Fusionsverhandlungen" befände. Die Aktien beider Unternehmen
wurden vom Handel ausgesetzt. Bei der Fusion sollen die Aktionäre der Deutsche Börse AG
einen Anteil von über 50 Prozent an dem fusionierten Unternehmen bekommen, da die
Marktkapitalisierung der Deutschen Börse mit 11,4 Mrd. Euro diejenige der NYSE Euronext
mit 6,7 Mrd. Euro deutlich übersteigt.
Handelsplätze
Börsen und Aktienindizes
Die Tabelle zeigt die Handelsplätze und deren wichtigste Aktienindizes.
Börse
Land
Sitz
Aktienindex
Euronext Amsterdam
Niederlande
Amsterdam
AEX
Euronext Brüssel
Belgien
Brüssel
BEL 20
Euronext Lissabon
Portugal
Lissabon
PSI 20
Euronext Paris
Frankreich
Paris
CAC 40
LIFFE
Vereinigtes
Königreich
London
New York Stock
Exchange
Vereinigte Staaten
New York
Dow Jones Industrial
Average
136
NYSE Alternext
Frankreich
Paris
NYSE Amex
Vereinigte Staaten
New York
NYSE Arca Gold BUGS
Index
NYSE Arca
Vereinigte Staaten
Chicago,
San
Francisco
Was ist Freigeld und warum brauchen wir es?
Freigeld ist umlaufgesichertes Geld, das frei vom Störfaktor Zins ist. Dadurch ist es wieder auf seine
ursprüngliche Funktion als reines Tauschmittel zurückgeführt und kann nicht mehr als Schatzmittel zur
Wertaufbewahrung zweckentfremdet oder zur Spekulation mißbraucht werden. Es hat damit auch
aufgehört, Herrschaftsinstrument zu sein, dem sich alles andere unterzuordnen hat.
Statt einer Belohnung mit Zinsen für dem Wirtschaftskreislauf entzogenes und zu spekulativen
Zwecken gehortetes Geld, gibt es bei Freigeld eine „Bestrafung“ mit „Antizinsen“
(Umlaufsicherungsgebühr, Gebrauchsgebühr, „Parkgebühr für geparktes Geld“), wenn das Geld nicht
wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt wird. Das betrifft aber nur Bargeld und Geld
auf Girokonten; nicht aber langfristig festgelegtes Geld. Dann mnämlich die jeweilige Bank diese
Kosten tragen, sofern sie das Geld nicht in Form von zinslosen Krediten weiterverleiht. Freigeld hat
durch diese Maßnahmen eine hohe Umlaufgeschwindigkeit, d. h., es wird immer schnell wieder zur
Bezahlung von Waren und Dienstleistungen ausgegeben oder als zinsloser Kredit weiterverliehen an
jemanden, der etwas Sinnvolles damit machen will. Das bringt die Wirtschaft ungeheuer in Schwung,
verhindert Warenstockungen, schafft gut bezahlte Arbeitsplätze, führt zu niedrigen Preisen und damit
allgemeinem Wohlstand. Siehe auch: Freimark.
Wem nützt Freigeld und wem „schadet“ es?
Fast alle Kleinsparer und Kleinanleger erliegen der (von den Medien suggerierten) Illusion, daß ihnen
das Zinssystem Vorteile bringe, weil sie ja dadurch auf ihr Erspartes Zinsen bekommen („Mein Geld
arbeitet für mich“). Das ist jedoch ein Trugschluß, weil die meisten Bürger in Wahrheit mehr Zinsen
zahlen müssen als sie umgekehrt Bankzinsen erhalten: Der „Staat“ holt sich die Zinsen für die
exponentiell wachsenden „Staatsschulden“ (z. Z. ca. 1,5 Billionen Euro) durch Steuern und Abgaben
von den Bürgern. Die Mineralölsteuer z. B. wurde in der „BRD“ von 1950-2003 auf unglaubliche 2.450
% erhöht, nämlich von 0,06 DM auf 0,721 Euro. Und damit nicht genug: auf die Mineralölsteuer wird
noch mal die Umsatzsteuer fällig, also Steuer auf die Steuer! Das sind 80 % versteckte Zinsen für
jeden, der Auto fahren will oder muß (und wer muß das heute schon nicht?!). Ähnlich ist es bei Strom,
Gas, Miete, Immobilien. Auch die deutsche Wirtschaft ist hochverschuldet, m mit über 80 %
Fremdkapital arbeiten und dafür natürlich Zinsen an die „Geldgeber“ zahlen. Diese Zinskosten (der
„Kapitaldienst“) müssen von den Unternehmen in die Produktpreise mit einkalkuliert werden, so daß
wir bei allen Produkten und Dienstleistungen von A bis Z, von Auto über Bier bis Zahnpasta,
mindestens 30 % versteckte Zinsen mitbezahlen. Im Jahr 2000 mußte so jeder Haushalt in der „BRD“
bereits ca. 17.000 Euro seines hart erarbeiteten Einkommens in Form von versteckten Zinsen an
wenige Zinsschmarotzer abgeben, ob er wollte oder nicht! Alle diejenigen, die weniger als 17.000
Euro Zinsen auf ihr angelegtes Geld bekommen, sind in Wirklichkeit Zinszahler und gehören damit zu
den Verlierern der Zinswirtschaft. doch 99 % aller Menschen hierzulande sehen das nicht, weil diese
Zinszahlungen in Preisen, Steuern und Abgaben raffiniert versteckt sind. Sie wundern sich nur, warum
alles immer teurer wird.
Damit ist zugleich auch gesagt, wem Freigeld nützt und wem Freigeld „schadet“: Es nützt der
überwältigenden Mehrheit der Zinsverlierer und es „schadet“ der kleinen Minderheit von
Zinsgewinnlern, innerhalb derer es auch noch einmal riesige Unterschiede gibt. Die 300 reichsten
Familien, die täglich um mehrere Millionen Dollar, Euro oder Pfund reicher werden, besitzen mehr als
die sagenumwobenen 500 Millionen Dollar und sind damit die Extremgewinner des Zinssystems, weil
sie sich nicht nur auf die Zinsen allein stützen können, sondern auch auf die durch das Zinssystem
entstandenen und in ihrer Hand befindlichen Monopole. Dabei ist der Anteil der Monopolgewinne oft
137
noch größer als der der Zinsen, (wobei letztere aber der Schlüssel zur Macht sind). Man denke hierbei
nur mal an das Erdöl: Die angloamerikanische Hochfinanz läßt die USA den Irak überfallen, drückt
den Verbündeten“, dem eigenen Volk und den Verlierern die Kosten auf und diktiert die Preise nach
Belieben.
Diese 300 Jahre von etwa 1150-1450 waren Deutschlands glücklichste Zeit: Das damalige
Silberbrechgeld, die sog. „Brakteaten“ (bractes = dünnes Blech), „drehten sich“ 52 mal schneller als
unser heutiges Zinsgeld, weil beim halbjährlichen Umtausch der Münzen Umtauschgebühr zu zahlen
war und Geld „sparen“ sich deshalb nicht lohnte. Um dem Umtauschverlust zu entgehen, gaben es die
Bürger lieber schnell wieder für Waren oder Handwerker aus, verliehen zinslos Geld, das sie selbst
nicht unmittelbar benötigten oder spendeten es für Dombauten. Aus dieser Zeit stammt auch das
Sprichwort „Handwerk hat goldenen Boden“. Die Folge: 300 Jahre ununterbrochener wirtschaftlicher
und kultureller Aufschwung. Fischerdörfer wuchsen zu mächtigen Hanse-Städten. Der Handel blühte.
Arbeitslosigkeit und Armut war jegliche Basis entzogen. Die kaum mehr als 20.000 Bürger der - nach
heutigen Begriffen kleinen - Stadt Köln hatten genug Geld, um das größte Dombauprojekt aller Zeiten
in Angriff zu nehmen mit der Technik vor 800 Jahren, ohne Kräne, Alu-Gerüste, Diamant-
Schneidmaschinen, etc.! Die Bauern hatten Silber-Knöpfe an ihrer Kleidung und die Adligen
beschwerten sich, daß die Handwerksmeister samtene Anzüge trugen und von ihnen äußerlich nicht
mehr zu unterscheiden waren. Es gab die Vier-Tage-Arbeitswoche mit dem „Blauen Montag“, damit
sich die „Arbeitsleut’“ von den Wochenend-Feierlichkeiten vor Arbeitsbeginn wieder erholen konnten.
Die Wochenarbeitszeit lag bei 20-30 Stunden und es gab mehr als 150 arbeitsfreie Feiertage. In den
Gasthöfen gehörte Silberbesteck zum allgemeinen Standard. Die Menschen lebten nicht, um zu
arbeiten, sondern sie arbeiteten, um zu leben. Der weit verbreitete Wohlstand wurde durch Arbeit
erworben und nicht durch leistungslose Zinsen. Wer nicht die Absicht hatte reich zu werden, konnte
mit einer kurzen Arbeitszeit seinen Lebensunterhalt verdienen.
Auf Betreiben machtsüchtiger Kaufleute, wie der Fugger, wurden die Brakteaten durch den „Ewigen
Pfennig“, den „Dickpfennig“ abgelöst. Das Tauschmittel Geld wurde dann nur noch hochverzinst
verliehen und wurde damit zugleich Schatzmittel und Machtmittel. Binnen weniger Jahre verschwand
der allgemeine Wohlstand und der Reichtum konzentrierte sich nun immer mehr bei den großen
Geldverleihern, die das gehortete Geld nur gegen Wucherzinsen wieder herausrückten und die damit
sogar Kaiser und Könige in ihre Abhängigkeit brachten. Der Zins-Wucher mit seiner zwangsläufigen
Folge der Polarisierung des Volkes in ganz wenige unvorstellbar Reiche auf der einen Seite und
massenhafter Verelendung auf der anderen Seite, was zu blutigen Kriegen hrte, nahm derartige
Ausmaße an, daß sich sogar der Papst (Benedikt XIV.) damit befassen mußte. In seiner berühmten
„Enzyklika gegen die Wuchersünde des Zinses vom 1. November 1745“ verurteilte er auf das
Schärfste jegliches Darlehenszinsnehmen als „Schandmal und Laster“, das „von den Hl. Schriften
gebrandmarkt wird“ und „daß es sich in verschiedene Formen und Gestalten hüllt, um die durch Christi
Blut zur Freiheit und Gnade zurückgeführten Gläubigen wieder jählings ins Verderben zu stürzen“. Auf
den großen Dom-Baustellen konnte „wegen fehlendem Geld“ mehr als 300 Jahre nicht weitergebaut
werden.
Diese historisch belegten Fakten lassen erahnen, wie gut es uns allen erst recht beim heutigen Stand
von Technik und Wissenschaft gehen könnte, wenn das Geld wieder ein dienendes wäre und die
wirtschaftlichen Ergebnisse nicht durch den Zins in unvorstellbarem Maße zu Gunsten einer
mikroskopisch kleinen Schicht von Zinsschmarotzern umverteilt würden.
Amerika schöpfte 1750 sein eigenes Geld
In den damaligen englischen Kolonien (Neu England) gab es Im Gegensatz zum englischen
Mutterland Wohlstand und Überfluß in jedem Heim und es herrschte Frieden an allen Grenzen. Der
Grund dafür war: die Kolonien gaben ihr eigenes Papiergeld, genannt „Colonial Scrip“ (Kolonialaktie),
heraus und hatten an niemanden Zinsen zu zahlen. Sie gaben es in angemessener Menge heraus,
138
damit die Waren leicht vom Produzenten zum Konsumenten übergehen konnten. Als die englischen
Bankiers nach einem Besuch Benjamin Franklins im Mutterland davon erfuhren, ergriffen sie sofort die
„nötigen“ Gegenmaßnahmen, indem sie das britische Parlament veranlaßten, das unabhängige
Kolonialgeld per Gesetz zu verbieten und nur noch die Benutzung des englischen Geldes zu
gestatten, das sie in unzureichender Menge zur Verfügung stellten. Ein Jahr nach Vollzug des
Verbotes waren die Straßen in den Kolonien mit Arbeitslosen und Bettlern besetzt, genau so wie in
England, weil es nicht genug Geld gab, Arbeit und Waren zu bezahlen. Die Bankiers hatten das
umlaufende Tauschmittel auf die Hälfte reduziert und hmten damit alle industriellen Energien des
Volkes. Die einst blühenden Kolonien wurden in kürzester Zeit ruiniert und jede Familie und jedes
Geschäft wurde von schlimmster Not heimgesucht. Dies war der wahre Grund für den amerikanischen
Unabhängigkeitskrieg 1776.
Guernsey 1815
Dieses Freigeldexperiment wurde erst jüngst dem Vergessen entrissen, weil es die Bankiers auf
seltsame Art immer wieder schaffen, daß aus den Schulbüchern alles das entfernt wird, was Licht auf
ihr schändliches Treiben werfen könnte. Ausführlich nachzulesen ist dieses Freigeldexperiment in dem
Buch von Hermann Benjes „Wer hat Angst vor Silvio Gesell?“ Hier nur eine kurze Zusammenfassung:
Auf der britischen Kanalinsel war es zu einem „unerklärlichen“ Geldmangel gekommen, der den einst
florierenden Obst- und Gemüseanbau auf der klimatisch begünstigten Insel schließlich
zusammenbrechen ließ, die Menschen zur Verzweiflung brachte und die Inselverwaltung in den
Konkurs trieb. Die Zinszahlungen an Londoner Banken und die vom englischen Mutterland
eingetriebenen Steuern brachten den Zahlungsverkehr schließlich ganz zum Erliegen. Der
Schuldendienst hatte 1815 ein Ausmaß erreicht, daß das gesamte Steueraufkommen der
Inselbewohner nicht mehr ausreichte, um die Zinsforderungen Londoner Banken zu bedienen. In
dieser schier ausweglosen Situation ließ der Gouverneur der Insel das fehlende Geld einfach selber
drucken, brachte es als Zweitwährung neben dem englischen Pfund in Umlauf und ließ damit alles
bauen was die Insel benötigte, um sich aus dem Würgegriff der englischen Schmarotzer zu befreien:
eine Markthalle, Straßen, Schulen und gleich mehrere Windmühlen. Damit brauchte die Insel nicht
mehr das teure englische Mehl zu importieren und konnte sich vom Diktat der englischen
Mühlenbesitzer befreien. In nur 10 Jahren hatte sich Guernsey dank Freigeld in eine blühende Insel
verwandelt.
Die Erfurter Wära 1929-1931
In Erfurt wurde 1929 die überregionale Wära-Gesellschaft gegründet, der sich binnen zwei Jahren
über 1.000 Firmen aus allen Teilen Deutschlands anschlossen. Ein jähes Ende fand diese erfolgreiche
und sich ausweitende Freigeldinitiative 1931 durch Verbot des Reichsfinanzministers.
Das „Wunder von Wörgl“ 1932
In der Tiroler Gemeinde Wörgl stieg die Arbeitslosenzahl 1932 infolge der Weltwirtschaftskrise auf
über 1500. Das magere Stempelgeld gab es nur wenige Monate; danach mußten die Arbeitslosen auf
Kosten der Gemeindekasse leben, in der wegen sinkender Steuereinnahmen auch bald Ebbe war.
Ein wahrer Teufelskreislauf war im Gange, der nicht zu durchbrechen schien: Ein Geschäft nach dem
anderen mußte dicht machen, weil die Leute kein Geld hatten, um einzukaufen; Betriebe mußten
schließen und ihre Beschäftigten entlassen, weil der Handel keine Ware mehr bestellte. Und in die
Gemeindekasse kam immer weniger Geld, weil immer mehr Leute auch keine Steuern mehr bezahlen
konnten. Eine absurde Situation: Der Bedarf war riesig und die Arbeitskraft lag brach weil das Geld
fehlte, genauer gesagt, weil es nicht da war wo es gebraucht wurde, weil es als Tauschmittel den
Händen der schaffenden Menschen entglitten war und über die Zinskanäle in die Taschen einiger
weniger gerutscht war, die das Geld nicht mehr dem Warenmarkt zuführten, sondern es als
Spekulationsmittel zurückhielten. Geldstauung hrt unausweichlich zu Warenstauung und
Arbeitslosigkeit. Nur wenn Geld von Hand zu Hand geht, ist die Wirtschaft in Schwung.
Der damalige Bürgermeister Michael Unterguggenberger machte aus der Not eine Tugend: Da sich in
der Gemeinde ohnehin schon das meiste im Tausch Ware gegen Leistung und damit an der Steuer
vorbei abspielte, führte er - mit Zustimmung aller Parteien von links bis rechts und mit Unterstützung
von Kirche, Bank, Gewerbeverein und Gewerkschaft - ein eigenes Geld ein. Dieses Geld war ein
139
besonderes Geld. Es war nach der Freigeld-Freiland-Theorie des deutsch-argentinischen Kaufmanns
und Sozialreformers Silvio Gesell (1862-1930), dessen Anhänger der Bürgermeister war, so
beschaffen, das es zum Ausgeben drängte und seine Hortung nicht lukrativ war - im Gegensatz zum
„normalen“ (Zins-)Geld.
Damit kam die Wirtschaft schnell wieder in Schwung. Auch in die Gemeindekasse kam wieder Geld,
weil die Leute ihre Steuerschulden mit dem „Notgeld“ bezahlten. Damit stand wieder Geld für
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen zur Verfügung: In kurzer Zeit konnten die Kanalisation gebaut, eine
Brücke fertig gestellt und Straßen erneuert werden.
Der Erfolg war überwältigend und sprach sich schnell herum. Sogar der amerikanische Rundfunk
brachte einen Beitrag über das Experiment von Wörgl und zeigte sich von 3 Wirkungen besonders
beeindruckt: 1. von der erstaunlichen Senkung der Arbeitslosenzahl in kurzer Zeit, 2. von der Stärkung
der regionalen Kaufkraft und 3. von der schnellen Sanierung der Gemeindefinanzen.
Dazu einige Zahlen, die die Wirkung von Freigeld im Unterschied zum Zinsgeld deutlich machen: Es
wurde eine Umtauschgebühr von 1 % im Monat, bzw. 12% im Jahr erhoben, wodurch die Stadt
läppische 740 Schilling einnahm. Demgegenüber standen 3.000.000 Schilling Umsatz. Die
Umlaufgebühr betrug also effektiv nur 0,00025 %. So reichten 5000 Wörgl-Schillinge bei einer
Bevölkerung von 10.000 Einwohner aus, um für 3.000.000 Schillinge Waren zu bewegen. In derselben
Zeit bewegte dieselbe Geldmenge an (Zins-)Geld der österreichischen Nationalbank nur etwa 40.000
Schillinge. Anders ausgedrückt: 1 Wörgl-Schilling wechselte 500 Mal im Jahr den Besitzer, während
der „normale“ Österreichische Schilling nur 8 Mal in andere Hände geriet.
Nachdem rund 150 Gemeinden Freigeld nach Wörgler Vorbild einführen wollten, schrillten bei den
Bankiers alle Alarmglocken. Die österreichische Nationalbank pochte auf ihr Notenmonopol und setzte
über den Staat das Verbot des Wörgler Freigeldexperimentes durch.
Da Freigeld unweigerlich zu einer vom Kapitalismus befreiten Marktwirtschaft führt - einer wahren
Horrorvision für die Bankiers zertraten diese das zarte Pflänzchen einer natürlichen
Wirtschaftsordnung in Wörgl und finanzierten lieber den „Krisenbewältiger“ Hitler mit Rüstung, Krieg
und Zerstörung. Geschadet hat ihnen das nicht, ganz im Gegenteil, sie gehen alle Zeit als lachende
Gewinner aus jeglichem Konflikt hervor, egal wie viele Millionen Tote und unvorstellbare Zerstörung es
gibt. Je größer die Zerstörung, um so besser (für diese Herrschaften), denn um so höhere Zinsen
können sie für das für den anschließenden Wiederaufbau benötigte (Kredit-)Geld erpressen.
„Trotz des heiligen Versprechens der Völker, den Krieg für alle Zeiten zu ächten, trotz des Rufs der
Millionen: ‚Nie wieder Krieg!’, entgegen all den Hoffnungen auf eine schönere Zukunft muß ich sagen:
wenn das heutige Geldsystem, die Zinswirtschaft beibehalten wird, so wage ich es heute schon zu
behaupten, daß es keine 25 Jahre dauern wird, bis wir vor einem neuen, noch furchtbareren Krieg
stehen. Ich sehe die kommende Entwicklung klar vor mir. Der heutige Stand der Technik läßt die
Wirtschaft rasch zu einer Höchstleistung steigern. Die Kapitalbildung wird trotz der großen
Kriegsverluste rasch erfolgen und durch ein Überangebot den Zins drücken. Das Geld wird dann
gehamstert werden. Der Wirtschaftsraum wird einschrumpfen und große Heere von Arbeitslosen
werden auf der Straße stehen. Wie zu alten Zeiten wird man dann nach dem nderraub trachten
und wird dazu wieder Kanonen fabrizieren müssen, man hat dann wenigstens für die Arbeitslosen
wieder Arbeit. In den unzufriedenen Massen werden wilde, revolutionäre Strömungen wach werden
und auch die Giftpflanze Übernationalismus wird wieder wuchern. Kein Land wird das andere mehr
verstehen, und das Ende kann nur wieder Krieg sein.“
(Silvio Gesell 1918 in einem offenen Brief an die „Berliner Zeitung am Mittag“)
„Krieg ist der Terror der Reichen Terror ist der Krieg der Armen.“
(Harry Zingel)
„Geld ist der Wolf im Schafspelz“
Silvio Gesell)
„Auch in der Demokratie gehört Mut zum Wahrheitsbekenntnis, wenn es sich um das Kapital handelt.“
Silvio Gesell)
140
„Das Privileg, sein eigenes Geld zu schöpfen und in Umlauf zu bringen, ist das höchste Alleinrecht des
Staates und seine größte kreative Möglichkeit. Die Menschen erhalten damit eine Währung, die so
sicher ist wie die Macht des Staates. Anstatt die Menschen zu beherrschen, wird es zum Diener der
Menschheit. Die Demokratie wird dadurch stärker als die Geldmacht.“
(Abraham Lincoln, 16. amerikanischer Präsident)
„Ich sehe in naher Zukunft eine Krise heraufziehen. Sie enerviert mich und läßt mich um die Sicherheit
meines Landes zittern. In Friedenszeiten schlägt die Geldmacht Beute aus der Nation und in Zeiten
der Feindseligkeiten konspiriert sie gegen sie. Sie ist despotischer als eine Monarchie, unverschämter
als eine Autokratie, selbstsüchtiger als eine Bürokratie. Sie verleumdet all jene als Volksfeinde, die
ihre Methoden in Frage stellen und Licht auf ihre Verbrechen werfen. Aktiengesellschaften sind
inthronisiert worden, und eine Zeit der Korruption an höchsten Stellen wird folgen, und die Geldmacht
des Landes wird danach streben ihre Herrschaft zu verlängern, indem sie die Vorurteile des Volkes
ausspielt, bis der Reichtum in den Händen von wenigen angehäuft und die Republik vernichtet ist.“
(Abraham Lincoln, 5 Monate vor seiner Ermordung am 14. April 1865)
„Den Parteien, samt und sonders, fehlt das wirtschaftliche Programm; zusammengehalten werden sie
alle nur durch Schlagworte.“
Die N. W.-O. (Natürliche Wirtschafts-Ordnung), die ohne irgendwelche gesetzlichen Maßnahmen von
selber steht, die den Staat, die Behörden, jede Bevormundung überflüssig macht und die Gesetze der
uns gestaltenden natürlichen Auslese achtet, gibt dem strebenden Menschen die Bahn frei zur vollen
Entfaltung des „Ich“, zu der von aller Beherrschtheit durch andere befreiten, sich selbst
verantwortlichen Persönlichkeit, … .“
“Also wenn das Volk fleißig und erfinderisch war, wenn die Ernte von Sonne und Regen begünstigt
wurde, wenn viele Erzeugnisse zur Verfügung des Volkes stehen, um Wohnungen und Arbeitsstätten
zu erweitern, dann, gerade dann zieht sich das Geld, das den Tausch hier vermitteln soll, zurück und
wartet.“
Gesell entdeckte, daß die klassischen Nationalökonomen sich in ihren Ansichten über die Natur des
Geldes irrten; und Geld ist eine gefährliche Sache, wenn man nur wenig Kenntnis auf diesem Gebiet
besitzt. Geld ist eine Art Macht (die Macht, materielle Wünsche zu befriedigen), die leidenschaftlich
von den Menschen erstrebt wird.“
Harper’s Magazine)
„Gesell entwickelte geniale Konzeptionen und wurde vergessen, während die jeweiligen weniger
genialen Zeitgenossen einige Generationen blendeten.“
(Prof. Oswald Hahn)
Die Einführung von Freigeld, und sei es vorerst auch nur auf regionaler Ebene, unterläuft und
kompensiert die durch das Zinswirtschaftssystem vorsätzlich erzeugte Geldknappheit und stellt die
Weichen für eine gerechte Natürliche Wirtschafts-Ordnung. Damit kann sich das Volk schrittweise aus
der Abhängigkeit und Unberechenbarkeit der internationalen Finanzmärkte und der Börsen-
Spekulanten befreien. Dann sind auch Projekte finanzierbar, die unterhalb der Rentabilitätsschwelle
für das eingesetzte Kapital liegen, die sich also im Zinssystem „nicht rechnen“, zum Beispiel
Umweltschutzprojekte.
WIR (Wirtschaftsring-Genossenschaft) 1934
Sie wurde 1934 in der Schweiz gegründet, nicht verboten und konnte sich zu einem beachtlichen
Wirtschaftsfaktor entwickeln. Heute gehören der Genossenschaft 80.000 Schweizer an. Der Umsatz
ist auf mehr als 2,5 Milliarden Franken oder 1,5 Milliarden Euro angestiegen. Das System hat sich in
über 70 Jahren ausgezeichnet bewährt und ist heute ausgereift. Kredite werden nur mit 1,75 %
verzinst, was insbesondere kleine, kapitalschwache Unternehmen begünstigt.
141
Der 35. Präsident der USA, John F. Kennedy, unterzeichnete 5 Monate vor seiner Ermordung am 22.
November 1963 den Präsidentenbeschluß „executive order number 11110“, der den Präsidenten der
USA ermächtigte, die Herstellung von Banknoten wieder in die Gewalt des Staates zurückzubringen.
Die immerhin vier Milliarden Dollar des neuen Staatsgeldes, die noch zu seinen Lebzeiten zinslos der
Geldzirkulation zugeführt wurden, haben die Bankiers in einer konzertierten Geheimaktion unauffällig
wieder aus dem Verkehr gezogen und gegen normales Schuldgeld ausgetauscht. Die noch in der
Staatsdruckerei befindlichen neuen Scheine wurden von ihnen unmittelbar nach dem Attentat
klammheimlich und restlos vernichtet. Davon haben seinerzeit weder das amerikanische Volk noch die
Weltöffentlichkeit etwas erfahren. Dies war erst dann der Fall, als Kongreßdokumente nach der
Jahrtausendwende ans Tageslicht gekommen sind. Die Bankiers haben die Lektion von 1963 gut
gelernt, damit ihnen so etwas nicht noch mal passiert. Seitdem wachen sie offenbar mit Argusaugen
darüber, daß kein unsicherer Kantonist zum Präsidenten „gewählt“ wird, der sich später als ein Lincoln
oder Kennedy entpuppen könnte.
„Geld regiert die Welt“ und: „Da kann man auch nichts daran ändern; deshalb m man eben
versuchen, für sich selbst noch das Beste herauszuholen!“ - Das lernen schon die Kinder von den
Erwachsenen. Einer, der sich damit nicht abfinden wollte, und der deshalb auch bis heute in den
Medien, Schulen und Universitäten hartnäckig totgeschwiegen wird, ist der deutsch-argentinische
Kaufmann und Sozialreformer Silvio Gesell (1862-1930). Hier einige Zitate aus seinem 1916
erschienenen Hauptwerk Die Natürliche Wirtschafts-Ordnung durch Freiland und Freigeld“, wo er in
seiner unnachahmlich plastischen Ausdrucksweise, für die er sich fast noch entschuldigt: „In
einfachem kaufmännischen Stiel geschrieben“, die wirtschaftlichen, politischen und monetären
Zusammenhänge beschreibt:
Ich … will hier gleich klipp und klar nachweisen, daß, solange der Staat neben der Menge des Geldes
nicht auch noch den Umlauf des ausgegebenen Geldes beherrscht, alle die hier aufgedeckten
Widersprüche des Geldumlaufes ungelöst bleiben.
Solange das Geld als Ware betrachtet besser als die Ware im allgemeinen ist, solange man von
Geldvorrechten spricht, solange namentlich die Sparer das Geld den Waren (ihren eigenen
Erzeugnissen) vorziehen, solange die Wucherspieler das Geld ungestraft zu ihren Angriffen
mißbrauchen können, wird das Geld den Austausch der Erzeugnisse nicht ohne eine vom
Handelsgewinn gesonderte Abgabe vermitteln. Und das Geld soll doch „ein Schlüssel und kein Riegel
des Marktes“ sein, es soll eine Straße und kein Schlagbaum sein; es soll den Austausch fördern,
verbilligen, nicht hemmen und belasten. Und es ist doch klar, daß ein Geld nicht zugleich Tausch- und
Sparmittel, Peitsche und Bremse sein kann.
Deshalb fordere ich neben einer nur durch eine reine Papierwährung ermöglichten Beherrschung der
Geldmassen durch den Staat eine vollkommene, sachliche Trennung des Tauschmittels vom
Sparmittel. Den Sparern stehen alle ter dieser Welt zur Verfügung, warum sollen sie ihre
Ersparnisse ausgerechnet in Geld anlegen? Das Geld wurde doch nicht gemacht, damit es gespart
werden könnte!
“Das Angebot steht unter einem unmittelbaren, den Waren anhaftenden, sachlichen Zwang; darum
fordere ich einen gleichen Zwang für die Nachfrage, damit bei den Verhandlungen um den Preis das
Angebot nicht der Nachfrage gegenüber im Nachteil bleibe.“
“Wie schlecht das herkömmliche Geld sich als Tauschmittel bewährt, das hat die Untersuchung im III.
Teil gezeigt. Ein Geld, das gesetzmäßig in der Weise arbeitet, daß es sich zurückzieht, wenn es zu
fehlen beginnt, und das in Masse auf dem Markt erscheint, wenn es dort schon übermäßig vertreten
ist, kann nur dem Schwindel und Wucher dienen und mals unbrauchbar bezeichnet werden, mag
es auch, rein körperlich betrachtet, manch angenehme Eigenschaften haben.“
“Man hat aus der Nachfrage eine Willenssache der Geldbesitzer gemacht, man hat die Nachfrage
der Laune überantwortet, der Gewinnsucht, dem Wucherspiel und dem Zufall, und dabei hat man
völlig außer acht gelassen, daß das Angebot wegen seiner stofflichen Natur diesem Willen gegenüber
ganz schutzlos ist. So entstand die Macht des Geldes, die, in Geldmacht umgewandelt, einen
unerträglichen Druck auf alle Erzeuger ausübt. und so haben sie einen >>Riegel anstelle eines
Schlüssels für den Markt<< geschmiedet. Das Geld stößt die Ware ab, statt sie anzuziehen. Man kauft
Ware, ja, aber nur, wenn man hungrig ist, oder wenn man dabei einen Gewinn hat. Als Verbraucher
kauft jeder nur das Mindestmaß. Irgendwelchen Vorrat will niemand haben; in den Bauplänen sind
Vorratskammern niemals vorgesehen. Würde man allen Bürgern heute eine gefüllte Vorratskammer
schenken morgen schon fände man alle diese Vorräte auf den Märkten wieder. Nur Geld wollen die
142
Leute haben, obschon alle wissen, daß dieser Wunsch nicht erfüllt werden kann, insofern als das Geld
aller sich gegenseitig aufhebt. Der Besitz einer goldenen Münze ist ja unbestreitbar viel angenehmer.
Die Waren mögen die „anderen“ haben. Die anderen! Aber wer sind denn in der Volkswirtschaft diese
„anderen“? Wir selbst sind diese anderen; wir alle, die wir Waren erzeugen. Indem wir also als Käufer
die Erzeugnisse der anderen zurückweisen, stoßen wir uns alle gegenseitig unsere Erzeugnisse
zurück. Wenn wir das Geld nicht den Erzeugnissen unserer Mitbürger vorzögen, wenn wir an Stelle
einer angestrebten und doch unerreichbaren Geldrücklage eine Vorratskammer anlegten und diese
mit den Erzeugnissen unserer Mitbürger füllten, so bräuchten wir unsere eigenen Erzeugnisse nicht in
kostspieligen Läden feilhalten zu lassen, wo sie durch die Handelskosten großenteils aufgezehrt
werden. Wir hätten dann einen schnellen und billigen Absatz der Waren.“
Unsere Waren faulen, vergehen, brechen, rosten, und nur wenn das Geld körperliche Eigenschaften
besitzt, die jene unangenehmen, verlustbringenden Eigenschaften der Waren aufwiegen, kann es den
Austausch der Waren schnell, sicher und billig vermitteln, weil dann solches Geld von niemand, in
keiner Lage und zu keiner Zeit vorgezogen wird.
Geld, das wie eine Zeitung veraltet, wie Kartoffeln fault, wie Eisen rostet, wie Äther sich verflüchtigt,
kann allein sich als Tauschmittel von Kartoffeln, Zeitungen, Eisen und Äther bewähren. Denn solches
Geld wird weder vom Käufer noch vom Verkäufer den Waren vorgezogen. Man gibt dann nur noch die
eigene Ware gegen Geld her, weil man das Geld als Tauschmittel braucht, nicht weil man vom Besitz
des Geldes einen Vorteil erwartet.
Wir müssen also das Geld als Ware verschlechtern, wenn wir es als Tauschmittel verbessern wollen.
Da die Besitzer der Waren es mit dem Tausch stets eilig haben, so will es die Gerechtigkeit, daß auch
die Besitzer des Tauschmittels es eilig haben sollen. Das Angebot steht unter unmittelbarem,
eigengesetzlichem Zwang, so soll auch die Nachfrage unter gleichen Zwang gestellt werden.
Das Angebot ist eine vom Willen der Warenbesitzer losgelöste Sache; so soll auch die
Nachfrage eine vom Willen der Geldbesitzer befreite Sache sein.
Wenn wir uns dazu verstehen können, die Vorrechte der Geldbesitzer zu beseitigen und die
Nachfrage dem gleichen Zwang zu unterwerfen, dem das Angebot von Natur aus unterliegt, so lösen
wir alle Widersprüche des herkömmlichen Geldwesens restlos auf und erreichen damit, daß die
Nachfrage völlig unabhängig von allen politischen, wirtschaftlichen oder natürlichen Ereignissen ganz
regelmäßig auf dem Markte erscheint.
Namentlich werden auch die Anschläge der Wucherspieler, die Ansichten oder Launen der Rentner
und Bankmänner ohne irgendwelchen Einfluß auf die Nachfrage sein. Ja, das, was wir
„Börsenstimmung“ nennen, wird es überhaupt nicht mehr geben. Wie etwa das Fallgesetz keine
Stimmungen kennt, so wird es sich auch mit der Nachfrage verhalten. Keine Furcht vor Verlusten,
keine Erwartung eines Gewinns wird die Nachfrage beflügeln oder hemmen können.
“So wird die Nachfrage unter allen denkbaren Verhältnissen immer mit der von den gegebenen
Handelseinrichtungen gestatteten Umlaufsgeschwindigkeit der vom Staate beherrschten Geldmassen
übereinstimmen.“
Mehr als das ist nicht tig, um den Austausch unserer Waren vor jeder denkbaren Störung zu
sichern, um Wirtschaftskrisen und Arbeitslosigkeit unmöglich zu machen, um den Handelsgewinn auf
die Rangstufe der Tagelöhnerarbeit und des Lohnes herabzusetzen und um in kurzer Zeit den Zins in
einem Meer von Kapital zu ersäufen.
“Und was kosten uns Erzeugern, die wir durch die Arbeitsteilung das Geld schaffen, diese reichen
Gaben eines Geldumlaufzwanges? Nichts als den Verzicht auf das Vorrecht, in die Nachfrage den
Eigenwillen und damit die Laune, die Gewinnsucht, Hoffnung, Furcht und Sorge, Angst und Schrecken
tragen zu dürfen. Wir brauchen nur die Wahnvorstellung fallen zu lassen, daß man seine eigenen
Erzeugnisse verkaufen kann, ohne daß sie ein anderer kauft. Wir brauchen uns nur gegenseitig zu
verpflichten, sofort und unter allen Umständen genau so viel zu kaufen, wie wir selbst verkauft haben
und, um die Gegenseitigkeit dieser Verpflichtung zu wahren, das Geld so zu gestalten, daß der
Verkäufer der Waren durch Eigenschaften des Geldes genötigt wird, dem mit dem Geldbesitz
verknüpften Pflichten nachzukommen und das Geld wieder in Ware umzusetzen persönlich, wenn er
selbst Ware gebrauchen kann, durch andere, denen er das Geld leiht, falls er für sich selbst keine
Ware braucht.“
143
Die Chicago Board of Trade (CBOT), gegründet 1848, ist die weltälteste Terminbörse und
Teil der CME Group. Mehr als fünfzig verschiedene Termingeschäfte werden durch über
3.600 CBOT-Mitglieder sowohl durch Parketthandel als auch elektronisch abgewickelt. Das
Volumen an der Börse im Jahre 2003 erreichte mit 454 Millionen Verträgen einen
Rekordstand. Am 12. Juli 2007 wurde der Zusammenschluss der CBOT mit der Chicago
Mercantile Exchange zur neuen CME Group wirksam.
Aufgrund der Sorgen von US-Händlern, es könnte an Käufern bzw. Verkäufern für Rohstoffe
mangeln, entwickelten sie Termingeschäftsverträge, insbesondere für Agrarprodukte wie
Getreide, Schweinebäuche, etc. Die CBOT war ein zentralisierter Handelsort, wo Käufer und
Verkäufer aufeinander treffen konnten, um ihre Verträge auszuhandeln und abzuschließen.
1864 führte die CBOT die ersten standardisierten börsengehandelten Termingeschäftsverträge
ein. 1919 wurde die Chicago Butter and Egg Board, eine Ausgründung der CBOT,
umorganisiert, um Termingeschäfte zu ermöglichen, und der Name wurde in Chicago
Mercantile Exchange geändert.[1]
Am 19. Oktober 2005 erfolgte der Börsengang der CBOT mit 3.191.489 Anteilen zu
US$54,00 pro Anteil. Im Tagesverlauf des Aktienhandels an der New York Stock Exchange
nahm der Preis um 49% zu auf $80,50. 2007 fusionierten die CBOT und die CME, um die
CME Gruppe zu bilden.
Seit 1930 befindet sich die Chicago Board of Trade bei 141 West Jackson Boulevard in
Chicago. Das Gebäude wurde durch die Architekten Holabird & Root entworfen. Mit 184
Metern Höhe war es das höchste Gebäude in Chicago bis 1965, als das Richard J. Daley
Center gebaut wurde. Das Gebäude ist im Art-Déco-Stil gebaut, mit Skulpturen von Alvin
Meyer; an der Spitze befindet sich eine 9,5 m große Statue der Göttin Ceres, in einer
Anspielung auf die Geschichte der Börse als Rohstoff- und Getreidemarkt. Die Ceres-Figur
hat kein Gesicht, weil der Bildhauer, John Storrs, der Ansicht war, das 45-stöckige Gebäude
wäre so viel höher als jede andere Struktur in der Gegend, dass niemand in der Lage wäre, das
Gesicht überhaupt anzuschauen. Heute ist das Gebäude (das inzwischen als National Historic
Landmark anerkannt ist) von anderen (z.T. noch größeren) Wolkenkratzern umgeben im
Finanzdistrikt des Chicago Loop.
The Pit ist eine erhöhte achteckige Struktur, wo Parketthandel stattfindet. Auf dem Parkett des
CBOT befinden sich viele solcher Pits. Die Außenstufen nach oben, und die Innenstufen nach
unten bei solchen Pits verleihen ihnen etwas von dem Aussehen eines Amphitheaters und
ermöglichen Hunderte von Händlern einander zu sehen und zu hören während der
Handelszeiten. Die Bedeutung des Pits und des Handels dort wird unterstrichen durch die
Verwendung eines stilisierten Pits als Logo des CBOT. "The Pit" ist auch Titel und Thema
eines klassischen Romans aus dem Jahre 1903 von Frank Norris [2].
144
1. Englands missglückte Invasion
Gleich zu Beginn des Hundertjährigen Krieges zwischen England und Frankreich musste nach
einer missglückten englischen Invasion in Frankreich der englische König Edward III. im Jahr
1345 die staatlichen Schuldenrückzahlungen an florentinische Bankhäuser einstellen. Das
führte dazu, dass mehrere einflussreiche Finanziers in Florenz Bankrott gingen.
Damit hatte schon die erste Staatspleite Auswirkungen auf die europäische Finanzwelt. Aber
damals hatte Europa ohnehin noch schlimmere Sorgen: Die Pest wütete kurz darauf und
dezimierte die Bevölkerung um ganze fünfzig Prozent
2. Der Rekordhalter Spanien
Nicht erst seit dem Jahr 2011 hat Spanien finanzielle Schwierigkeiten. Spanien hält den
absoluten Rekord im Pleite gehen: schon 13 Mal musste sich das Land insolvent melden.
König Philipp II. schaffte es während seiner Regierungszeit sogar dreimal, das Land in die
Zahlungsunfähigkeit zu bringen- 1557, 1575 und 1596.
In die Geschichte eingegangen ist König Philipp II. aber nicht aufgrund seiner miesen
Finanzwirtschaft, sondern aufgrund seines größten Sieges, der Seeschlacht bei Lepanto 1571
gegen die Osmanen und seiner größten militärischen Niederlage, dem Debakel der spanischen
Armada gegen die Engländer 1588
3. Tüchtige Kaufleute:
Vom finanziell klammen französischen Staat um Geld angepumpt, gründete der Kaufmann
Gabriel-Julien Ouvrard 1804 zur Bewältigung der Aufgabe mit einigen Berufskollegen die
„Gesellschaft der vereinigten Kaufleute" („La Compagnie des Négociants Réunis"). Die mit
viel Macht und Einfluss ausgestatteten Kaufleute begannen in Mexiko mit Silbergeld zu
spekulieren und an den Pleitestaat Spanien Kredite zu vergeben- und verloren damit
Millionen aus dem französischen Staatshaushalt.
Am 27. Januar 1806 mussten sich Frankreichs mächtigste Kapitaleigner deshalb einen
neunstündigen zornigen Vortrag Napoleons anhören, der ihnen mit Haft und
Zwangsverwaltung drohte. Der Betrag, den die tüchtigen Kaufleute den französischen Staat
letztlich gekostet hatten, belief sich auf 141 Millionen Francs. Deren ungehemmte Vergabe
von Krediten sorgte außerdem dafür, dass die Staatsbank von Frankreich nur noch 1,5
Millionen in der Kasse hatte, gegenüber 92 Millionen
4. K&K- Kaiserlicher Konkurs
Kaiser Napoleon war Schuld an Österreichs Staatsbankrott 1811: Die Kriege mit Napoleon
hatten das Kaiserreich bereits viel Geld gekostet, doch der darauffolgende „Frieden von
Schönbrunn" war zu viel für den Staatssäckel. Darin verpflichtete sich der Verlierer
Österreich, 85 Millionen Francs Ausgleichszahlungen an Frankreich zu leisten. Als besonders
lernfähig erwies sich der österreichische Kaiser allerdings nicht: schon 1812 nahm er wieder
so hohe Schulden für den sechsten Koalitionskrieg auf, dass das Land bereits vier Jahre später
wieder Pleite ging.
145
5. Griechenland: Die Korinthen-Krise
Griechenland steht jetzt gerade nicht zum ersten Mal vor dem Konkurs. Schon 1893 war es
einmal soweit- aufgrund von Korinthen. Auch damals hatten die Griechen hohe
Staatsschulden aufgrund der griechischen Revolution und des darauffolgenden Bürgerkrieges
von 1821-1829.
Die Weinbeeren waren das wichtigste Exportprodukt Griechenlands. Zunächst war der
Weltmarktpreis stark gestiegen, da beim Konkurrenten Frankreich Ende der 1870er Jahre die
Weinberge von Mehltau befallen waren, doch dann erholten sich die französischen Weinberge
und der Weltmarktpreis sank auf ein Sechstel. Griechenland konnte in der Folge seinen
Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen.
6. Russland: Der Rubel rollt nicht mehr
1998 ging Russland zum fünften Mal in der Geschichte das Geld aus. Der Ölpreis sank
aufgrund von Faktoren wie beispielsweise warmen Wetterverhältnissen und der asiatischen
Rezession. Damit brachen Russlands Exporterlöse für Erdöl ein, die hochverschuldete
russische Wirtschaft war nicht mehr zahlungsfähig.
Daraufhin mussten viele staatliche Unternehmen privatisiert werden, um den notwendigen
Sparkurs der Regierung zu finanzieren. Gewinner der Krise waren russische Oligarchen, die
mit den aufgekauften Energie- und Rohstoffunternehmen ihr Vermögen verdienten.
7. Tanz auf dem Finanz-Vulkan
Die weltweite Finanzkrise 2007 stürzte Island in die größte nationale Wirtschaftskrise in
seiner neueren Geschichte. In Folge einer liberalen Finanzpolitik der Regierung zwischen
1998 und 2005 wurde der bis dahin überschaubare Bankensektor zum größten
Wirtschaftszweig des kleinen Landes und als die internationale Immobilienblase platzte damit
auch zu seiner Nemesis.
Isländische Banken expandierten im großen Stil ins europäische Ausland und gerieten in den
Abwärtsstrudel der internationalen Finanzwelt. Die isländische Regierung verstaatlichte im
Oktober 2008 den gesamten Bankensektor, um den Staatsbankrott noch zu verhindern.
Trotzdem war Island kurz darauf faktisch zahlungsunfähig, als die Regierung eine fällige
Anleihe der Glitnir-Bank in Höhe von 750 Millionen US-Dollar nicht zurückzahlen konnte.
Die endgültige Staatspleite konnte nur durch einen Milliardenkredit des Internationalen
Währungsfonds und der skandinavischen Nachbarländer abgewendet werden.
146
Das Prinzip der ständigen Umschuldungen
Wenn ein Unternehmen für den Kauf einer Maschine einen Kredit aufnimmt, werden monat-
liche Ratenzahlungen festgelegt, die Zins und Rückzahlung ("Tilgung") enthalten. Am Ende
der Laufzeit ist der Kredit vollständig getilgt.
Die Kredite, die der Staat aufnimmt ("Staatsanleihen"), werden dagegen am Ende der Laufzeit
in einer Summe getilgt. Während der Laufzeit zahlt der Staat nur Zinsen.
Diese Besonderheit wird vom Staat seit Jahrzehnten auf verhängnisvolle Weise missbraucht!
(Und praktisch alle Staaten der westlichen Welt machen es ebenso.) Der Staat legt nämlich
überhaupt nichts für die Tilgung zurück!
Statt dessen nimmt er am Ende der Laufzeit einen neuen Kredit auf und tilgt damit den alten
("Umschuldung", "Refinanzierung", "Anschlussfinanzierung"). Und da der Staat in jedem
Jahr mehr ausgibt, als er einnimmt, ist dieser neue Kredit immer höher als der alte! Es ist eine
Art Schuldenkarrussel, das sich immer schneller dreht. So hat sich die absurde Höhe der
heutigen Schulden in Jahrzehnten aufgebaut. Der deutsche Staat hat inzwischen mehr
Schulden, als er in vier Jahren an Steuern einnimmt! Es ist komplett ausgeschlossen, dass
dieses Geld jemals zurückgezahlt wird!
Und damit wird die ganze Anfälligkeit der Staatsfinanzierung deutlich. Tag für Tag braucht
Deutschland Anschlussfinanzierungen von mehr als 1 Mrd. . Das ist brandgefährlich. Der
Staat muss nur für eine einzige Anleihe keine Anschlussfinanzierung finden, dann ist er
"zahlungsunfähig" und wird von dem Tag an überhaupt keine Anschlussfinanzierungen mehr
finden.
Er hat sich auf diese Weise komplett abhängig gemacht von seinen Gläubigern. Der ameri-
kanische BlackRock-Fonds beispielsweise verwaltet gigantische Geldbeträge, über
2000 Mrd. €. Wenn so ein Fonds über einen Staat den Daumen senkt, ist es aus: Dann kolla-
bieren die Staatsfinanzen, und die Finanzen von Banken, Unternehmen und Privatleuten
dieses Staates folgen! Als genau das Griechenland im Mai 2010 drohte, setzten die verzwei-
felten Maßnahmen ein, die seitdem die Schlagzeilen beherrschen.
Stand: 8. Juli 2012
147
Die Gläubiger: Wer leiht dem Staat so viel Geld?
Wer die Gläubiger des Staates sind, ist nicht bekannt! Das Statistische Bundesamt ermittelt,
wie viele Huf- und Hasentiere jährlich geschlachtet werden und wie groß die Heideflächen in
Sachsen-Anhalt sind. Aber wer dem Staat 2.000 Mrd. € geliehen hat - das wird nicht gefragt!
Nur von der Bundesbank gibt es eine
Statistik, in der die Gläubiger in gerade mal fünf grobe Kategorien eingeteilt werden
(Quellen 4-8).
Das hat wohl seinen Grund. Jahr für Jahr müssen Kredite in Höhe von über 370 Mrd. € (!)
nach Ablauf der vereinbarten Laufzeit zurückgezahlt werden. Das kann der Staat nicht, also
muss er neue Gläubiger finden ("Umschuldung"). Die darf man nicht durch Neugier reizen.
Es wird viel illegal erworbenes Vermögen dabei sein. Und andere Staaten fragen auch nicht.
So bleiben wichtige Fragen offen, die mit einer genauen Aufschlüsselung der Gläubiger zu
beantworten wären:
Wie sind die Einkommensverhältnisse der Gläubiger? Das könnte die Frage beantworten, ob
Staatsverschuldung "Umverteilung von unten nach oben" ist, ob also die Arbeitnehmer mit
ihrer Lohnsteuer und die Verbraucher mit ihrer Umsatzsteuer Zinsen an die Wohlhabenden
zahlen.
Wer verbirgt sich hinter der Gruppe der ausländischen Gläubiger? Da werden viele Deutsche
darunter sein, die über ausländische Banken deutsche Staatsverschuldungspapiere kaufen. Die
Frage ist interessant für die Kosten der Staatsverschuldung: Inländische Gläubiger zahlen hier
Steuern auf ihre Zinsen, ausländische Gläubiger nicht.
Aus Veröffentlichungen der Gläubiger, z.B. aus Unternehmensbilanzen, ist aber ungefähr
bekannt, woher das Geld kommt. Insbesondere Investfonds wie BlackRock, die Banken
finanzieren die Staatsverschuldung. Daneben sind es Lebensversicherungen, die die Beiträge
der Versicherungsnehmer in Staatsanleihen anlegen. Aber auch Privatleute und Firmen
erwerben Bundesschatzbriefe, kommunale Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere,
die der Staat ausgibt.
Diese Papiere werden auf dem Rentenmarkt gehandelt, dort verkaufen Gläubiger ihre
Forderungen an andere Gläubiger, und dort nimmt der Staat neue Kredite auf. Wegen der Tag
für Tag notwendigen Umschuldung ist dieser Markt für den Staat von extremer Bedeutung.
Denn hier wird der Zins festgelegt, zu dem der Staat neue Gläubiger findet.
Wenn die Gläubiger das Vertrauen verlieren, dass alles pünktlich zurückgezahlt wird, werden
sie neue Anleihen nicht zeichnen: Dem Staat ginge binnen Wochen das Geld aus; die Gehälter
148
im öffentlichen Dienst, die Renten, die Sozialhilfe, alles könnte nicht mehr vollständig und
pünktlich bezahlt werden.
Es wäre schon folgenschwer, wenn nur ein Teil der Gläubiger das Vertrauen verliert. Die
übrigen Gläubiger ("Investoren") würden Anleihen nur zu einem höheren Zinssatz zeichnen.
Bei der ungeheuren Höhe der Staatsschulden ginge es schnell um Milliarden-Beträge, die der
Staat jährlich mehr an Zinsen zahlen müsste!
Stand: Juli 2012
Hauptziel
Hauptziel der Freiwirtschaft ist eine stabile, sozial gerechte Marktwirtschaft. In einem
freiwirtschaftlich organisierten Wirtschaftssystem sollen Produktion und Konsum über den
Markt vermittelt werden (Marktwirtschaft). Private oder öffentliche Unternehmen tragen das
geschäftliche Risiko und erwirtschaften mit dem Kapitaleinsatz eine gewinnabhängige
Rendite. Das Geldvermögen ist mit einem Negativzins belegt, wodurch es als
umlaufgesichert“ gilt. Damit soll die Umlaufgeschwindigkeit des Freigelds erhöht werden,
wodurch genügend Mittel für Investitionen bereitstünden. Mit dem Freigeld würde sogar ein
Absinken des allgemeinen Marktzinsniveaus auf 0% (oder gar darunter) erlaubt. Gleichzeitig
sollen mittels der Freilandreform die gegenleistungslosen Einkommen, die durch Landbesitz
entstehen und sich systemisch nicht eliminieren lassen, an die Allgemeinheit abgeführt und
vergesellschaftet werden.
Die Reformforderungen der vor allem in den 1920er Jahren im deutschsprachigen Raum
großgewordenen Freiwirtschaftsbewegung werden oft mit „F.F.F.“ zusammengefasst:
Freigeld, Freiland, Festwährung.
149
Freigeld (Geldreform)
Hauptforderungen der Geldpolitik sind:
Einführung einer umlaufgesicherten Währung
Abschaffung des Goldstandards
Silvio Gesell forderte die Abschaffung der bis dahin weltweit verbreiteten Golddeckung, weil
nur eine begrenzte Menge Gold für den Geldkreislauf zur Verfügung steht, während eine
Wirtschaft beinahe unbegrenzt wachsen kann. Goldmangel könnte deflationäre Zustände
verursachen, Goldüberschuss könnte destabilisierende Inflation zur Folge haben.
In der freiwirtschaftlichen Theorie ist das grundsätzliche Problem des Geldes das der
fehlenden Lagerkosten. Zwei Ansätze gibt es, um dies zu verdeutlichen: Der Gesellsche
Ansatz basiert auf der Analyse von Pierre-Joseph Proudhon, welche besagt, dass der
Geldbesitzer gegenüber dem Besitzer bzw. Anbieter von Waren, Produkten, Dienstleistungen
sowie Arbeitskraft einen entscheidenden Vorteil besitzen würde: Durch das Lagern von
Waren, Produkten und Dienstleistungen entstünden laufende Kosten, bei Geld aber nicht.
Dadurch würde der Geldbesitzer (die Nachfrage) einen systemischen Vorteil gegenüber dem
Angebot erhalten, was dazu führen würde, dass Geld teurer verkauft würde als Waren. Diesen
zusätzliche Wert definiert er als den „Urzins“ (geschätzte Höhe: 3–5%).
Investitionen würden seiner Meinung nach nicht getätigt, läge der allgemeine Marktzins unter
drei Prozent. Stattdessen würde es als liquides Mittel gehalten und gemäß Gesell zu
Spekulationszwecken verwendet. Aus Perspektive der Anleger entstünde der Anlagenotstand,
aus Perspektive der Unternehmer entstünde der Eindruck der Kapitalknappheit. Deflation und
Spekulationsblasen wären erfahrungsgemäß die Folgen solcher Situationen.
Als Gegenmittel dazu bietet Gesell die Umlaufsicherung an, welche sicherstellen soll, dass
weiterhin das mit negativem Zins belegte Geld investiert würde. Die Umlaufsicherung soll
sich deshalb wie eine Steuer auf Liquidität auswirken, um die Umlaufgeschwindigkeit zu
steuern. Dadurch soll nach freiwirtschaftlicher Annahme Vollbeschäftigung, vergleichbar
mit einer permanenten Hochkonjunktur eintreten, wodurch die Löhne stiegen, während
gleichzeitig die Preise real fallen würden.
Ein derartiges "Freigeld" erfüllt nicht die Geldfunktion "Wertaufbewahrungsfunktion".
Freiland
Ein weiterer Kritikpunkt der Freiwirtschaft an der bestehenden Verteilung der
Produktionsgüter und Mittel ist das private Eigentum am Boden. Es verschafft seinen
Eigentümern generell eine Bodenrente, die ihnen als leistungsloses Einkommen zufließt,
sowohl bei Selbstnutzung der Grundstücke wie auch beim Verpachten und Vermieten. Nach
freiwirtschaftlicher Auffassung soll die Bodenrente nicht in private Verfügung gelangen,
sondern der Allgemeinheit zukommen, weil Boden ein Produkt der Natur und kein vom
Menschen geschaffenes Gut ist, und der Wert, und damit die Bodenrente, nur durch die
Allgemeinheit entsteht.
Durch eine Bodenreform will die Freiwirtschaft öffentliches Eigentum am Boden mit dessen
privater Nutzung verbinden. Dazu fordert sie, allen Boden gegen volle Entschädigung seiner
150
bisherigen Eigentümer in öffentliches Eigentum zu überführen, zum Beispiel in Eigentum der
Gemeinden. Die bisherigen Eigentümer behalten dabei das Nutzungsrecht an ihren
Grundstücken gegen Entrichtung einer regelmäßig wiederkehrenden Nutzungsabgabe an die
öffentliche Hand. Boden in bis dahin öffentlichem Eigentum, der nicht ausdrücklich für
öffentliche Zwecke gebraucht wird, soll an die Meistbietenden zur Nutzung vergeben werden.
Im Unterschied zum Boden dürfen und sollen darauf befindliche oder künftig zu errichtende
Einrichtungen wie Gebäude oder gewerbliche Anlagen weiterhin Privateigentum sein und
können privat genutzt werden, weil sie aus menschlicher Arbeit hervorgegangen sind. Die
Rechte zum Vermieten oder Verpachten solcher Einrichtungen bleiben nach
freiwirtschaftlicher Vorstellung gewährleistet, nicht jedoch das private Verpachten der
Bodennutzung.
Wer Boden benötigt und nutzen möchte sowohl Privatpersonen wie juristische Personen,
sowohl bisherige Eigentümer wie neue Nutzer , soll der zuständigen
Bodenverwaltungsbehörde für die Nutzung des Bodens regelmäßig wiederkehrend eine
Nutzungsabgabe entrichten, welche in ihrer Höhe ungefähr der Bodenrente entspricht. Die
Höhe der Abgabe sollte je nach Begehrtheit des betreffenden Grundstücks bemessen sein und
kann zum Beispiel in einer Versteigerung von Nutzungsrechten als Höchstgebot ermittelt
werden. Damit wäre die Höhe der Nutzungsabgabe entsprechend marktwirtschaftlichen
Prinzipien durch Angebot und Nachfrage bestimmt.
Diese Bodenreform bedingt die Schaffung einer rechtlichen Trennung zwischen Boden und
darauf befindlichen Einrichtungen, wogegen das bestehende Recht nicht zwischen Boden und
Bauten unterscheidet, sondern beides zusammen als Grundstück bezeichnet und rechtlich als
Ganzes behandelt. Mit der neuen Ordnung wären Handel und Spekulation mit Boden nicht
mehr möglich, nach wie vor jedoch Kauf und Verkauf der privaten Einrichtungen. Beim
Verkauf eines Bauwerks müsste der Käufer vom Verkäufer auch den Bodennutzungsvertrag
mit der betreffenden Behörde übernehmen.
Mit der Bodennutzungsabgabe wird die Bodenrente der Allgemeinheit zufließen. Gesell selbst
plante, das durch die Vergesellschaftung der Bodenrente gewonnene Geld als Mutterrente,
eine Art hohes Kindergeld, an die Mütter zu verteilen, um diese wirtschaftlich unabhängig
von Männern zu machen.
Eine Bodenreform nach freiwirtschaftlichem Modell wäre notwendig, um zu verhindern, dass
Großgeldbesitzer, deren leistungslose Einkommen aus Zinsen nach der Einführung von
Freigeld beschnitten sein würden, auf den Aufkauf von Grundstücken ausweichen. Dadurch
würden die Grundstückspreise in unermessliche Höhen klettern und damit auch die
Bodenrente in privater Hand, sehr zum Nachteil aller Übrigen, weil jeder Mensch zum Leben
und Arbeiten auf Boden angewiesen ist.
Gesell bezieht sich dabei auf die Landreform-Theorie von Henry George. Diese sieht für Land
eine Eigentumssteuer in einer Höhe vor, die die Grundrente angemessen neutralisiert. Gesell
hält dabei aber Freiland für die systemisch überlegene Lösung.
Freihandel
Ein weiterer Aspekt, der zur Freiwirtschaft gehört, ist der Freihandel. Damit ist die
Abschaffung nationaler Wirtschaftsgrenzen gemeint. Da Freihandel von praktisch allen
151
Ökonomen gefordert und befürwortet wird, ist Freihandel der einzige Freiwirtschaftliche
Aspekt, der sich soweit global durchzusetzen scheint. Organisationen wie die WTO üben
international großen Druck auf Staaten aus, Zoll- und Importbarrieren zu reduzieren und
Exportsubventionen abzuschaffen, in der mit der ursprünglichen Freiwirtschaftsbewegung
übereinstimmenden Überzeugung, dass intensive Handelsbeziehungen und -Verflechtungen
einen langfristigen Frieden zwischen den Ländern der Welt sicherstellen.
Inflation
Die Geldmengen M1 bis M3
Laut der Quantitätsgleichung erhöht eine Umlaufsicherung die
Umlaufgeschwindigkeit . Dies hat prinzipiell denselben Effekt wie die Erhöhung der
Geldmenge . Das Preisniveau würde sich proportional zur Umlaufgeschwindigkeit
erhöhen, was sich in der Wirkung als vorübergehende, aber dramatische Inflation vorhersehen
lässt.
Nicht berücksichtigt wird allerdings, dass man eine Währung nur teilweise auf Freigeld
umstellen kann und dass das Handelsvolumen durch die erhöhte Güternachfrage in der
Freiwirtschaft auch steigt.
Auch kann eine einfache Erhöhung der Geldmenge zu einer gleichzeitigen Senkung der
Umlaufgeschwindigkeit führen, wenn Geld von der Geldbasis und , welches eine
hohe Umlaufgeschwindigkeit aufweist, zurückgehalten oder angespart und dadurch zur
Geldmenge oder gar wird, welche geringere Umlaufgeschwindigkeiten
aufweisen. Diese Verlagerung auf Geldmengen mit geringerer (bzw.
keiner) Umlaufgeschwindigkeit entsteht, wenn Menschen
auf Preissenkungen hoffen und dadurch Geld zurückhalten oder
wenn einzelne Menschen ein sehr hohes Einkommen haben, welches sie nicht
unmittelbar verwenden können, ansparen und somit aus dem Geldkreislauf wieder
152
herausnehmen, was dazu führt, dass sich das Geldvermögen dieser Menschen erhöht
ohne einen Beitrag zum Handelsvolumen zu leisten.
Diesen Effekten wird beim Freigeld durch die Umlaufsicherung entgegengewirkt, denn hier
entsteht die Erhöhung der Umlaufgeschwindigkeit durch die Verlagerung der lang- bis
mittelfristig angelegten Geldmengen und auf die rasch zirkulierenden Geldmengen
und
Die Geldmenge ist eine wichtige ökonomische Größe, weil sie im Zusammenhang mit der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Gütern und Dienstleistungen steht und Hinweise auf
die zukünftige Preisentwicklung liefert. Die Geldmengendefinition ist nicht ganz einheitlich;
im Folgenden wird beispielhaft die Geldmengendefinition der Europäischen Zentralbank
dargestellt. Die Geldmenge M0, auch Geldbasis genannt erfasst das Zentralbankgeld. Um den
Umfang des geschöpften Giralgeldes zu messen, beobachtet die Zentralbank die Geldmengen
M1-M3, die den Geldbestand von Nichtbanken erfassen. Die Geldmengen M1-M3 werden
nach dem Grad der Verfügbarkeit des Geldes für die Bankkunden unterteilt.[6]
Die Geldmenge M1 umfasst das Bargeld und die Sichteinlagen, also die innerhalb von
einem Tag abrufbaren Bankguthaben (Girokonto, Tagesgeldkonto).[7]
Die Geldmenge M2 umfasst M1 und Spareinlagen mit einer Kündigungsfrist von bis
zu drei Monaten und Termineinlagen mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren.[8]
153
Die Geldmenge M3 beinhaltet M2 und zusätzlich Repogeschäfte,
Geldmarktfondsanteile und Geldmarktpapiere sowie Bankschuldverschreibungen mit
einer Ursprungslaufzeit von bis zu zwei Jahren.[8]
Sichteinlage ist im Kreditwesen die Bezeichnung für Bankguthaben, bei denen keine Laufzeit
oder Kündigungsfrist vereinbart ist oder deren Laufzeit oder Kündigungsfrist weniger als
einen Monat beträgt. Regelfall sind die täglich fälligen Sichteinlagen. Der Begriff stammt von
Einlagen, über die der Gläubiger auf Sicht also jederzeit durch Barabhebung oder im
unbaren Zahlungsverkehr verfügen kann, ohne seine Absicht dem kontoführenden
Kreditinstitut vorher anzeigen zu müssen.
Eine Rückkaufvereinbarung oder Repo (engl. Kurzform für Sale and Repurchase
Agreement) ist ein kurzfristiges Finanzierungsinstrument, mit einer Laufzeit von im
Allgemeinen nicht mehr als einem Jahr, häufig sogar nur wenigen Tagen oder einer Nacht
(sog. Overnight-Repo).
Ein Repo stellt aus Sicht des Wertpapierverkäufers (Seller) eine Finanztransaktion dar, die
einen gleichzeitigen Verkauf und Rückkauf eines Gutes (in der Regel Wertpapiere)
kombiniert. Dabei handelt es sich um echte Pensionsgeschäfte, bei denen während der
Laufzeit das Eigentumsrecht des Verkäufers am Gut auf den Käufer übergeht
Struktur
Bei einer Rückkaufvereinbarung verpflichtet sich der Pensionsgeber (auch Kreditnehmer,
cash taker oder cash borrower, Verkäufer nimmt Repo-Position ein), dem Pensionsnehmer
(auch Kreditgeber oder cash lender, Käufer nimmt Reverse-Repo-Position ein)
Vermögensgegenstände in der Regel festverzinsliche Wertpapiere gegen Erhalt einer
vereinbarten Geldsumme zu überlassen und bei Laufzeitende, gegen (Rück-)Zahlung der
vereinbarten Summe plus Zinsen, wieder zurückzunehmen. Da sich der Pensionsnehmer
verpflichtet, identische Wertpapiere am Laufzeitende zu liefern, handelt es sich hierbei um ein
echtes Wertpapierpensionsgeschäft.
Rückkaufvereinbarungen sind Bestandteil des Geldmarkts und dienen institutionellen
Anlegern, vorrangig Banken, zur Beschaffung von Liquidität im Interbankenhandel sowie bei
Zentralbanken im Rahmen von Offenmarktgeschäften. Daneben werden kurzfristige
Rückkaufvereinbarungen von Instituten, in deren Sitzstaaten es eine risikounabhängige
Eigenkapitalkennziffer (sog. leverage ratio) gibt, vielfach dazu genutzt, zum Meldezeitpunkt
154
die Bilanzsumme abzusenken, um so die Eigenkapitalanforderungen ebenfalls zu senken[1]
(Window Dressing).
Die Offenmarktpolitik ist das wichtigste Instrument der Geldpolitik, mit dem die
Zentralbank die Giralgeldschöpfung (durch die Geschäftsbanken) beeinflusst. Die
Zentralbank bietet den Geschäftsbanken bestimmte festverzinsliche Wertpapiere zum Kauf an
oder kauft selbst Wertpapiere von den Geschäftsbanken (Offenmarktgeschäfte).
Kaufen die Geschäftsbanken Wertpapiere von der Zentralbank, reduziert dies ihre
Kontoguthaben bei der jeweiligen Zentralbank. Verkauft eine Geschäftsbank Wertpapiere an
die Zentralbank, erhält sie im Gegenzug (Aktivtausch) Zentralbankgeld (bare, unbare
Reserven), welche sie für die Erfüllung der Mindestreserven zu Kreditschöpfung verwenden
kann.[1]
Die Offenmarktgeschäfte können insbesondere nach Wahl der Offenmarktinstrumente (z.B.
befristete Transaktionen, Devisenswaps, endgültige Käufe), der Laufzeit der Instrumente, dem
Durchverführungsverfahren, dem Durchführungsrhythmus (regel- oder unregelmäßig) und
dem Zuteilungsverfahren unterschieden werden.
Bei den Offenmarktgeschäften dominieren die so genannten befristeten Transaktionen, das
sind solche Kreditgeschäfte bei denen die Zentralbank notenbankfähige Sicherheiten im
Rahmen von kurzfristigen Rückkaufvereinbarungen unter variablen Zinssätzen kauft. Diese
Hauptrefinanzierungsgeschäfte (Haupttender) erfolgen in Form von Pensionsgeschäften oder
Pfandkrediten. Bei Pensionsgeschäfte werden die Sicherheiten (i.d.R. Wertpapiere) von den
Geschäftsbanken an die Zentralbank entsprechend der Laufzeit bis zur Rückkaufvereinbarung
übertragen (auch in „Pension“ gegeben). Die Geschäftsbank erhält im Gegenzug liquide
Mittel in Form von Zentralbankgeld (Sekundärliquidität). Bei Pfandkrediten bleiben die
Sicherheiten im Eigentum der Banken.
Weitere Offenmarktgeschäfte sind längerfristige Refinanzierungsgeschäfte (Basistender),
Feinsteuerungsoperationen und sonstige strukturelle Operationen.
Die Methoden zur Erstplazierung von Wertpapieren durch Ausschreibungen werden in
Mengen- und Zinstender ("Tender" = Ausschreibung) unterschieden (Zuteilungsverfahren).
Die (administrativen) Durchführungsverfahren unterscheiden sich in Standard- oder
Schnelltenderverfahren und in sonstige bilaterale Geschäfte.
Offenmarktgeschäfte der EZB
Offenmarktgeschäfte sind die wichtigsten Instrumente der EZB und bilden den Mittelpunkt
der Geldpolitik des ESZB. Sie dienen zur Steuerung der Zinsen, der Liquiditätslage und zum
Aufzeigen des geldpolitischen Kurses. Durch die Offenmarktgeschäfte erhalten die
Geschäftsbanken den Großteil ihres Geldes gegen die Verpfändung von Sicherheiten (z. B.
Wertpapiere). Die Initiative zu Offenmarktgeschäften geht von der EZB aus.
Haupttender
Hauptartikel: Haupttender
155
Der Haupttender ist das Hauptrefinanzierungsgeschäft der Kreditinstitute, welches jede
Woche mit i. d. R. einer Woche Laufzeit (bis Anfang 2004 zwei Wochen Laufzeit) von der
EZB angeboten wird. Der Tender wird von den nationalen Zentralbanken durchgeführt. Er hat
eine gewisse Signalwirkung für Banken. Mit der Begründung eines hohen
Finanzierungsbedarfs der Banken zum Jahresende 2007 hat die EZB vorerst einmalig mit 19.
Dezember 2007 die Laufzeit wieder auf zwei Wochen erhöht. Der Grund dafür waren die bis
auf 4,8 % gestiegenen Zinsen für EZB-Geld einerseits und die Tatsache, dass sich Banken
untereinander aufgrund der Bankenkrise kaum noch Geld geliehen haben. Diese Verlängerung
führte zu einer Zinssenkung am Geldmarkt bereits im Vorfeld.[2]
Durchführungsverfahren
Standardtender
Der Standardtender ist ein im Eurosystem eingesetztes Tenderverfahren, das im Gegensatz
zum Schnelltender innerhalb von 24 Stunden durchgeführt wird. Der Standardtender kann
sowohl als Mengentender als auch als Zinstender durchgeführt werden. Er wird üblicherweise
bei Hauptrefinanzierungsgeschäften (Haupttender) und längerfristigen
Refinanzierungsgeschäften (Basistender) verwendet.
Schnelltender
Um Liquiditätsschwankungen schnell ausgleichen zu können, gibt es den Schnelltender, der
zu den Feinsteuerungsoperationen der EZB gehört. Dies ist ein Ausschreibungsverfahren für
die geldpolitische Feinsteuerung. Die Abwicklung solch eines Geschäftes und die
Geldzuteilung erfolgt innerhalb von 12 Stunden und wird oftmals mit einer begrenzten Zahl
von Kreditinstituten durchgeführt. Bei diesem Tender kann dem Markt Geld entzogen oder
zugeführt werden. Er findet nur bei Bedarf statt. Die Vergabe kann auf bestimmte
Geschäftspartner begrenzt werden.
Zuteilungsverfahren des Zentralbankgeldes
Die EZB führte ab dem 1. Januar 1999 bei der Zuteilung zunächst ein Mengentenderverfahren
durch, wechselte jedoch aufgrund der Überbietungsproblematik am 27. Juni 2000 zum
Zinstenderverfahren. Im Zuge der Finanzkrise wechselte die EZB im Oktober 2008 erneut
zum Mengentenderverfahren.
Mengentender
Beim Mengentender-Verfahren wird der Zinssatz für angebotenes Zentralbankgeld fest
vorgegeben. Die Geschäftsbanken machen Gebote in Höhe der gewünschten Geldbeträge, die
sie erwerben wollen. Die Zuteilungsquote errechnet sich, indem das insgesamt beabsichtigte
Zuteilungsvolumen auf die gesamte Angebotssumme bezogen wird. Das Problem der
Mengentender liegt darin, dass die Geschäftsbanken wegen des niedrigen Zinssatzes dazu
neigen, höhere Mengengebote abzugeben, als sie eigentlich benötigen
(Überbietungsproblematik). Bei der anschließenden Quotelung (Pro-rata-Zuteilung), auch
Repartierung genannt, schneiden sie dann besser ab.
156
Zinstender
Mit dem Verfahren des Zinstenders kann die Zentralbank ihre Offenmarktgeschäfte
durchführen. Die Zentralbank benennt die zu emittierende Geldmenge und legt darüber hinaus
einen Mindestbietungssatz fest, das heißt den minimalen Zins, zu dem sie
Offenmarktgeschäfte tätigt (als Signal für den geldpolitischen Kurs).
Die Geschäftsbanken geben dann ihre Zinsgebote ab.
Die Zuteilung des Zentralbankgeldes erfolgt nach dem Ende der Gebote:
amerikanischen Verfahren
bei dem alle Bieter des Tenderverfahrens zu dem Zinssatz bedient werden, zu dem sie
jeweils geboten haben. Der niedrigste Zins, zu welchem noch eine (teilweise)
Zuteilung erfolgt, ist der marginale Zinssatz. Die einzelnen Gebote zum marginalen
Zinssatz werden hierbei im Verhältnis zum kumulierten Gebot gekürzt man spricht
von Repartierung. Bei diesem Verfahren erhalten die Banken mit den höchsten
Zinsangeboten den Zuschlag, d. h. das Geld fließt zu den Banken, die es am nötigsten
brauchen (Einführung einer Marktkomponente)
holländischen Verfahren
bei dem alle zum Zuge kommenden Bieter zum marginalen Zinssatz ("Zinssatz, bei
dem die kumulierten Gebote größer sind als der vorgesehene Zuteilungsbetrag"[3])
bedient werden. Wie beim Mengentender wurden von den Banken oft
unverhältnismäßig niedrige Zinsgebote abgegeben (sie mussten ja nur den marginalen
Zinssatz zahlen).
Die EZB verwendete das amerikanische Zinstender-Verfahren. Im Zuge der Finanzkrise ist
sie jedoch auf das Mengentender-Verfahren mit vollständiger Zuteilung umgestiegen.[4] Die
Abwicklung erfolgt per OMTOS (OffenMarkt Tender Operations-System).[5]
Zinseszins
Kn = K0 * ((p / 100) + 1)n
Kn
: Endkapital inkl. Zinsen nach n Jahren
K0
: angelegtes Anfangskapital
p
: Zinssatz in Prozent
n
: Anzahl der Jahre
Wie aus der Zinseszinsformel direkt ersichtlich ist, wird der Zinsfaktor mit der Laufzeit
potenziert, um das Endkapital zu berechnen.
Der Zinsfaktor ergibt sich, indem der in Prozent vorliegende Zinssatz durch 100 geteilt wird
und der Quotient um eins erhöht wird, da das ursprüngliche Kapital erhalten bleibt.
Durch die Potenzierung werden Zinserträge der vorangegangenen Jahre mit in die
Berechnung einbezogen, so dass es zum Zinseszins kommt.
157
Um die reinen Zinserträge aus Zins und Zinsesins zum Ende der Laufzeit zu berechnen, ist
einfach das Anfangskapital vom berechneten Endkapital abzuziehen:
Zn = Kn - K0
Zn
: Zinsertrag nach n Jahren